Schweinezeiten - Gary Victor

  • Litradukt Literatureditionen, Trier 2013
    Broschiert, 130 Seiten


    Aus dem Französischen von Peter Trier.


    Kurzbeschreibung:
    Ein drückend heißer Sommer in Haiti. Inspektor Dieuswalwe Azémar hält sich für eine gescheiterte Existenz: Da er sich mit der allgemeinen Korruption nicht abfinden kann, wird er immer als Versager gelten, dem nur noch der Alkohol Trost spenden kann. Als jedoch das Leben seiner Tochter durch die Machenschaften einer Sekte in Gefahr gerät, findet er seine Reflexe als Elitepolizist wieder. Ein weiteres Mal zieht der Dirty Harry von Port-au-Prince mit seiner Beretta und viel Zuckerrohrschnaps in den Kampf gegen Verbrechen, Korruption und okkulte Mächte. Was verbirgt sich hinter der "Kirche vom Blut der Apostel"? Was hat der Traum seiner Tochter zu bedeute? Und was hat all das mit der seltsamen Verwandlung zu tun, die mit seinem ehemaligen Assistenten vor sich geht?


    Über den Autor:
    Gary Victor, geboren 1958 in Port-au-Prince, ursprünglich Agronom, gehört zu den meistgelesenen Schriftstellern Haitis. Außer Romanen, Erzählungen und Theaterstücken schreibt er auch Beiträge für Rundfunk und Fernsehen.


    Über den Übersetzer:
    Peter Trier, geboren 1970 in München, aufgewachsen in Bonn
    Studium Deutsch und Französisch in Bonn, DAAD-Lektor in Frankreich
    Deutschlehrer und staatl. geprüfter Übersetzer für Französisch


    Mein Eindruck:
    Schweinezeiten ist ein außergewöhnlicher Roman, den man wahlweise als absurden Krimi oder als kritischen Gesellschaftsroman über Haiti lesen kann.


    Krimielemente gibt es viele, auch einen Fall, in den der Inspektor persönlich verwickelt wird. Logik oder Geradlinigkeit darf man aber nicht erwarten, im Gegenteil.


    Inspektor Dieuswalwe Azémar macht die drückende Hitze zu schaffen, und sein alkoholisierter Zustand. Wieder kommen die zwei Genrezutaten zum tragen.
    Für einen modernen Ermittler der Krimiliteratur gehört es sich einfach, Alkoholiker zu sein, gewalttätig und nur nach eigenem Moralkodex zu handeln. Gary Victor persifliert dieses Klischee, auf der anderen Seite gelingt es ihm dadurch auszudrücken, dass ein Einzelner im Kampf gegen die allgegenwärtige Korruption in Haiti nur untergehen kann.
    Ich musste wiederholt an Inspector Ali von Driss Chraibi denken, da auch Gary Victor so viel mit Überspitzungen und grimmiger Ironie arbeitet.


    Auch ein junger Wachtmeister, der einmal der Assistent von Dieuswalwe Azémar war, kann auf Dauer dem Einfluß des korrupten Staatsapparat nicht entgehen und wechselt die Seiten.


    Konservative Krimileser werden den Roman sich hassen. Auch Leser von Romanen schöner exotischer Orte werden nicht bedient. Außer dem Einfluß von Armut, Korruption und Voodoo wird die haitianische Gesellschaft nicht erklärt.


    Hier ist als schon der Leser der etwas anderen Art gefragt. Ich schätze den Roman sehr, denn er bietet auf 130 Seiten konzentrierte Leidenschaft, eine Explosion der Emotionen, bei der Humor und Tragik oft ineinander übergeht.


    Schweinezeiten ist Platz 3 auf der Litprom-Bestenliste und hat in der ZEIT eine hervorragende Rezension erhalten. Hoffentlich drückt sich das für den unabhängigen Verlag Litradukt auch in guten Verkaufszahlen aus. Verdient hätte es der Roman.


    Schweinezeiten ist übrigens Teil einer Reihe um den Inspector Dieuswalwe Azémar und er ist anscheinend nicht der erste Teil. Ein weiterer Teil ist angekündigt.

  • Ein neuer Teil der Krimi-Reihe um Inspektor Azémar ist inzwischen erschienen:


    Soro: Ein Voodoo-Krimi
    von Gary Victor


    Port-au-Prince, 12. Januar 2010: Kaum dem Erdbeben entronnen, wird Inspektor Azémar mit einem Spezialauftrag betraut: Er soll herausfinden, mit wem die Frau seines Vorgesetzten in dem Stundenhotel war, unter dessen Trümmern ihre Leiche gefunden wurde. Dumm nur, dass er selbst dieser Mann war. Außerdem ist da noch der berühmte Maler, der angeblich dem Erdbeben zum Opfer gefallen ist ...


    Ich habe es mir heute bestellt.

  • Ich habe den Krimi jetzt auch gelesen und bin nach anfänglichen Schwierigkeiten, die hitzige Atmosphäre und auch den Alkoholkonsum der Inspektors zu verkraften, begeistert.


    Weder kann der Inspektor, der unbestechlich und nicht korrupt, seinen einsamen Weg bei der Polizei in Porte-au-Prince geht, seine eigene Tochter beschützen, noch kann er die jeweils Schuldigen vor Gericht oder ins Gefängnis bringen. Zu unterwandert ist die Polizei von Personen die persönliche Interessen an deren Freiheit haben, damit der Geldfluss der durch und durch korrupten Gesellschaft nicht versiegt.

    Kein Wunder, dass Dieuswalwe daran verzweifelt.


    Ein Highlight in der oftmals wenig literarischen Krimiszene.