Treppen
Millionen Treppen winden sich in die Höhe. Es sind Leitern, senkrechte, spiralförmige, geneigte. Sie beschreiben unendliche Bögen, ein Regenbogen, zurück zum Anfang, zur Erde.
Milliarden von Treppen. Sie wuchern zu einem gewaltigen Gebilde aus stufigen Fasern. Adern aus Stufen um ein einsames Herz.
Ein bleicher Dom aus Treppen, die sich neigen, wie bleiche Augenlider.
Und keiner weiß, wohin sie führen.
Abschieds– und Willkommensgruß zugleich. Unzählige Stufen, die uns weiterführen – aufsteigend langsam nach oben; schnell, eilend hinab.
Anfang und Ende sind in den Wolken verborgen. Doch allein die Treppe ist bereits der Weg in den Himmel. Sie führt dort hin – das zählt.
Immer wieder möchte der Mensch sie besteigen, gleich einem Berg erklimmen. Er wird vielleicht zurückgeworfen, dreht sich um, rutscht auf einem Rinnsal von blauen Tränen aus. Gleich wie – er stürzt hinab.
All unser Leben findet auf diesen Treppen statt – manchmal bestehend aus tatsächlichem Stein, manchmal steigend, sinkend und sich wölbend in unseren Köpfen.
Wir verabschieden, wir leben, wir sterben, und wir denken auf Treppen.
Rasch eilen die Absätze roter Lackschuhe klackernd über die Stufen. Abenteuerlustig hüpft das kleine Kind, fröhlich, in dem es einzelne Stufen überspringt. Irgendein Betrunkener, es ist egal, er steht nur am Wegesrand, stützt sich mühevoll am Geländer ab.
Langsam schleppt der Enttäuschte seine schweren Lasten, wie Kartoffelsäcke nach oben.
Manchmal bleibt er stehen, dreht sich um und wischt sich den Schweiß von der Stirn.
Würde er alle Treppen auf und ab steigen, hätte er die ganze Welt umrundet.