Ein Abend bei Claire - Gaito Gasdanow

  • Verlag: Hanser, 2014
    Fester Einband, 192 Seiten


    übersetzt aus dem Russischen von Rosemarie Tietze


    Kurzbeschreibung:
    Die Geschichte einer großen Liebe und eine unvergessliche Schilderung Russlands zu Beginn des 20. Jahrhunderts: 1917 begegnet der verträumte Kolja im vorrevolutionären St. Petersburg der bezaubernden Claire und verliebt sich in sie. Aber das Phantasiebild dieser Frau ist für ihn so viel wirklicher als die Realität, dass er ihr nicht zu folgen wagt, als die verheiratete Claire ihn eines Abends zu sich lädt. Nach der langen, sinnlosen Grausamkeit des Bürgerkriegs will er nun, Jahre später, Claire im Pariser Exil wiederfinden. Mit den Mitteln des modernen Erzählens erweckt Gaito Gasdanow die vergangene Welt seiner Jugend wieder zum Leben. Ein Abgesang auf die romantische Liebe, der bis heute ergreift und berührt.


    Über den Autor:
    Gaito Gasdanow, 1903 in St. Petersburg geboren und 1971 in München gestorben, gilt als einer der wichtigsten russischen Exilautoren des frühen 20. Jahrhunderts. Seit 1923 lebte er im Exil in Paris, wo er begann, regelmäßig literarische und journalistische Texte zu veröffentlichen. Wegen der existentialistischen Prägung seines Werks wurde Gasdanow wiederholt als der „russische Camus“ bezeichnet. Sein Werk umfasst zahlreiche Romane und Erzählungen. Im Hanser Verlag erschien 2012 erstmals in deutscher Übersetzung der Roman Das Phantom des Alexander Wolf.


    Über die Übersetzerin:
    Rosemarie Tietze wurde 1944 in Oberkirch/Schwarzwald geboren. Nach dem Studium der Theaterwissenschaft, Slawistik und Germanistik in Köln, Wien und München folgte 1969 ein einjähriger Forschungsaufenthalt an der Moskauer Theaterhochschule GITIS. 1970 studierte sie am Sprachen- und Dolmetscherinstitut München und absolvierte 1972 die Staatsprüfung für die russische Sprache. Seitdem ist Rosemarie Tietze als Dolmetscherin und Übersetzerin tätig, unterrichtet am SDI München und leitet Fortbildungsseminare für (Literatur-)Übersetzer. Für ihre Übersetzungen wurde sie vielfach ausgezeichnet, u.a. 1995 mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und 2003 mit dem Münchner Übersetzerpreis. Im Jahre 2005 erhielt sie das Zuger Übersetzer-Stipendium und 2010 den Paul-Celan-Preis für die Übersetzung von Tolstois Anna Karenina.


    Mein Eindruck:
    Ein Abend bei Clare ist Gaito Gasdanow erster Roman, 1929 in Paris geschrieben, der vielleicht nicht ganz so große Bilder erzeugt wie manche Passagen aus seinem Erfolgsroman “Das Phantom des Alexander Wolf“, dafür aber einige Momente ruhiger und privater Art besitzt.


    Es gibt Erinnerungen der Hauptfigur Kolja an seine Kindheit, die ich überzeugend finde. Seine Faszination von Büchern, wobei er die bevorzugt, die ihm eigentlich verboten wurden. Doch er schlägt die verschlossene Glastür des Bücherschranks seiner Eltern ein und wählt Dostojewski aus.
    Diese Leidenschaft zeichnet die Figur aus.
    Ihn prägt auch der frühe Tod seines geliebten Vaters, seine Mutter empfand er als kühl, obwohl er ihre Stärke bewunderte.
    Kolja wird später Kadett, aber wegen seiner Empfindsamkeit kein guter Militär. Trotzdem meldet er sich schließlich als Freiwilliger bei der Weißen Armee.


    Vorher lernt er die Französin Claire kennen, die er bewundert. Als Claire schließlich heiratet, sieht er sie 10 Jahre nicht mehr.


    Das Buch ist passender weise in erster Person geschrieben. So wird Koljas Sensibilität besonders deutlich.


    Es gäbe noch einiges über Gasdanows Stil, Motive und Erzählmethodik zu sagen, doch das spare ich mir und verweise das auf die überzeugenden, durchgängig positiven Rezensionen in der Zeit (Andreas Isenschmidt), in der FAZ (von Tilman Spreckelsen) und der Süddeutschen (von Christopher Schmidt).


    Von der Übersetzerin Rosemarie Tietze gibt es ein interessantes Nachwort, in dem die autobiographischen Elemente von Ein Abend bei Claire herausgearbeitet werden.


    Ich habe den Roman wegen seiner sprachlichen Qualität gerne gelesen, ein literarischer Genuss!