Die niedrigen Himmel - Anthony Marra

  • Gebundene Ausgabe: 489 Seiten
    Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 1 (17. Februar 2014)
    ISBN-13: 978-3518424278
    Originaltitel: A Constellation of Vital Phenomena
    Preis Gebundene Ausgabe: Euro 22.95
    Preis Kindle E-Book: Euro 19,99


    Autor

    Anthony Marra wurde 1984 in Washington, D. C., geboren. Während seines Studiums zog es ihn zu Studienaufenthalten nach Prag und Sankt Petersburg. Er war unter den ersten ausländischen Touristen, die die Republik Tschetschenien nach dem Krieg besuchten, was so außergewöhnlich war, dass er um drei Interviews für das tschetschenische Fernsehen gebeten wurde. Er erwarb einen MFA am Iowa Writers’ Workshop und war von 2011 bis 2013 Fellow im Wallace-Stegner-Programm der Universität Stanford, wo er u. a. bei Adam Johnson studierte und wo er selbst künftig lehren wird. 2012 erhielt er den Whiting Writers’ Award, der jährlich an Debütautoren mit außerordentlichem Talent vergeben wird – unter den Preisträgern sind Jonathan Franzen und Jeffrey Eugenides.


    Kurzbeschreibung / Klappentext


    Die achtjährige Hawah muss mit ansehen, wie die Föderalen ihren Vater verschleppen und ihr Haus niederbrennen, in einem kleinen Dorf in Tschetschenien, mitten im Krieg. Auch hinter dem Mädchen sind sie her. Ihr Nachbar, Achmed, rettet sie aus ihrem Versteck und bringt sie zum nächsten Krankenhaus. Dort treffen sie auf die Ärztin Sonja, die Hawah widerwillig aufnimmt. Doch schon bald geht es auch für Sonja nur noch darum, das Leben des Mädchens zu retten. Denn in einer Welt, in der alles zerbrochen ist und Freunde zu Wölfen werden, hilft nur das unbedingte Festhalten an dem, was uns zu Menschen macht: Mitgefühl und Liebe.


    Meine Meinung


    Dieses Buch erscheint just zu einem Zeitpunkt in dem eine ganz andere Region des ehemaligen russischen Reiches im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit steht und verleiht diesem Roman eine wohl eher ungewollte Tagesaktualität. In diesem Frühjahr ist es die Halbinsel Krim und der Konflikt um diese zwischen Russland und der Ukraine der im Medieninteresse steht und vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten begann in Tschetschenien ein schlimmer Krieg um eine Nation oder Teilprovinz der russischen Föderation der Land und Menschen in der Kaukasusregion tief gespalten zurückgelassen hat.


    Dieser Roman behandelt indirekt die kriegerischen Auseinandersetzungen in diesem zerrissenen Land über rund acht Jahre hinweg. Es ist kein Sachbuch sondern ein Roman und er beschreibt eine kleine Gruppe von Menschen die in einer ländlichen Region mit den fatalen Folgen des Krieges Leben müssen. Sie arrangieren sich mit der Armut und der quasi nicht vorhanden staatlichen Infrastruktur und sind getrieben von der Notwendigkeit, dem Willen zu überleben. Denunzianten in den eigenen Reihen die Nachbarn verraten führen zu schändlichen Taten. Aber es ist nicht die Gier nach Geld die die Verräter dazu treibt, nicht in erster Linie, sondern die Angst vom Vernehmungsoffizier ...


    Die 8-jährige Hawah, ihre Nachbarn Ula und Achmed, die Ärztin Sonja und Chassan sind mir rasch ans Herz gewachsen. Mit ihnen bzw. ihren persönlichen Schicksalen habe ich die vielen Zeitsprünge zwischen den Jahren innerhalb der Geschichte mitgemacht. Da wachsen fragile Bande des Vertrauens die latent an einen Familienroman erinnern, auch wenn unter diesem Begriff im literarischen Sinne etwas ganz anderes verstanden wird. Der Autor versteht es mit seinem ruhigen, sensiblen Schreibstil voller Unterströmungen einen ebenso klugen wie beeindruckenden Roman zu schreiben der ganz weit entfernt ist von simpler Betroffenheitsliteratur.


    Ein kraftvoller Roman geschrieben in einer unvergleichlich dichterischen Sprache über ein Land Tschetschenien über das vor ein paar Jahren Jahren dauernd in den Nachrichten berichtet wurde aber von dem ich nur sehr wenig wenig weiss. Vom Schriftsteller Anthony Marra (man beachte seine Vita) darf man in Zukunft viel erwarten. Wer ein solch ausgereiftes Debüt zu einem durch Krieg tief zerrütteten Land, bei dem wortwörtlich und im übertragenen Sinne kein Stein mehr auf dem anderen steht, mit leisen Tönen aber umso eindringlicherem Nachhall schreibt ist mit viel Talent gesegnet und verdient es in Zukunft beachtet zu werden. Wertung: 9 Eulenpunkte


    Edit: Leicht überarbeitet und mit zwei, drei Sätzen ergänzt

  • Eine Geschichte während des Krieges in Tschetschenien. Von dem Krieg selbst bekommt der Leser allerdings nicht allzu viel mit. Darum geht es aber auch nicht. Sondern um die Geschichte von Achmed, wie er die Tochter seines besten Freundes, in das nahe gelegene Krankenhaus bringt. Und wie er dort mit der eigenwilligen und scheinbar gefühlskalten Ärztin Sonja klarkommt. Sonja hat aber auch ihre eigene Geschichte..


    Ich habe mich Anfangs etwas schwer getan mit dem Buch. Der Schreibstil des Autors hat mir ganz gut gefallen, allerdings waren mir manche Szenen zu lang bzw. überflüssig, sodass das Lesen teilweise ziemlich mühsam war. Es hat auch etwas gedauert bis ich mit den Personen warm geworden bin. Der Leser erfährt die Geschichte jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven, sodass man in jede der Hauptpersonen einen guten Einblick bekommt. Gut gefallen hat mir auch die schöne und bildreiche Sprache. Insbesondere den Schluss fand ich sehr gelungen. Mir hat es gefallen wie der Autor einen Kreis um die ganze Geschichte zieht und sich so ziemlich alle offenen Fragen klären.


    Fazit: Eine schöne und berührende Geschichte, in einer wunderschönen Sprache. Leider teilweise etwas zu langatmig. Ich vergebe gute 7 von 10 Punkten.

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.