Der Autor
Émile Édouard Charles Antoine Zola (geb. am 2. April 1840, gest. am 29. September 1902) war ein französischer Schriftsteller, einer der großen Romanciers des 19. Jahrhunderts und des Naturalismus. Zugleich war er ein sehr aktiver Journalist, der sich mit Satiren und höchst kritischen Beiträgen am politischen Leben beteiligte. Bekannt ist Zola vor allem durch den Roman "Nana".
"Das Geld" entstand in den Jahren 1890/91.
Inhalt
Frankreich 1864, die Jahre des zweiten Kaiserreichs
Durch Industrialisierung ist Frankreich zu einer Wirtschaftsmacht aufgestiegen, allerdings wächst die soziale Unzufriedenheit durch steigende Preise und Mieten. Die Marxistische Idee fasst Fuss.
Saccard, ein Finanzglücksritter, hat alles verloren und will nun zu neuem Reichtum kommen. Er gründet ein Finanzunternehmen, mit dem Ziel, im Orient neue Verkehrswege zu bauen, um diese Region für Frankreich zu erschließen. Außerdem zieht er gläubige Katholiken in sein Unternehmen hinein mit der Idee, dadurch im Orient das Christentum zu etablieren.
Saccard überzeugt Geldgeber und Politiker und kauft sich seine eigene Presse. Er schafft es, sowohl Großanleger als auch kleine Sparer in seinen Bann zu ziehen. Sie vergöttern Saccard, hängen an seinen Lippen. In einem unerschütterlichen Vertrauenstaumel in die Bank schwimmen sie auf einer Welle der Begeisterung, die sie aber irgendwann mitreißt und auf die Klippen wirft.
Denn das Finanzunternehmen steht auf wackligen Beinen. Nur durch Tricks, unseriöse Machenschaften, Strohmänner kann es zunächst Gewinn machen und seinen Kurswert vervielfachen. Und dann passiert, was kommen musste.
Meinung
Per Zufall stieß ich auf dieses Buch, das mich vom Titel her nicht angesprochen hätte. Allerdings war mir der Autor anderweitig in bester Erinnerung. Deshalb las ich den Klappentext und wurde sehr neugierig: Ein Finanzthriller aus dem 19. Jahrhundert, kein Sachbuch, das aber dennoch einen guten Einblick in die Machenschaften der Finanzwelt gibt, somit aktueller denn je.
Anhand von verschiedenen in das Finanzunternehmen verwickelte Personen zeigt Zola die Psychologie des Geldes und der Börse. Es gibt die verschiedensten Charaktertypen im Umgang mit Geld: Spieler, Draufgänger, Geizige, Leichtgläubige, Ängstliche, Optimisten, Pessimisten, Größenwahnsinnige, Bodenständige, Machtgierige.
Zola schildert die Finanzwelt als ein gefräßiges, zerstörerisches Monster, als Spielhölle.
Durch Abschweifungen ins Privatleben der beteiligten Personen wird dem Leser vor Augen geführt, wie sehr die Geldgier und Spielsucht die Menschen verändern und ruinieren, wie aus fürsorglichen Eltern streitende, kalte Menschen werden, wie ruhige Menschen zu Nervenbündeln werden.
Sehr beeindruckt war ich, wie Zola ein ungleiches Brüderpaar schildert. Der eine presst mit schmutzigen Methoden, durch geplatzte Wechsel, unter Androhung von Skandalen Geld aus Bankrotteuren heraus. Der andere, sterbenskrank, arbeitet an einem Gesellschaftskonzept, in dem Geld abgeschafft ist. Doch so einfach ist die Einteilung in gut oder bös nicht. Der erstere liebt seinen kranken Bruder über alles, macht alles für ihn, lässt auch seine Geschäfte ruhen, wenn es nötig ist. In dieser Charaktereigenschaft wurde mir der sonstige Widerling sogar fast ein bisschen sympathisch.
Gleichzeitig beschreibt der Autor aber auch als Folge der Geldgier einerseits das Elend, den Schmutz und die Krankheit der Armen andererseits in sehr drastischen, abstoßenden, ja fast ekelerregenden Worten. Wohltätigkeit wird von manchen feinen Damen eher als Zeitvertreib und zur eigenen Befriedigung praktiziert. Kommunistisches Gedankengut entsteht zwangsläufig.
Andererseits ermöglicht Geld aber auch die Verwirklichung großer Projekte und kleiner Träume, wie die Mitgift für die Tochter oder einen gesicherten Lebensabend.
Karoline ist der absolute Sympathieträger in diesem Roman, herzlich, menschlich, vorsichtig, wenn auch nicht fehlerlos. Durch sie, die selbst in Saccards Finanzunternehmen engagiert ist, wurde ich mit der Überlegung konfrontiert, ob Geld per se schlecht ist. Anfangs, als sie mit dem Elend der armen und ausgebeuteten Menschen in Kontakt kommt, will sie am liebsten das Geld abschaffen. Doch kommt sie schließlich zum Schluss, dass Geld auch ein Segen sein kann, genauso wie auch die Liebe Gutes und Schlechtes bewirken kann, und genauso wie kein Mensch nur schlecht ist.
Trotz des über weite Strecken beschreibenden Schreibstils erzeugt Zola immer wieder Spannung. Als Thriller würde ich das Buch zwar nicht bezeichnen, doch es kam mehrfach vor, dass ich es nicht mehr weglegen wollte. Ich fieberte mit, wie Saccard es wohl schaffen würde, sein Reich aufzubauen und vor dem Ruin zu bewahren und wie die anderen Personen aus dieser Geschichte herauskämen.
Die Haare zu Bergen stehen ließen mir mehrmals wiederholten Vorurteile und Ressentiments gegen die Juden, wie wohl damals die verbreitete Stimmung war. Die jüdische Finanzwelt würde alle Macht an sich reißen und die Weltherrschaft anstreben.
Zolas Sprache schafft es immer wieder Stimmungen zu schaffen. Häufig benützt er wetterbedingte Lichtstimmungen oder unterschiedliche Geräuschkulissen in der Börse, um ein intensives Gefühlsbild zu erzeugen.
Bei den finanziellen Machtkämpfen verwendet er einen Kriegswortschatz, wie Scharmützel, Feindesschar, Angriff, Niederlage, Todeshauch, Raben über dem Schlachtfeld. So wird dem heutigen Leser klar, dass nicht erst heute das Geld die wahre Weltherrschaft ausübt.
Und die Moral von der Geschicht': Die deutet Zola im Schicksal des einzigen in Saccards Finanzwesen verwickelten Menschen an, der nur als Angestellter und nicht mit eigenem Geld involviert ist: Er schafft am Ende den Durchbruch in seinem Traumberuf als Schriftsteller!