Über das Buch:
Einer der bedeutendsten Romane der koreanischen Literatur des 20. Jahrhunderts – die ergreifende Lebensgeschichte eines nordkoreanischen Arztes, der am Krieg und an den Folgen der Teilung von Land und Volk zerbricht.
Über den Autor:
Hwang Sok-yong wurde 1943 in der Mandschurei geboren. Er gilt, so der Klappentext, als der bekannteste und wichtigste zeitgenössische Autor Südkoreas. In seinem Werk widmet er sich besonders der politischen Geschichte seines Landes, er wurde dafür mehrfach ausgezeichnet. In den 90er Jahren wurde er selbst wegen einer Reise nach Nordkorea zu sieben Jahren Haft verurteilt. Zur Zeit lebt er in London.
Übertragen wurde der Roman von Oh Dong-sik, Kang Seung-hee und Torsten Zaiak.
Meine Meinung:
Paperback, insgesamt 137 Seiten, davon Romantext 126 Seiten, anschließend ein informatives und lesenswertes Nachwort. Dankenswert augenfreundlicher Druck.
Ein altes Haus mit zu vielen Mietern, ärmliche Verhältnisse. Ein alter Mann, den kaum jemand richtig zu kennen scheint, einen einsamen Tod stirbt er. Verhältnisse, die – außer den Namen, die so fremdartig klingen – nicht unbedingt sofort darauf hindeuten, dass wir uns in Korea befinden, in Südkorea, um genau zu sein.
Knapp und mit kräftigen Strichen skizziert Hwang die Geschichte des Lebens seines Protagonisten, ausgehend von der Arzt- und Professorenstelle in Pjöngjang über die Repressalien der kommunistischen Machthaber, die Flucht in den Süden, die die Familie des Herrn Han zerreißt, die Repressalien der südkoreanischen Machthaber, weil Herrn Han als Spion gelten könnte, die neue Tätigkeit in einer Arztpraxis, das Betrogenwerden durch seine Partner bis hin zu dem einsamen Tod und den Erinnerungen seiner wenigen Bekannten und seiner Tochter.
Hwangs Roman hat mich an eine Tuschzeichnung erinnert, das Weiß des Papiers und als Gegensatz das Schwarz der Tusche, die Konturen, die plastisch darzustellen vermögen, was dargestellt werden soll, mehr eben auch nicht. Und wie bei einer solchen Zeichnung ist es am Betrachter resp. Leser, die Farben in das Bild zu bringen, seiner Phantasie zu erlauben, die Szene(n) lebendig werden zu lassen. Mir fiel das nicht schwer, zu genau setzt Hwang seine Akzente. Die Folterszenen, die der Verzweiflung, die der Flucht haben mich stark beeindruckt, aber das bedeutet nicht, dass es für mich schwache Szenen in dem Buch geben würde. Um es so zu sagen: Das Schwarz dieser Szenen erscheint mir allerdings stärker und tiefer ausgeprägt, es lassen sich mehr als einmal Schatten in ihm erkennen. So manches, was erzählt wird, scheint mir nicht nur die offensichtliche Bedeutung zu haben; die Frage, die sich mir stellte, ist allerdings, ob ein westlicher, mit der koreanischen Geschichte nur in Umrissen vertrauter Leser die Tiefe dieses Textes auszuloten vermag.
Hwangs Text, das versuchte ich oben schon anzudeuten, weist für mich über koreanisches Leben und koreanische Verhältnisse hinaus, besitzt einiges an Allgemeingültigkeit. Damit meine ich nicht unbedingt, dass Korea immer noch unter dem leidet, was in Deutschland überwunden wurde. Die Zerrissenheit innerhalb der Familien und der Menschen dürften zwar auch etlichen Deutschen – zumal den nicht mehr ganz jungen – nur allzu bekannt sein, aber mir scheint doch, dass die Erfahrungen der Einsamkeit und jener im Alter nicht unbedingt – nur – an der Teilung eines Landes festzumachen ist. Die immer wieder aufs neue gemachte Erfahrung von Enttäuschung und Leid prägen nicht nur das Leben von Herrn Han, der Glaube an das Gute, das doch in jedem Menschen wünschenswerterweise sein soll, wird nicht nur bei ihm auf eine allzu harte Probe gestellt. Daneben spiegelt Hwangs Roman natürlich vieles wieder, was die koreanische Gesellschaft ausmacht, nicht nur, was das Verhältnis von Mann und Frau resp. die Hierarchien ausmacht, sondern auch das Klima des Misstrauens, das so leicht nicht aus der Welt zu schaffen ist.
Die Sprache, in der dieses Leben erzählt wird, wirkte auf mich beeindruckend in ihrer unprätentiösen Schlichtheit, ganz schlank kommt das Erzählte daher.
Das Nachwort sollte man sich nicht entgehen lassen, wenn man zu diesem Buch greift. Es verdeutlicht auch, dass Hwang in diesem Roman auch eigene Erfahrungen resp. die seiner Familie verarbeitet hat.
---