Morphin - Szczepan Twardoch

  • Rowohlt, 2014
    592 Seiten


    Aus dem Polnischen von Olaf Kühl


    Kurzbeschreibung:
    Warschau 1939: Leutnant Konstanty Willemann, vor dem Krieg ein Bonvivant und Dandy, streift durch die zerbombte, soeben noch blühende Stadt, in der die deutsche Besatzung alle Freiheit erstickt. Konstanty, väterlicherseits selbst Deutscher, betäubt sich mit Alkohol und Morphin — denn er ist zerrissen zwischen seinem versehrten Vater und seiner fanatischen Mutter, und er ist noch mehr zerrissen zwischen seinem unsteten Leben mit rauschhaften Nächten bei der jüdischen Edelprostituierten Salomé und der Sorge um die Zukunft seiner Familie, um seine Ehefrau und den vergötterten kleinen Sohn. Doch dann schließt Konstanty sich dem Widerstand an. Getarnt mit der väterlichen Uniform und tadellos Deutsch sprechend, wagt er immer riskantere Aktionen und lernt sich bald besser kennen — als einen erschreckend anderen. Eine konspirative Reise mit der undurchschaubaren Adeligen Dzidzia führt ihn durch eich eine Vorhölle verwüsteter Landschaften in das noch heile Budapest. Die Fahrt wird für Konstanty zur Prüfung, ob er sich dem Untergang, der Warschau ergriffen hat und ihn selbst mitzureißen droht, noch entziehen kann … Sinnlich und radikal erzählt Szczepan Twardoch die Geschichte eines faszinierenden, schillernden Helden und entwirft ein großes Panorama der vom ersten Beben des Zweiten Weltkriegs erschütterten Zeit — voller Erinnerungen an die unwiederbringlich zerstörte Schönheit, voll unvergesslicher Szenen, wie Konstanty Willemann gleichsam durch ein Fegefeuer zu sich selbst findet. Ein virtuoser, atemloser und gewaltiger Roman.


    Über den Autor:
    Szczepan Twardoch, geboren 1979, gilt als die herausragende neue Stimme der polnischen Literatur. Mit der Veröffentlichung von «Morphin» (2012) gelang ihm der Durchbruch, der Roman war in Polen ein Bestseller und wurde u. a. mit dem renommierten Polityka-Passport-Preis ausgezeichnet. Szczepan Twardoch lebt in Pilchowice/Schlesien.


    Über den Übersetzer:
    Olaf Kühl, 1955 geboren, studierte Slawistik, Osteuropäische Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin und ist vor allem als Übersetzer aus dem Polnischen und Russischen bekannt. 2005 wurde er mit dem Karl-Dedecius-Preis für sein polnisch-deutsches Übersetzungswerk ausgezeichnet. Seit 1996 ist er Russlandreferent des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. 2011 erschien Olaf Kühls Debütroman «Tote Tiere».


    Mein Eindruck:
    Was mich an diesen Roman interessiert hat, ist der Schauplatz und Zeit: Warschau in der Zeit nachdem die Deutschen Polen überfallen hatten. Im Mittelpunkt steht ein Mann mit polnischer Mutter und deutschem Vater. Kein einfacher Stoff!


    Es ist ein umfangreicher Roman mit auffälligen Cover, von einem Autor, der vom Verlag als neue Stimme Polens angepriesen wird. Das schürt Erwartungen, doch sprachlich bin ich skeptisch. Zwar dominieren die fieberhaften Gedanken des Protagonisten den Stil, doch auf die Dauer fehlt mir die beißende Ironie eines Andrzej Stasiuk. Es ist ein expressionistisch wirkender Sprachduktus. Zu extrem die Weltsicht dieser kaputten Hauptfigur. Das nagt an der Glaubwürdigkeit!


    Durch Drogen und Alkohol sowie situationsbedingter Melancholie betäubt, irrt Konstanty wie ein Verrückter durch die kriegsgeschüttelte Stadt. Innerlich ist völlig zerrissen, halb Pole, halb Deutscher, weiß er nicht, ob er zu den Siegern oder Verlierern gehört.
    Es gibt teils drastische Schilderungen von Kriegsgräuel, stets von Konstanty reflektiert.
    Konstantys Aktivitäten sind bis zuletzt zweifelhaft wie er es als ganze Figur auch bleibt! Als Beispiel dient sein merkwürdiges Frauenbild, das anscheinend auch von seiner kaltherzigen Mutter beeinflusst zu sein scheint.


    Hin- und hergerissen von diesem außergewöhnlichen Buch, mit dem ich nicht komplett glücklich war, habe ich schließlich doch den Eindruck, einen Autor entdeckt zu haben, den es weiter zu beobachten lohnt.

  • :wave Danke für deine Rezension. Ich habe das Buch heute im Buchladen angeschaut, weil das wunderschöne Cover es mir angetan hatte und beschlossen, nachzusehen, ob es schon eine Eulenrezi dazu gibt. Toll, dass ich so schnell fündig geworden bin. :-]