Toni Morrison: Heimkehr

  • Toni Morrison: Heimkehr
    Audiobuchverlag 2014
    ISBN 978-3899647747. 19,95€
    3 mp3 CDs in Jewelbox, ungekürzte Lesung, 241 Minuten

    Buchvorlage: Heimkehr
    Rowohlt Verlag
    ISBN 978-3498045258. 18,95€
    Originaltitel: Home (2012)


    Verlagstext
    Drei Jungs aus dem rassistischen Höllenloch Lotus, Georgia, haben sich freiwillig nach Korea gemeldet. Zwei kehren nicht zurück, der dritte, Frank «Smart» Money, führt nach dem Krieg zunächst ein haltloses Vagabundendasein und erlebt dabei den ungebrochen fortgesetzten Rassismus des weißen Amerika der fünfziger Jahre, aber auch die Selbsthilfeorganisationen der Schwarzen und deren Solidarität. Kaum hat sich Frank unter prekären wirtschaftlichen und psychischen Umständen zu einem neuen Leben niedergelassen, da erreicht ihn die Nachricht, dass seine jüngere Schwester in Gefahr sei. Die Sorge um sie führt ihn zurück nach Lotus, zum Elternhaus und zu einem Geheimnis aus ihrer Kindheit, dem er bis zu seiner bitteren Enthüllung nachgeht. «Heimkehr» setzt den mit «Jazz» begonnenen Zyklus fort, in dem Morrison die Situation der Schwarzen in einem jeweils anderen Jahrzehnt beleuchtet. Mit der ihr eigenen poetischen Sprachgewalt schildert die Nobelpreisträgerin in unvergesslichen Szenen den langen Kampf um Gerechtigkeit. Ein engagierter Roman über das Widerstehen, die Würde des Menschen und die Kraft der Wahrheit.


    Die Autorin
    Toni Morrison wurde am 18.2.1931 in Lorain, Ohio, USA, als zweites von vier Kindern eines schwarzen Arbeiterehepaares geboren. Nach dem Besuch örtlicher Schulen 1949 Beginn des Studiums an der Howard University in Washington, DC. Erste Erfahrungen mit dem Südstaaten-Rassismus während einer Tournee als Mitglied der Universitätstheatergruppe. Ab 1953 Anglistikstudium an der renommierten Cornell University bis zum Magisterabschluss 1955. Lehrtätigkeit, zunächst an der Texas Southern University (1955-1957), danach an der Howard University (1957-1964). Ehe mit dem jamaikanischen Architekten Harold Morrison, aus der zwei Söhne hervorgehen. Nach der Scheidung 1964 Rückkehr nach Lorain. 1965 Umzug nach New York und Lektorentätigkeit beim Verlag Random House. Schrieb Geschichten, aus denen sie schließlich ihren ersten Roman entwickelte. 1970 Debüt als Romanautorin. Zu ihren bedeutendsten Werken zählen u. a "Sehr blaue Augen", "Solomons Lied" "Menschenkind", "Jazz", "Paradies" und die Essaysammlung "Im Dunkeln spielen" über die Antinomien von weißer und schwarzer Kultur. Sie zählt seit langem zur Garde der bedeutendsten Autoren Amerikas. 1980 Mitglied des National Council on the Arts. 1981 in die American Academy of Arts and Letters aufgenommen. Seit 1989 Professorin für afroamerikanische Literatur an der Princeton University, NJ. Auszeichnungen: National Book Critics' Circle Award (1978); American-Academy-and-Institute-of-Arts-and-Letters Award für Erzählliteratur (1980); Cleveland Arts Award für Literatur (1980); Robert F. Kennedy Book Award (1988); Melcher Book Award (1988); Unitarian Universalist Award (1988); Nobelpreis für Literatur (1993); Commandeur des Arts et des Lettres, Frankreich (1993).


    Die Sprecher
    Doris Wolters arbeitet als Schauspielerin und Sprecherin in Hörspielen sowie Hörfunk- und Fernsehfeatures des SWR, DRS und ARTE. Sie erhielt 2012 den Deutschen Hörbuchpreis als Beste Interpretin für ihre Lesung von Zsuzsa Bánks "Die hellen Tage". Ihre Stimme ist auf zahlreichen weiteren Hörbüchern des Audiobuch Verlags zu hören. Darunter finden sich literarische Spitzen und lyrische Ausflüge, aber auch spannende Unterhaltungsliteratur und eindringliche Biographien. Ob heiter-ironisch oder ernsthaft, selbstbewußt oder sanft-zurückhaltend, Doris Wolters versteht es die richtige Stimmung eines Textes einzufangen.


    André Benndorff, geboren 1973 in Düsseldorf , zunächst Studium der Kommunikationswissenschaft, 1997 bis 2001 Hochschule des Saarlandes für Musik und Theater, während des Studiums Produktionen am Saarländischen Staatstheater sowie dem juta(fft) Düsseldorf, von 2001 bis 2008 im Ensemble des Stadttheater Bern, seit 2005 Urkonsorte bei der freien Schweizer Theatergruppe Konsortium und Konsorten - seit der Spielzeit 2008/09 Ensemblemitglied am Theater Freiburg.


    Inhalt
    Als Frank Money das Haus von Dr. Beauregard Scott betritt, greift der sofort zur Waffe, weil er von einem Schwarzen nichts anderes als einen Überfall erwartet. Doch Frank ist gekommen, um seine Schwester Cee aus dem Haus des Doktors zu holen, der mit jungen, naiven Mädchen vom Land medizinische Versuche macht. Frank ist Veteran des Koreakriegs, ein kräftiger junger Schwarzer, der nach seiner Rückkehr aus dem Krieg seinen Platz im rassistischen amerikanischen Süden noch nicht wieder gefunden hat. Frank ist deutlich traumatisiert, er rastet in Situationen aus, die anderen harmlos erscheinen mögen. Ein Jahr nach seiner Entlassung hat Frank noch keine Arbeit gefunden; denn ohne die vom Militär gewohnten Befehle kommt er nicht klar. Kurz zuvor war er von der Polizei aufgegriffen und wegen Landstreicherei in die Psychiatrie gesperrt worden. Entlassen wird Frank mitten im Winter ohne Diagnose, ohne Schuhe und ohne Geld, mit der Ermahnung, zukünftig nicht zu trinken, damit er nicht so bald wieder Schwierigkeiten mit der Polizei bekommt. Franks Erinnerungen an den Krieg sind gesprenkelt mit den Körperfetzen seiner gefallenen Kameraden. Aufgrund eines geheimnisvollen Anrufs, er müsse sich in seiner Heimat sofort um seine Schwester Ycidra (Cee) kümmern, schlägt sich Frank ohne Geld mit Bus, Bahn und der Unterstützung eines Netzwerks schwarzer Aktivisten bis nach Lotus/Georgia durch. Für amerikanische Kirchengemeinden müssen in den 50ern Armenspeisungen und Kleiderkammern zur täglichen Routine gehört haben. Scham darüber, dass er diese Unterstützung in Anspruch nimmt, kann Frank sich nicht leisten, er nimmt jedoch wahr, wie sauber und liebevoll gebügelt die gespendeten Kleidungsstücke aussehen. Frank hatte seit ihrer Kindheit zur vier Jahre jüngeren Cee ein sehr inniges Verhältnis. Die Eltern der beiden arbeiteten 16 Stunden am Tag als Baumwollpflücker und hatten danach keine Kraft mehr für ihre Kinder. Frank erinnert sich lebendig daran, wie seine Eltern (die Mutter war damals mit Cee schwanger) und er von bewaffneten Männern in Kapuzen aus ihrem Heimatort in Texas vertrieben wurden und sich danach in Lotus niederließen. Die Armee war für Frank der einzige Weg aus dem Fünfzig-Häuser-Dorf fortzukommen, in dem Kinder nichts fürs Leben lernen konnten.


    Fazit
    Die Verbindung zwischen dem Schicksal eines Veteranen des Korea-Kriegs und illegalen medizinischen Versuchen an Schwarzen wirkt in "Heimkehr" etwas sperrig und setzt voraus, dass man sich als Leser zu diesen Themen selbst informiert. Posttraumatische Belastungsstörung von Veteranen wurde in den 50ern noch verdrängt, die Betroffenen wurden irgendwo in Militärhospitälern vergessen. So wirkt völlig authentisch, wenn Morrison in dem sehr kurzen Text, der in der Printversion nur 160 Seiten umfasst, den Krieg und seine Folgen nur streift. Wie Frank zukünftig zurechtkommen wird, bleibt offen. Beachtlich viele Personen, Handlungsebenen und Themen bringt Toni Morrison in ihrem kurzen Text unter. Ihre diversen Handlungsebenen reihen aneinander: Franks Erlebnisse in der Gegenwart, seine traumatischen Kriegserinnerungen, seine kurze am Kriegstrauma gescheiterte Beziehung mit Lilly, Rückblenden in Franks und Cees Kindheit und Cees Erlebnisse bei Dr. Scott. Frank diktiert seine Erinnerungssplitter voller Wut und Selbstekel einem namenlosen Autor, den er direkt anspricht und ihn auffordert "Schreib das auf, trau dich!". "Heimkehr" beeindruckt mit der ausdrucksstarken Schilderung der erstickenden Atmosphäre in Lotus und Morrisons geradezu zärtlicher Darstellung ihrer Figuren.


    Zum Hörbuch
    Die verschiedenen Handlungsebenen werden in der Hörbuch-Version durch die Aufteilung auf zwei Sprecher klar voneinander getrennt. Durch die klare Gliederung spricht das Hörbuch besonders Zuhörer an, denen die Verknüpfung mehrerer Handlungsebenen sonst nicht liegt. Doris Wolters liest in neutralem Ton und dennoch voller Empathie für die Figuren die Stimme des neutralen Erzählers. André Berndorff spricht die Zuhörer direkt in der Rolle des sehr jugendlich klingenden Frank an.


    9 von 10 Punkten

  • Höre ich auch grade... :)


    Grundsätzlich hat mir das Hörbuch gut gefallen, allerdings versucht die Autorin in dem doch recht kurzen Text sehr viele Themen unterzubringen, Kindesmibrauch, Depression, Kindesmißhandlung, Geldnot, Koreakriegsverteranen, posttraumatische Belastungsstörungen, Versuche am Menschen, das ist ein wenig viel für den Text und führt daher hier und da zu dem Gedanken, mußte das jetzt wirklich auch noch sein?
    Trotz dieses Gedanken wurde ich gepackt, gut unterhalten und vorallem berührt. Der Stil der Autorin ist ein sehr emotionaler und berührender, der Leser oder in dem Fall der Hörer fühlt sich mitten in der Geschichte, leidet und trauert, erschaudert und schämt sich. Dabei zeichnet sie grandiose Bilder, die man sich sehr gut im Geiste vorstellen kann und durch die man noch näher dabei ist. Ja, sie ist hier und da über das Ziel hinaus geschossen und hat immer noch einen drauf gelegt, aber mich hat das angesprochen. Es ist sicherlich kein schöner Text, aber aus meiner Sicht ein wichtiger.
    Hier und da hatte ich allerdings Probleme den Perspektivwechsel oder einen Zeitsprung zu bemerken, das war im Hörbuch nicht immer ganz so deutlich, war aber nicht dramatisch, da es aus dem Zusammenhang rasch klar wurde.


    Was mir allerdings gar nicht gefallen hat, war der männliche Sprecher. Während die Dame eine wirklich gute Leseleistung abgeliefert hat und stimmlich und sprachlich gut zur Geschichte paßte, fand ich den männlichen Part von der Stimme her einfach unangenehm. Seine Stimme macht häufig Zischlaute beim Sprechen, das fand ich hier einfach nicht passend und zu scharf. Das ist vermutlich Geschmackssache, mir hat der Sprecher nicht zugesagt.
    Der Text allerdings bleibt dennoch sehr reizvoll und regt zum Nachdenken an.