Das Flüstern der Seelen - Victoria Àlvarez

  • Taschenbuch: 560 Seiten
    Verlag: Bastei Lübbe (Bastei Lübbe Taschenbuch)
    Auflage: Aufl. 2014 (13. März 2014)
    ISBN-10: 3404168852
    ISBN-13: 978-3404168859
    Originaltitel: Hojas de Dedalera


    Klappentext:
    EINE AUSSERGEWÖHNLICHE GABE, EINE REIHE UNGEKLÄRTER VERBRECHEN UND EINE LIEBE ZWISCHEN ZWEI WELTEN.


    London 1888: Die kleine Annabel wächst auf dem Friedhof Highgate auf, schläft in einem Sarg und rechnet damit, dass ihr Herzleiden ihrem kurzen Leben bald ein Ende setzen wird. Vielleicht ist dieses Dasein zwischen Leben und Tod schuld daran, dass sie mit Geistern in Kontakt treten kann. Zehn Jahre später ist Annabel zum gefragtesten Medium Englands geworden, selbst Königin Victoria hat ihre Dienste schon in Anspruch genommen. Doch ihre Gabe ist gefährlich: Annabel deckt dunkle Geheimnisse auf und wird von Scotland Yard verfolgt. Einzig der Geist von Lord Victor Rosenfield steht ihr bei.


    Die Autorin:
    Victoria Álvarez, geboren 1985 in Salamanca, wusste schon mit neun Jahren, dass sie Schriftstellerin werden würde – genau wie ihr Vater und ihr Großvater. Seitdem hat sie unermüdlich neue Geschichten erfunden, die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. Victoria Álvarez hat an der Universität von Salamanca Kunstgeschichte studiert und schreibt dort derzeit ihre Doktorarbeit. Das Flüstern der Seelen ist ihr Romandebüt.


    Meine Meinung:
    Die kleine Annabel Lovelace wächst bei ihrem Onkel Tom und seiner Frau Heather an einem recht ungewöhnlichen Ort, auf dem Friedhof von Highgate, auf. Ihre Mutter ist Prostituierte und lebt in Whitechapel, wo die grausamen Morde von Jack the Ripper Scotland Yard und alle Anwohner erschüttern und in Atem halten.
    Annabel schläft in einem Sarg, ist ein aufgeweckes Mädchen, das aber nicht zur Schule gehen darf, weil ihr Onkel das nicht für wichtig erachtet. Ein Herzleiden ist das Einzige, was ihr Wesen trübt. Sie streunt gern in dem Ort der Toten herum, verspürt keine Angst, bis zu dem Tag, an dem sie den Geist ihrer offenbar nun toten Mutter Rosalie sieht.
    Ab dem Zeitpunkt verändert sich alles, denn Annabel ist ein Medium, das mit Geistern in Kontakt treten kann. Ihr raffgieriger Onkel möchte das arme Mädchen benutzen, um so an Geld zu kommen, indem sie für die Lebenden herausfindet, was mit den Toten geschehen ist, doch durch eine schicksalhafte Begegnung lernt Annabel einen geheimnisvollen Mann kennen, der von nun an ihr Leben komplett verändert.


    "Seine Gesichtszüge waren fein und aristrokatisch, seine Wangen hoch, was ihm eine Ernsthaftigkeit verlieh, die den eigentümlichen Glanz in seinen Augen Lügen zu strafen schien. Diese Augen schienen selbst dann zu lächeln, wenn seine Miene ernst war, und waren von einem solch hellen Grau, dass sich Annabel an das Licht erinnert fühlte, das der Mond in wolkenlosen Nächten auf die Gräber von Highgate warf; seine Harre hingegen waren pechschwarz, und eine Strähne fiel ihm anmutig in die Stirn..."


    Ich möchte gar nicht allzuviel verraten, denn sonst wird der Lesegenuss getrübt, und jeder, der es sich mit diesem Roman gemütlich macht, sollte selbst der wunderbar erzählten Geschichte von Annabel Lovelace folgen, die so stimmig und bildhaft erzählt ist, dass sie Seinesgleichen sucht.
    Die Autorin schafft es mit ihren Beschreibungen, dem London um 1900 so reales Leben einzuhauchen, dass man die Droschken über die unebenen Straßen fahren hört, das Rascheln der seidenen Kleider vernimmt und selbst im Herzen all die Gefühlsregungen durchmacht, die den Personen widerfahren.
    Ich habe selten einen solch kraftvollen Roman gelesen, der all das eingefangen hat. Und dabei sei noch erwähnt, dass es überraschende Wendungen gibt, die man so nicht erwartet.


    Für alle Liebhaber, die in das alte London abtauchen und dem Mythos von Jack the Ripper auf die Spur kommen wollen, Geistergeschichten und Spiritismus mögen und ganz viel Romantik, verbunden mit Taschentuch-Garantie, sei dieses Buch ans Herz gelegt.


    Einfach lesen, bezaubern lassen und mitfiebern!

  • Annabel ist zu jung um die Welt vollständig zu begreifen. Doch eines merkt sie schon früh: sie ist anders als die anderen. Denn sie kann mit Geistern sprechen und so deren letzte Wünsche erfüllen. Schon bald soll sich aber zeigen, dass diese Fähigkeit nicht nur einträglich, sondern auch gefährlich ist.


    "Das Flüstern der Seelen" ist das Debüt von Victoria Alvarez und es mich von der ersten Seite an gefesselt. Ich hätte nicht gedacht, dass mich dieser Roman um Geister und die große Liebe so in seinen Bann ziehen kann.


    Die Geschichte beginnt in der Kindheit Annabels und wird bis in ihre Erwachsenenjahre hinein erzählt. Obwohl der Roman aus der Erzählerperspektive geschrieben ist, konnte ich sehr schnell eine Bindung zu Annabel und ihren Fähigkeiten aufbauen. Die Autorin schafft es sehr gut, die Gefühle und Beweggründe ihrer Figuren zu beschreiben und darzulegen. Zudem fängt sie die Atmosphäre Londons des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts so gut ein, dass ich mir alles sehr gut vorstellen konnte. Auch die Fähigkeit ihrer Hauptfigur mit Verstorbenen zu sprechen ist so herrlich einfach und selbstverständlich mit dem Rest verwoben, dass ich keine Sekunde auf die Idee kam, dass die Fähigkeit Annabels irgendwie fremdartig wäre.


    Der Stil von Victoria Alvarez ist sehr gut und flüssig zu lesen. Ihre Erzählweise reicht von heiter-beschwingt bis zu Tode betrübt. So deckt sie alle Facetten der Gefühlswelt ab. Das hat mir sehr gut gefallen.


    Fazit: ein tolles Debüt mit der richtigen Mischung aus Romantik, Kriminalfall und Übersinnlichem. Eine klare Leseempfehlung.

  • Ich muss sagen, anhand des Klappentextes waren meine Erwartungen sehr hoch. Als ich von dem Buch hörte, habe ich es direkt vorbestellt und ich freute mich auf einen Schauerroman aus der Zeit des Viktorianischen Englands. Und besonders im ersten Teil, als Annabel noch klein ist und auf dem Friedhof Highgate bei ihrem Onkel Tom und ihrer Tante Heather lebt, wurden diese Erwartungen auch erfüllt.
    Ihr Onkel ist Friedhofswärter und holte das Mädchen seinerzeit aus White Chapel zu sich, wo ihre Mutter als Prostituierte ihren Lebensunterhalt verdient. Über ihren Vater weiß Annabel nichts. Sie glaubt, ihre Mutter wollte sie nicht bei sich haben, bis sie ihr eines Tages als Geist erscheint. Und das kann nur eines bedeuten: Sie ist tot. Ermordet von Jack the Ripper, der zu der Zeit in White Chapel sein Unwesen treibt?
    Als ihr Onkel erkennt, dass er mit Annabels Gabe ein Vermögen machen könnte, schenkt er ihr jede Menge Bücher und so lernt das Mädchen alles über ihre Fähigkeiten als Medium. Aber bei einer Sitzung geht etwas schief und Annabel muss schließlich mit ihrer Tante aus Highgate fliehen. Dabei hilft ihr ein geheimnisvoller Mann, der ihr seit dem nicht mehr aus dem Kopf geht.
    Zehn Jahre später ist Annabel Lovelace zu einem gefragten Medium geworden. Es ist eine Zeit, in der Spirtismus angesagt ist und in der adeligen Gesellschaft fast zum guten Ton gehört. Sogar die Königin nimmt ihre Hilfe in Anspruch. Andererseits ist es auch gefährlich, denn nicht alle sehen die Tätigkeit eines Mediums gerne. Mancher Ehemann sieht so die Möglichkeit, seine unbequeme Frau zu entsorgen: Endstation Irrenhaus.
    Und auch Scotland Yard beobachtet Annabels Tätigkeiten mit Beunruhigung, allen voran Chief Inspector Abberline, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, Jack the Ripper zu fassen und davon nahezu besessen ist. Durch seinen Mitarbeiter Nathan, den Annabel von einer früheren, unglücklichen Begegnung aus Highgate kennt, bittet er sie um Mithilfe, denn er ist überzeugt, dass der Ripper auch Rosalie Lovelace, Annabels Mutter, ermordet hat und sie daher an einer Aufklärung interessiert sein müsste.


    Neben dieser Krimigeschichte gibt es auch die der Beziehung zum Geist von Lord Victor Rosenfield, dem geheimnisvollen Gentleman, der Annabel damals auf dem Friedhof half. Diese Geschichte nimmt ab dem zweiten Drittel den größten Teil des Romans ein, meiner Meinung nach schon fast ein wenig zu viel.
    Auch wenn alles gut durchdacht war, die Story spannend und schlüssig erzählt und sehr anschaulich. Man sieht die Straßen von London vor sich, hört die Kutschen über das Pflaster holpern, sieht die Menschen in der damaligen Kleidung und nimmt am Leben von Annabel teil. Durch die intensive Liebesgeschichte entstanden für mich ein paar Längen, aber zum Ende hin und als die Autorin auf die Lösung des Ganzen zusteuert, kommt wieder mehr Spannung auf.
    Die tatsächliche Verbindung zwischen Annabel und Victor hinterlässt allerdings einen etwas faden Beigeschmack...auch wenn es damals eine andere Zeit war.


    Insgesamt gibt es 4 von 5 Punkten, denn ich hätte mir mehr Geister und Mystery und mehr über Annabels Gabe gewünscht, dafür etwas weniger Romantik. Empfehlen kann ich diesen ersten Roman von Victoria Alvarez aber trotzdem, die auf Historische Romane mit Geistergeschichten und Romantik stehen.

  • Cover, Titel und Klappentext bilden einen starken Kaufanreiz.
    In sehr lebendiger, bildhafter Sprache erzählt Victoria Álvarez die ungewöhnliche Geschichte der jungen Annabel Lovelace. Das Buch ist in drei Teile aufgeteilt, die die bisherigen Stationen in Annabels Leben wiedergeben: ihre Kindheit auf dem Londoner Friedhof Highgate bei ihrem Onkel Tom und seiner Frau Heather, ihr Leben als Medium in London und schließlich ihre Reise nach Rosenfield Park, dem Stammsitz der Familie Rosenfield.
    Der erste Teil hat etwas von einem düsteren Märchen, der zweite ist eine romantische Liebesgeschichte und der dritte enthält Anteile eines Mysterythrillers.


    Und ja, es gibt ein paar Logikfehler, es gibt ein paar Längen, ein paar seltsame Konstruktionen und gelegentlich wirken die Übergänge zwischen einzelnen Szenen abgehackt und holprig (meine Vermutung wäre, dass die Autorin hier im Nachhinein kürzen musste, was leider nicht sehr elegant gelungen ist). Es gibt aber vor allem einen spannend erzählten Roman, der gleich sehr atmosphärisch beginnt, das London um die Wende zum 20. Jahrhundert hin lebendig werden lässt – Spiritismus ist gerade sehr in Mode – und aus einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte am Ende einen mit erstaunlicher Action angefüllten unerwarteten Schluß hervor zaubert.
    Gar nicht so einfach, eine Liebe zu beschreiben, wenn der eine Teil des Paares nur als Geist existiert und nicht körperlich anwesend sein kann. Ich finde, das hat die Autorin gut hinbekommen. Dabei ist mir Annabel nicht durchgehend sympathisch, am Anfang wirkte sie für ihr Alter zu erwachsen und auch später haben ihre Reaktionen mich gelegentlich irritiert.

    Aber dies ist ein Debüt und ich fand es trotz meiner Kritik ziemlich hinreißend, romantisch, spannend, aber auch traurig und ein bisschen unheimlich. Ich bin gespannt auf das nächste Buch der jungen spanischen Autorin. „Das Mädchen mit dem kalten Herzen“ erscheint im Januar 2015 bei Bastei Lübbe.

  • @ JaneDoe: Vielen Dank für den Hinweis auf den demnächst erscheinenden neuen Roman von Victoria Àlvarez ... wird gleich schon mal vorgemerkt! :-)


    Das Flüstern der Seelen hat mir ... um es mal kurz und knapp auf den Punkt zu bringen ... sehr, sehr gut gefallen. Das Buch hat mich in meiner Bücherei regelrecht "angesprungen", laut gerufen und wollte eindeutig von mir gelesen werden. Und wie das meist so ist, wenn sich mir Bücher regelrecht selbst aufnötigen .... ich wurde nicht enttäuscht!


    Dieser Roman enthält so Vieles, was für mich absolut in mein Beuteschema passt: Mystik, England, viktorianisches Zeitalter, Übersinnliches, ein bisschen Gänsehautfeeling und das Herz kommt auch nicht zu kurz.


    Dies alles, in Kombination mit dem (mir sehr gefallenden) gut lesbaren und flüssigen Schreibstils der Autorin, hat mich das Buch fast nicht mehr aus der Hand legen lassen. Die Protagonistin war mir vom ersten Moment an sehr sympathisch und so habe ich als Leser quasi das Gefühl vermittelt bekommen, direkt an ihrer Seite durch die Story dieses Romans geführt zu werden und alles hautnah mitzuerleben.


    Ja, es gibt ein paar inhaltliche Merkwürdigkeiten über die man beim Lesen stolpern kann. Wie diese nun letztendlich auch zustande kamen (ob nun durch evtl. Kürzungen, oder durch einen anderen Grund), mich persönlich haben sie nicht so sehr gestört, als dass es mich aus der Story geschmissen hätte.


    Den Namen der Autorin sollte man sich definitiv merken. Ich denke, sie wird ihre Leser zukünftig noch mit diversen anderen guten Geschichten beglücken.

  • Übersprudelnde Begeisterung kommt bei mir für das Buch leider nicht auf.


    Dafür war es mir im Mittel- und vor allem im letzten Teil doch zu lang geraten und streckenweise auch einfach zu kitschig und vorhersehbar.


    Den Anfang fand ich jedoch auch toll und man fühlt sich wirklich ins Leben Londons im 19. Jahrhundert zurückversetzt.


    Ich gebe dem Buch 6,5 Punkte.
    Ob ich einen weiteren Roman der Autorin lesen werde, weiß ich noch nicht.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“