Oliver Bottini: Ein paar Tage Licht
Dumont Buchverlag 2014. 512 Seiten
ISBN-13: 978-3832196608. 19,99€
Verlagstext
Algerien: Afrikas größtes Land, mit Reichtum gesegnet, im Innersten zerrissen. Hier wird ein deutscher Rüstungsmanager entführt, angeblich von islamistischen Terroristen, so der algerische Geheimdienst. Doch für BKA-Mann Ralf Eley, an der deutschen Botschaft in Algier stationiert, passen zu viele Puzzlestücke nicht zusammen. Allerdings kann er nicht ermitteln, ohne die Ausweisung zu riskieren. Also tut er es diskret, mithilfe der algerischen Untersuchungsrichterin Amel, seiner heimlichen Geliebten. Bald wird klar, dass es um viel mehr geht als um das Leben eines Entführten. Denn zahlreiche Spuren führen nach Deutschland, zu einem schwäbischen Waffenhersteller. Und Eley begreift: Wenn er die Wahrheit ans Licht bringen will, muss er alles aufs Spiel setzen. Auf virtuose Weise verwebt Oliver Bottini das Thema (deutsche) Rüstungsexporte in einem mitreißenden Kriminalroman. Präzise lotet er die Untiefen von Macht und Unterdrückung aus und führt mit eindrucksvoller Intensität vor Augen, woran das System immer kranken wird am Mangel an Menschlichkeit.
Der Autor
Oliver Bottini, 1965 in Nürnberg geboren, in München aufgewachsen, familiärer Hintergrund mathematisch/pastoral. Nach dem Abitur Zivildienst, anschließend sechs Monate Neuseeland und Australien als Wanderer, Aprikosenpflücker und lästiger Tür-zu-Tür-Verkäufer von großformatigen Air-Brush-Gemälden. Zurück in München Jobs als Hotelrezeptionist und Hausmeister im Mädchenpensionat, parallel dazu Studium der Neueren deutschen Literatur, Italianistik und Markt- und Werbepsychologie sowie, schweißtreibender, von Kung Fu und Qi Gong. Seit 1995 Autor und freier Lektor. Seine Romane ›Mord im Zeichen des Zen‹, ›Im Sommer der Mörder‹ und ›Der kalte Traum‹ (DuMont 2012) wurden mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. 2007 wurde Oliver Bottini für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Sein Roman ›Im Auftrag der Väter‹ stand auf der Shortlist des Münchener Tukan-Preises. 2008 den Weg nach Berlin gefunden, hängengeblieben, aber der Süden ... ruft ...
Inhalt
Als deutsch-algerisches Joint Venture plant die Firma Elbe Algérie in Algerien Panzer vom Typ Atlas zu produzieren. Der deutsche Manager Peter Richter wird direkt nach seiner Ankunft in Algerien entführt, noch ehe er den Werksaufbau verfolgen oder im muslimischen Nordafrika unbedarft in ein interkulturelles Fettnäpfchen treten kann. Der Handlungsstrang um Richters Entführung spielt im Jahr 2012. Der algerische Geheimdienst besteht auf der offiziellen Erklärung, eine al-Qaida-Gruppe fordere Lösegeld für den Deutschen und den Rückzug der Elbe Défence aus Algerien. Doch Ralf Ehey, BKA-Verbindungsbeamter in der deutschen Botschaft, bezweifelt diese Version. Nach seinen Informationen sind islamistische Terrorgruppen schon seit den 90ern vom Militär unterwandert. Eheys Aktionsradius wird nicht allein durch die Verweigerung der algerischen Behörden zur Zusammenarbeit beschnitten. Ehey muss befürchten, dass seine heimliche Beziehung zur Untersuchungsrichterin an die Öffentlichkeit gerät, die mit dem Entführungsfall befasst ist. Peter Richter ist für seine Entführer nicht wegen seiner aktuellen Tätigkeit interessant, sondern wegen seiner Rolle in einem umstrittenen früheren Geschäft des (realen) süddeutschen Gewehrherstellers Meininger Rau mit Algerien. Im Auswärtigen Amt in Berlin hat parallel zu den Ereignissen in Algerien gerade die Diplomatin Katharina Prinz einen Schritt auf der Karriereleiter nach oben vollzogen. Die ehemahlige deutsche Botschafterin in Algier war entschiedene Gegnerin des Waffengeschäftes, das einem scheindemokratischen Regime Sturmgewehre verschaffen wird. Staaten geraten in Krisengebieten zwischen die Linien, weil sie und ihre Rüstungskonzerne noch immer nicht aus alten Fehlern gelernt haben, stellt einer der Beteiligten fest. In weiteren Handlungssträngen sind unabhängig voneinander der junge Djamel und ein einflussreicher algerischer General auf dem Weg nach Deutschland. Der junge Mann, der wie viele seiner Generation das ungeklärte Schicksal eines Angehörigen im Jahr 1995 nicht verwinden kann, will ein Zeichen setzen gegen den Hauptschuldigen am Verschwinden seines Vaters. Djamel hat private Verbindungen nach Deutschland, weil sein Großvater als ehemaliger Vertragsarbeiter in der DDR noch immer im Havelland lebt. Um die erfolgreiche Abwicklung des Geschäfts mit den deutschen Sturmgewehren bangt derweil der deutsche Lobbyist Reinhold Wegner in seinem süddeutschen Heimatort, während sich in Berlin die Gegner von Katharina Prinz formieren.
Fazit
Oliver Bottini führt vier Handlungsstränge akkurat zu einem spannenden, sorgfältig recherchierten Politkrimi zusammen, der im Biotop von Lobbyismus, Bestechung und menschlichen Schwächen angesiedelt ist. Passend zum Naturell einiger seiner Figuren bleibt der Erzähler den Großteil des Romans hindurch kühler Beobachter. Nicht ohne Sarkasmus demaskiert Bottini Deutschlands widersprüchliche Haltung zu Waffenexporten in Krisengebiete. Auch ohne Kenntnis deutscher Waffenschmieden und der historischen Ereignisse in Algerien kann man mithilfe des umfangreichen Glossars reale Personen und Orte von fiktiven unterscheiden. Diese Möglichkeit, am Ende der Lektüre mit einem Blick aufzulösen, welche Teile Fiktion sind, habe ich mir schon oft gewünscht.
9 von 10 Punkten