Gebundene Ausgabe: 211 Seiten
Verlag: Lenos
Aus dem Arabischen von Kristina Stock. Nachwort von Hartmut Fähndrich.
Kurzbeschreibung:
In seinem Prosawerk "Ein Gedächtnis für das Vergessen" schildert Machmud Darwisch in einer dichten, poetischen, mitunter auch zynischen Sprache einen Tag im August 1982 in Beirut während der israelischen Belagerung, die die Vertreibung der Palästinenser aus der libanesischen Metropole zum Ziel hatte.
Schon der Tagesbeginn ist schwierig. Während eines Bombenangriffs kocht er sich trotzig Kaffee, bevor er sich in die verwüsteten Strassen der Stadt hinauswagt. Sein Gang wird zu einer Reise ins persönliche und kollektive Gedächtnis. Reflexionen über das Schicksal der Palästinenser, die Stadt Beirut, das Fremdsein und das Exil, Erinnerungen an die Liebe zu einer jüdischen Frau, an die Zeit im Gefängnis vermischen sich mit Träumen, Begegnungen mit Dichterkollegen, Schilderungen der sich überschlagenden Ängste zu einem vielschichtigen, meisterlich gefertigten Text von grosser künstlerischer Kraft.
Über den Autor:
Mahmoud Darwish wurde 1941 im Dorf al Birwe bei Akko (Palästina) geboren. Er flüchtete 1948 in den Libanon und kehrte nach der Gründung des Staates Israel heimlich zurück. Sein Gedichtband »Ölbaumblätter« machte ihn in den sechziger Jahren berühmt. Nach mehreren Inhaftierungen verließ er Israel und ging 1970 ins Exil. Von 1987 bis 1993 war er Mitglied des Palästinensischen Nationalrats. Darwish galt als einer der herausragenden Dichter in der arabischen Welt und als die poetische Stimme des palästinensischen Volkes. Seine Bücher sind in mehr als 35 Sprachen übersetzt. Zuletzt lebte er in Amman und Ramallah. Er starb 2008 in Houston/Texas.
Über die Übersetzerin:
Kristina Stock, geboren 1962 in Altenburg, ist freie Übersetzerin aus dem Arabischen.
Sie hat u.a. übersetzt:
Dschabra Ibrahim Dschabra, Mohammed Barrada,, Wassini Laredsch, Y.H. Aschqar, A.M. al-Rubaie, Iman Humaidan Junis, Abdeljalil Daikhi
Mein Eindruck:
Machmud Darwisch war ein bedeutender Lyriker, in der arabischsprachigen Welt sogar ein Superstar. In Deutschland kennen ihn nur die Spezialisten für Palästinensische Literatur.
„Ein Gedächtnis für das Vergessen“, geschrieben 1987, thematisiert das Einmarschieren der israelischen Armee in Beirut 1982 während des Libanonkrieges. Wochenlang wird die Stadt beschossen und belagert. Machmut Darwisch erlebt das hautnah mit. Die Belagerung hält an, bis Arafat und seine Kämpfer aufgeben und das Land verlassen.
Ein Gedächtnis für das Vergessen ist keine Lyrik sondern es handelt sich um autobiographische Prosabeschreibungen, und doch ist es auch ein poetischer Text.
Abgesehen von wenigen entspannten Momenten zeigt es aber den Zustand eines Mannes in einer belagerten Stadt. Die Gefahr ist allgegenwärtig. Es scheint nur die Wahl in den Trümmern zerbombter Häuser zerquetscht oder auf der Straße zerfetzt zu werden. Für Hoffnung gibt es wenig Anlass.
Es ist ein Text von erheblicher Komplexität, der nicht immer einfach zu lesen ist und der sich nicht einfach in ein oder zwei Sätzen beschreiben lässt. In dem Zusammenhang finde ich obige Kurzbeschreibung (Klappentext des Verlags) jedoch ziemlich zutreffend.
Zwar war Machmud Darwisch zeitweise mit Arafat befreundet und spielte auch eine Rolle als Kulturbeauftragter der PLO, aber man kommt nie auf die Idee, dieses Buch als Propaganda zu lesen.
Es sind vor allen literarische Mittel, mit denen Darwisch sein Leben in dieser Zeit beschreibt, inklusive Erinnerungen an frühere Zeiten, wo er z.B. in israelischen Gefängnissen saß.
Die Herausarbeitung der relevanten Fragestellungen zu der Situation löst das Buch von einer bloßen Autobiographie und die literarische Vorgehensweise grenzt das Buch auch von einer essayistischen Arbeit ab.
Fazit: Ein bemerkenswertes Buch von großer sprachlicher Ausdruckskraft!