Glückwunsch, du bist ein Mädchen! Eine Anleitung zum Klarkommen
Von Sonja Eismann und Christina Köver
Illustratorin: Daniela Burger
Beltz & Gelberg Verlag 2013. 160 Seiten
ISBN-13: 978-3407753687. 16,95€
Empfohlen ab 14 Jahre
Verlagstext
Mädchen lieben Pink und stehen auf Jungs ... Für alle Mädchen, die mehr vom Mädchensein erwarten, ist dieses Buch! Jedes Mädchen ist anders. Manche tanzen Ballett, andere fahren lieber BMX. Einige Mädchen lieben Jungs, andere bevorzugen Mädchen. »Erfinde dich!« macht Mädchen Mut, die eigene Identität zu entwickeln. Das Buch liefert Ideen und fordert zugleich auf, genau hinzuschauen, zu hinterfragen, Identitäten und Lebensformen auszuprobieren, mit Freundinnen zu reden – und nicht zuletzt Spaß zu haben, sich selber zu erfinden. Ein echtes DIY-Buch fürs Mädchensein.
Inhalt
Eine Anleitung zum Klarkommen für Mädchen könnte ein passendes Geschenk zur Konfirmation oder zum Schulabschluss sein, dachte ich beim Blick auf das Buch. Die drei Herausgeberinnen des Missy Magazins treten als Autorinnen mit feministischem Ansatz an. Ihre Kernthemen sind die weibliche Rolle, das Verhältnis von Mädchen zu ihrem Körper unter Einfluss von Werbung und Castingwahn, die Gruppendynamik in Mädchencliquen, Billigtextilien, Sexualität und Verhütung, sowie Sportarten fern vom rosaroten Klischee.
Ist die weibliche Rolle angeboren oder antrainiert und welchen Einfluss hat die Herkunft unseres Frauenbildes auf unsere Möglichkeit, etwas daran zu verändern? Wie kann ich mir ein eigenes Bild von Weiblichkeit machen, wenn mir das öffentlich vermittelte Frauenbild nicht zusagt? Welchen Einfluss hat die Mode-Industrie auf meine Vorstellung von Weiblichkeit? Sind Billig-Klamotten wirklich billig und betrifft mich das Thema als Käuferin überhaupt? Warum zicken Mädchen? Wie kann ich unter Mädels einen zugewandteren Umgangston erreichen und nicht nur über andere lästern? Was ist normal – hetero, homo, bi oder asexuell? Welcher Sport passt zu mir? Diese Fragen sind nicht nur 14- bis 17-jährigen Mädchen wichtig, an die sich das Buch richtet, sondern auch ihren Müttern, Ausbilderinnen oder Mentorinnen, die sie ins Leben begleiten.
Durch eingestreute Interviews mit aktiven, kritischen Frauen wirkt das Buch auf den ersten Blick flott und altersgerecht. Beim genaueren Lesen frage ich mich jedoch, welche Zielgruppe die Autorinnen im Auge haben. Sprachniveau und Informationsvermittlung zum größten Teil über den Text richten sich vermutlich an Gymnasiastinnen. Körperbild und Schönheitsideale würden sich m. A. in Bild und Text gefälliger vermitteln lassen. Für die angesprochene Altersgruppe finde ich den Gehalt an belastbaren Fakten sehr dünn. Bei den Themen Billig-Textilien, Geschichte des Feminismus und Verhütung wird aus dem feministischen Bauch heraus polemisiert, aber kaum informiert, einige Formulierungen sind sprachlich und inhaltlich anfechtbar. Argumentiert wird zum Textil-Thema weder wirtschaftlich, ökologisch noch empirisch belegbar. Als Botschaft kommt bei mir als Leserin aus diesem Kapitel an: Mädels können nur Polemik, aber nicht Wirtschaft, Sozialwissenschaften und Geschichte. Kleidung war früher teurer als heute, "weil sie nach Maß geschneidert wurde", so die Autorinnen. Sind Kleidungsstücke aus nachwachsenden Rohstoffen mit jahrzehntelanger Haltbarkeit wirklich teurer als Fünf-Euro-T-Shirts, die nur eine Saison halten? Fakten (1920 musste ein Arbeiter x Stunden arbeiten, um sich ein Hemd kaufen zu können, 2010 y Stunden) wären hier eindrucksvoller als nicht belegte Annahmen. Wenn es mit dem Kondom nur ein Verhütungsmittel gibt, das zugleich gegen ungeplante Empfängnis und sexuell übertragbare Krankheiten schützt, wie kann "der doppelte Schutz so hoch wie bei keiner anderen Methode" sein, wenn keine andere Methode diese zweifache Wirkung hat? (Seite 122) Von den Autorinnen wünsche ich mir, dass sie sich nur zu Themen äußern, die sie selbst verstanden haben; denn Jugendliche sind ein sehr kritisches Publikum.
Fazit
"Glückwunsch, du bist ein Mädchen" vermittelt einige unterstützenswerte Botschaften, von "Werte niemanden ab", über "Jede sexuelle Orientierung ist in Ordnung, ob sie nun hetereo, homo, bi oder asexuell genannt wird", "Trag Querstreifen, wenn alle sagen, Querstreifen machen dick". "Guck keine Casting-Shows" dürfte schon schwieriger umzusetzen sein. Mit dem Buch wurde eine gute Idee sprachlich und in der Logik der Argumentation nicht durchgehend sorgfältig ausgearbeitet. Der Text ist nicht frei von Konfrontation zwischen den Geschlechtern, die aus der Feder von zwischen 1969 und 1979 geborenen Autorinnen verwundert. Die zu Einzelthemen vermittelten Fakten genügen weder einer Leserinnengruppe, denen diese Themen noch völlig neu sind, noch Leserinnen, denen aufgrund eigener Vorkenntnisse die Schwächen im Text auffallen.
6 von 10 Punkten