Der Herr der Unterstadt von Daniel Polansky

  • Klappentext:
    Rigus ist die schönste Stadt der Dreizehn Lande, ein glitzerndes Juwel, das von vornehmen Herren und edlen Damen bevölkert wird. Doch wo strahlendes Licht ist, ist auch tiefster Schatten. Und wer die Wahrheit sucht, wird Tod und Verderben finden … Wer seinen Weg unbedacht wählt, gelangt auf den schmutzigen Seitengassen von Rigus in die gefürchtete Unterstadt. Hier herrschen Sünde und Gewalt, Drogen und Geld sowie die mächtigsten Herren des Verbrechens. Der Patron hat einst als Agent gegen sie ermittelt, doch längst ist er einer von ihnen geworden: abgebrannt, drogensüchtig und auf der Flucht vor seinen eigenen Verfehlungen. Aber dann geschieht ein Mord, dessen Aufklärung ihn nicht mehr loslässt und bis in die höchsten Kreise von Rigus führt. Ein verräterisches Spiel beginnt, bei dem der Patron nicht nur die gesamte Unterstadt gegen sich aufbringt, sondern von seiner eigenen ruchlosen Vergangenheit eingeholt wird.



    Meine Meinung:
    Wo fange ich an, bei der Besprechung eines Buches, das zwar nicht grottenschlecht ist, aber auch so weit von 'gut' entfernt, dass ich mich (wieder einmal) in dreierlei Hinsicht ärgere: Weil ich schon wieder nur trauriges Mittelmaß aus dem Fantasy-Regal gegriffen habe, weil ich meine Zeit damit verschwendet habe, diese nichtssagende Geschichte zu Ende zu lesen und weil der Autor all sein Potential sinnlos verschossen hat, statt was draus zu machen.
    'Der Herr der Unterstadt' ist eine typische Diebsgesindel-Fantasy-Story: Der (Anti-)Held eine so schnoddrige wie verkrachte, aber unter der rauen Schale irgendwie gutherzige Unterwelts-Existenz, der Schauplatz die Slums einer nicht näher charakterisierten Fantasy-Stadt, Mord und Totschlag und wildes Gefluche gibt's reichlich.
    In dieser Art von Setup spielen ein paar wirklich erstklassige Fantasy-Romane (z.B. recht unterhaltsam - 'Unter Dieben' von Douglas Hulick, die großartigen Locke Lamora Romane von Scott Lynch oder die atemberaubend gute Schatten-Trilogie von Brent Weeks). 'Der Herr der Unterstadt' schafft es leider nicht mal ansatzweise in diese Liga, so sehr er sich auch bemüht.
    Es ist im Gegenteil ein ziemlich vorhersehbares Kabinettstück mit einem großmäuligen Helden, der vergeblich versucht, cool und witzig zu sein, aber doch nur wie ein Sprücheklopfer wirkt, der sich immer mit mehr Glück als Verstand und vor allem dank seiner zahlreichen Freunde durch die Story hangelt. Obwohl der Autor ihn mit einer durchaus spannenden Vergangenheit ausgestattet hat, nimmt man ihm die behauptete Coolness leider nie ab. Die bemüht schnoddrige Gossensprache (das Buch ist aus der ICH-Perspektive erzählt) wirkt da auch eher kontraproduktiv und fängt ab der Hälfte an, gewaltig zu nerven.
    Unser Held also ist nach eigener Darstellung ein hässlicher, von seinem eigenen Stoff abhängiger, durchschnittlich wehrhafter Drogenhändler, der früher mal Ermittler bei einer Polizei-Spezialeinheit war und noch früher Offizier in der Armee. Als ein kleines Mädchen misshandelt und tot aufgefunden wird, lässt er sich mehr oder weniger aus Gutherzigkeit darauf ein, nach dem Mörder zu suchen und kann bald nicht mehr zurück, weil ihm sonst alle möglichen Unerquicklichkeiten drohen. Auf den ersten Kindesmord folgen bald noch mehr, es scheint besonders gefährliche schwarze Magie im Spiel und die Spur führt ganz nach oben. Unser Held pöbelt und torkelt und lügt und flüchtet sich also durch die Geschichte, ist dabei so eloquent wie ein Kühlschrank und tappt in ziemlich jede Falle, was ihn nicht übermäßig intelligent dastehen lässt. Die Auflösung des Falls ist dann auch keine Überraschung, auch da ist die Luft also schon sehr früh im Buch raus.
    Leider kann es auch die Kulisse nicht reißen - von der im Klappentext viel beschworenen Faszination der Stadt Rigus ist im Text wenig zu spüren. Tatsächlich habe ich selten einen Fantasyroman gelesen, der so ausgesprochen atmosphärelos daherkam. Man ahnt vage, dass das Ganze eine Art Steampunk-Setting ist, eine Mischung aus Mittelalter und früher industrieller Revolution plus Magie. Aber wirklich vorstellen konnte ich es mir nie.


    Fazit - noch ein farbloser Titel im Fantasy-Regal, den man lesen kann oder auch nicht. Wenn gerade nichts anderes zur Hand ist, erfüllt er wohl seinen Zweck, denn handwerklich ist er solide gemacht und es gibt sehr viel Schlimmeres zu kaufen. Aber sollte das ein Kriterium für die Auswahl des Lesestoffs sein? Dass es Schlimmeres gibt? Also, die, die nach Schurken-Fantasy sucht: Lest lieber Scott Lynch, oder Brent Weeks, oder Douglas Hulick, da habt ihr mit Sicherheit mehr davon.


    5 Eulenpunkte.
    :wave

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!