Das siebte Kind - Erik Valeur

  • Das siebte Kind


    Erik Valeur


    Blanvalet


    ISBN: 978-3764505042


    800 Seiten, 19,99 Euro



    Über den Autor: Erik Valeur, Jahrgang 1955, ist Mitbegründer der dänischen Månedsbladet Press, arbeitete viele Jahre in Presse und Rundfunk und erhielt für seine journalistische Arbeit zahlreiche Auszeichnungen, u. a. je zwei Mal den Cavling- und den Kryger-Preis. 2011 debütierte er mit »Das siebte Kind« als Romanautor und erhielt dafür im selben Jahr den renommierten und hochdotierten Debutantpris, den Literaturpreis der Zeitschrift Weekendavisen, 2012 den DR Romanprisen, den Harald-Mogensen-Preis und zuvorderst die Auszeichnung für den besten Spannungsroman der Skandinavischen Krimiakademie, den zuvor schon Bestsellerautoren wie beispielsweise Peter Høeg, Håkan Nesser, Stieg Larsson und Jussi Adler-Olsen erhalten hatten.



    Kurzbeschreibung: Da waren's nur noch sechs…Sieben Waisenkinder aus Kongslund und ein Geheimnis, das Dänemark erschüttern wird. Als würde ein Fluch auf ihnen liegen, haben sie alle schwere Schuld auf sich geladen. Jahrzehnte nach ihrer Adoption erhalten sechs der sieben Waisen einen anonymen Brief, der sie noch einmal in das Kinderheim Kongslund führt. Doch wer von ihnen ist das siebte Kind – und was hat es vor?


    Meine Meinung: Nach der etwas merkwürdigen Kurzbeschreibung (wer von den sechs Kindern ist das siebte Kind?), die hoffentlich nur der Praktikant bei Blanvalet verfasst hat, erwartet den Leser ein ungeheuer komplex aufgebauter Spannungsroman. Man sollte sich also davon nicht abschrecken lassen, denn so unlogisch geht es zum Glück in diesem Buch nicht weiter.


    Am Anfang steht ein anonymer Brief, der ein Foto aus dem Babyzimmer des Waisenhauses Kongslund und ein paar Babyschuhe enthält. Dieser Brief erreicht sechs ehemalige Waisenkinder, die 1961 eine Zeit in diesem Zimmer verbracht haben, bis sie dann zu ihren Adoptiveltern kamen. Was hat es mit diesem Brief auf sich? Wer möchte nach so vielen Jahren auf die damaligen Ereignisse in Kongslund aufmerksam machen? Und was haben die obersten Regierungskreise damit zu tun? Viele Fragen stellen sich nach dem anonymen Schreiben und es birgt gewaltigen politischen Sprengstoff.


    Alle betroffenen Waisen kommen in Folge zu Wort. Durch den Brief werden die Erinnerungen an die Kindheit und an besonders prägende und zum Teil brutale Ereignisse geweckt. Ihre eigenen Rückblicke werden geschickt mit dem universalen Blick von Inger Marie, einem Findelkind, das weiterhin auf Kongslund lebt, verknüpft. Inger Marie hat viel über das Leben der vermittelten Waisen aufgeschrieben und durch sie wird nach und nach eine ungeheuerliche Geschichte erzählt, die das kleine Dänemark bis in die Grundfesten erschüttern wird.


    Man muss schon ein gewisses Durchhaltevermögen besitzen, um auf diesen 800 Seiten allen Figuren zu folgen. Die meiste Zeit wird die Spannung aufrecht erhalten durch die Frage, wer die Briefe verschickt hat und welches Geheimnis sich in Kongslund verbirgt. Auch die Rückblicke auf die teilweise dunklen Seiten der einzelnen Figuren sind sehr interessant, doch der Autor verliert sich oft sehr in Details, schweift ab und erklärt auch noch die kleinste Kleinigkeit, die vielleicht nicht unbedingt hätte erwähnt werden müssen und so weist das Buch, wie man auch an der Seitenzahl unschwer erkennen kann, doch einige Längen auf.


    Die Handlung ist sehr komplex, aber alle Details sind stimmig und alle Fäden laufen am Ende zu einem aufregenden und nicht vorhersehbaren Showdown zusammen.


    Mein Fazit: Wer vor der hohen Seitenzahl und der Detailverliebtheit des Autors nicht zurückschreckt, den erwartet hier ein über weite Teile spannender und sprachlich sehr gut gelungener Thriller, mit einer anspruchsvollen und geschickt ausgeklügelten Handlung.


    8 von 10 Eulenpunkten dafür.

  • Ich kann mich Eskalina nur anschließen. Ein sehr komplexer Roman, für den man einen langen Atem braucht. Auch ich empfand die ganzen knapp 800 Seiten hindurch eine gewisse Spannung und Neugier. Zudem war ich von der seltsamen Marie fasziniert und zugleich auch war sie mir die ganze Zeit hindurch unheimlich. Ihr Allwissenheit, auch über die intimsten Gedanken anderer Personen, war irritierend.


    Was mir seltsamerweise Probleme bereitete, waren die vielen Personen. Die einzelnen Figuren unterschieden sich für meinen Geschmack zu wenig. Orla, Ole...ich musste ständig justieren, wer denn nun wer ist. Zudem nennt der Autor die Figuren auch bei Spitznamen oder vor allem bei ihren Berufsbezeichnungen, was mich oft völlig verwirrte. Aus irgendeinem Grund gelang es mir nicht, immer zu wissen, wer denn nun wer ist. Zwischendurch befürchtete ich fast, deswegen den Faden zu verlieren. Letztendlich kann ich aber sagen, falls noch ein anderer Leser dieses Problem haben sollte, das es für die eigentliche Geschichte dann nicht so wirklich von Bedeutung ist, wer von den vielen Nebenfiguren denn nun welche Position innehatte.


    Insgesamt muss ich sagen, das dem Buch eine gewisse Straffung gut getan hätte. In der Mitte zieht es sich doch etwas. Mich hat aber die düstere, geheimnisvolle Story weiterhin gefesselt und ich wollte unbedingt wissen, was es mit allem auf sich hat.Das ein oder andere habe ich mir im Laufe der Geschichte gedacht, und wie Eska schon sagte, die Fäden laufen alle zusammen. Ich hatte mich zwischendurch an dem ein oder anderen unaufgegriffenen Faden geärgert, aber zum Schluss ergibt alles einen Sinn.
    Auf jeden Fall ist "Das siebte Kind" ein sehr ungewöhnliches Buch und unkonventioneller Thriller, der zudem ein wenig schmeichelhaftes Bild auf Dänemark wirft. Von mir auch zufriedene 8 Punkte.

  • Dänische Autoren lese ich eigentlich sehr gerne. So freute ich mich auf dieses Buch, auch wenn das Kinderheim-Thema seit einiger Zeit in Thrillern häufig anzutreffen und für mich bereits recht abgenutzt ist. Doch was Erik Valeur aus diesem Grundthema macht, hat mich sehr erstaunt. Durch die beiden Rezis hier war ich ja schon vorgewarnt, dass dieses Buch Durchhaltevermögen erfordert. Und das kann ich bestätigen, die 800 Seiten lesen sich nicht einfach so weg. Es brauchte an die 300 Seiten, bis ich mich mit dem Buch einigermaßen anfreunden konnte.


    Der Umgang mit alleinstehenden Müttern und die grausame Behandlung ihrer Kinder, die in den 1950er- und 1960-er Jahren im Waisenhaus landeten und von dort aus zur Adoption vermittelt wurden, wirft kein schönes Bild auf Dänemark. Mit dem Abstand von 60 Jahren lässt sich die damalige gesellschaftliche Enge und Moral für mich nicht leicht nachvollziehen. Der Autor weiß, wovon er schreibt, er hat selbst einige Jahre in einem Kinderheim verbracht, später als Journalist gründlich darüber recherchiert und die Schicksale vieler Kinder verfolgt.


    Eine Frau wird am Strand in der Nähe des Kinderheims „Kongslund“ tot aufgefunden und ist der Auslöser für eine düstere, stellenweise nur schwer zu nachzuvollziehende Geschichte, deren Dramatik es in sich hat. Vierzig Jahre zuvor wurden sechs Kinder aus diesem Kinderheim adoptiert. Der Tod der Frau stellt erneut einen Kontakt zueinander her, sie beschließen, die Geheimnisse der Vergangenheit aufzudecken, was auch politische Folgen nach sich ziehen könnte.
    Die Geschichte wird größtenteils aus Maries Sicht geschildert, die in dem Kinderheim aufgewachsen und dort geblieben ist, während die anderen Kinder aus dem „Elefantenzimmer“ adoptiert wurden. Traumatisiert sind sie auf ihre Weise alle. Je mehr ich von den Kindern erfuhr, desto deprimierender fand ich es.


    Sehr viele Personen, sehr viele sehr detaillierte Rückblicke in die jeweilige Vergangenheit; es las sich von da ab spannend, als es mir einigermaßen gelang, Personen und Hintergründe einander zuzuordnen, deren Geheimnisse nach und nach gelüftet werden. Aber es gibt auch viele langatmige, ausschweifende Passagen, da hätte gerne gekürzt werden dürfen. 800 Seiten bieten Raum für viele Nebenschauplätze, auch für sozialkritische und politische Themen. Ausländerfeindlichkeit, Terroranschläge, die Abtreibungsproblematik und eine mögliche Vererbbarkeit von Gewalttätigkeit oder Geisteskrankheiten werden einbezogen, was ich als sehr grenzwertig empfand. Auch war es für mich schwierig, wichtige Details von für die eigentliche Handlung unwichtigen zu unterscheiden.

    Die emotionale Distanz, die ich von Beginn an zu dem Buch spürte, verlor sich nicht im Verlauf der Handlung, auch wenn es dem Autor gelang, mir die Personen mit all ihren Stärken und Schwächen nahe zu bringen. Die äußerst komplexe Geschichte mündet in einer für mich nicht ganz überraschenden Auflösung.

    Das Buch ist kein Thriller im eigentlichen Sinne, eher eine psychologische Studie über eine Reihe tragischer Schicksale von Personen, denen das Leben von Anfang an jede Chance genommen hat.
    7 Punkte