Der Medicus von Heidelberg - Wolf Serno

  • Kurzbeschreibung (gem. Amazon)
    Glaube, Hoffnung, Wagemut


    Kanton Thurgau, anno 1500. Niemals zuvor hat es jemand gewagt,
    eine Schwangere bei lebendigem Leib aufzuschneiden, um das Kind herauszuholen. Zu groß ist die Gefahr, zu streng das Verbot der Kirche.
    Als der Schweinekastrator Jacob Nufer dennoch die Operation
    an seiner Frau durchführt und mit Gottes Hilfe glücklich beendet,
    kennt sein Sohn Lukas nur ein Ziel: Er will ein Medicus werden.
    Für Lukas beginnt ein langer Weg, gesäumt von Gewalt, Gefahren und
    großen Gefühlen …


    Als der junge Lukas mit der Überlandkutsche nach Erfurt fährt,
    um dort sein Medizinstudium aufzunehmen, ahnt er nicht, dass diese Reise
    sein ganzes Leben verändern wird. Denn nach einem blutigen Überfall sieht er sich unversehens in der Verantwortung für eine leibhaftige Prinzessin.
    Es ist Odilie, die schöne Tochter des Kurfürsten Philipp von der Pfalz.
    Um sie vor einem Schicksal als Geisel zu bewahren, soll er sie unerkannt nach Heidelberg ins Schloss ihres Vaters bringen. Auf der langen Wanderung
    erweist sich Odilie als hochnäsig und kratzbürstig, und erst, als sie ernstlich erkrankt und dank Lukas’ Fürsorge wieder gesund wird, beginnt sie,
    seine Liebe zu erwidern. Doch Odilie ist längst einem anderen versprochen,
    und Lukas vergräbt sich in sein Studium, um sie zu vergessen. Er kann es nicht, obwohl ihm gute Freunde, wie Martin Luther und Ulrich von Hutten,
    zur Seite stehen, obwohl Kriege und Krankheiten seinen Alltag bestimmen.
    In Heidelberg schließlich, als vielbewunderter Medicus, muss er seine größte Bewährungsprobe bestehen: Er soll an Odilie den lebensgefährlichen Geburtsschnitt vornehmen. Wird ihm gelingen, was einst sein Vater mit Gottes Beistand schaffte?


    über den Autor (gem. Amazon)
    Wolf Serno arbeitete 30 Jahre als Texter und Creative Director in der Werbung. Mit seinem Debüt-Roman "Der Wanderchirurg" - dem ersten der fesselnden Saga um Vitus von Campodios - gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller, dem viele weitere folgten, unter anderem: "Der Balsamträger", "Hexenkammer", "Der Puppenkönig" sowie "Das Spiel des Puppenkönigs", "Die Medica von Bologna" und "Das Lied der Klagefrau".
    Wolf Serno, der zu seinen Hobbys "viel lesen, weit reisen, gut essen" zählt, lebt mit seiner Frau und seinen Hunden in Hamburg.


    meine Meinung
    Lukas Nufer assestiert seinem Vater bei einer verpönten Operation: dessen Frau liegt in den Wehen, doch das Kind kann nicht auf dem natürlichen Wege geboren werden. So muss der Vater einen Kaiserschnitt vornehmen. Wie durch ein Wunder überleben Mutter und Kind. Und für Lukas ist klar: er will Arzt werden. Doch der Weg dorthin ist beschwerlicher und gefährlicher, als er denkt.


    "Der Medicus von Heidelberg" scheint der Auftakt einer neuen Reihe von Wolf Serno zu sein. Zumindest lässt dies das sehr offene Ende des Romans vermuten. Auch das neuste Werk des Autors hat mich begeistert.


    Die Geschichte wird von der Hauptfigur Lukas aus der Ich-Perspektive erzählt. Dabei erfährt man viel über Süddeutschland im 16. Jahrhundert als auch über den damaligen Stand der Medizin. Vor allem diesem Punkt widmet sich die Figur ausgiebig, was mir sehr gut gefallen hat. Dennoch kommen auch Spannung und Tragik nicht zu kurz, so dass das Buch eine tolle Mischung aus Abenteuer, Drama und Romantik ist.


    Die Details, die Wolf Serno gerade im medizinischen Bereich beschreibt, wirken der damaligen Zeit entsprechend und nicht übertrieben. Er lässt Lukas auf einen berühmten Zeitgenossen treffen: Martin Luther. Doch anders als von mir befürchtet, ist Luther eine Nebenfigur, die zwar immer wieder auftaucht, aber keinen großen Anteil an Lukas' Geschichte hat. Ich vermute jedoch, dass bald eine Fortsetzung erscheinen wird. Denn sowohl das Schicksal von Lukas, als auch von seinen Weggefährten und Freunden, bietet genug Punkte, die weitergeführt werden sollten.


    Der Stil von Wolf Serno ist sehr gut und flüssig zu lesen. Ich kam schnell in die Geschichte rein und mir war die Hauptfigur sofort sympathisch. Die Beschreibungen des Studiums und der praktischen Anwendung des Wissen sind so gut, dass ich mit großer Neugierde gelesen habe.


    Fazit: ein toller Roman, von dem ich mir einen Fortsetzung erhoffe. Eine klare Leseempfehlung an alle, die gern historisches lesen.

  • Habe den Roman heute beendet. Hier mein Eindruck dazu:


    Wie in vielen seiner Werke widmet sich Wolf Serno auch in seinem neuesten Roman sehr ausgiebig den Themen „Medizin“ und „Forschung“ in der Geschichte. Ein umfangreiches Personenregister steht am Anfang des Buches und erweist sich immer wieder als sehr hilfreiche Gedankenstütze, denn dort lernt man die Charaktere, in der Reihenfolge ihres ersten Auftritts im Roman, kennen.


    „Der Medicus von Heidelberg“ besteht aus drei großen Abschnitten:
    1. Der Magister
    2. Der Studiosus und
    3. Der Medicus


    Grundlage für diesen Roman war die erste historisch bekannte Schnittentbindung am Menschen, die um das Jahr 1500, von dem Schweinekastrator Jacob Nufer, erfolgreich durchgeführt wurde. Mutter und Kind überlebten die gefährliche Prozedur. Dieses Erlebnis, dem der kleine Lukas (Jacobs fiktiver Sohn im Roman) beiwohnte, festigte dessen Entschluss, später einmal Medicus zu werden.
    Erster Teil: Nach seiner ersten Studienzeit in Basel, wo er gerade sein Examen zum Magister Artium bestanden hat, macht sich Lukas, der junge Ich-Erzähler, auf den Weg nach Erfurt, um dort seine Studien fortzusetzen. Es wird eine abenteuerliche, gefährliche Reise. Einiges, was er unterwegs erlebt, macht ihm seine Ohnmacht gegenüber Krankheit und Tod bewusst, und so dramatisch seine Erfahrungen auch sind, so bekräftigen sie doch nur die Richtigkeit seines Berufswunsches. Aber nicht nur körperlichen Gefahren ist er unterwegs ausgesetzt, er begegnet auch einer leibhaftigen Prinzessin, die überfallen und entführt wurde und für die er die Verantwortung übernimmt, sie wohlbehalten zu ihrer Familie nach Heidelberg zu bringen. Die schöne, anfangs sehr kratzbürstige und hochnäsige Odilie, eine Tochter des Kurfürsten Philipp von der Pfalz, in die er sich hoffnungslos verliebt, wird in seinem weiteren Leben noch eine wichtige Rolle spielen.


    Im zweiten großen Abschnitt des Romans dreht sich die Handlung hauptsächlich um Lukas’ medizinische Studien in Erfurt. Er lernt seine Kommilitonen kennen und gewinnt neue Freunde, darunter so historisch bedeutende Namen wie Martin Luther und Ulrich von Hutten. Aber nicht alle sind ihm wohlgesinnt, und er muss sich auch gegen diverse Anfeindungen zur Wehr setzen. Als eine Pestwelle über Erfurt hereinbricht, sieht sich Lukas vor eine unmenschlich schwere Aufgabe gestellt. Obwohl er noch lange kein fertig ausgebildeter Medicus ist, versucht er, möglichst viele der Erkrankten zu retten und kämpft um jedes Leben, ein schier unmögliches Vorhaben.


    3. Teil: Nachdem er auch diese große und schwierige Herausforderung überstanden hat, zieht es Lukas wieder nach Heidelberg, denn dort hat er sein Herz zurückgelassen, bei Prinzessin Odilie. Seine Liebe zu ihr ist aussichtslos, aber er will ihr wenigstens nahe sein.
    In Heidelberg kann er sein Medizinstudium erfolgreich abschließen und trifft alte Freunde und Bekannte wieder. Er widmet sich besonders der Frauenheilkunde und geht in seiner Aufgabe auf. Er sieht auch Odilie wieder, aber unversehens gerät er in bedrohliche Situationen, und sein Leben ist in Gefahr. Als er die Zusammenhänge erkennt, ist es schon fast zu spät….


    Man muss ihn einfach gern haben, den Studiosus Lukas Nufer. Er ist wissensdurstig, mutig und voller Tatendrang, und er hat das Herz auf dem rechten Fleck. Dass sich unser Held in Basel, nach dem Erdbeben, eines kleinen Hundewelpen annimmt, der sich mit der Zeit zum Riesen auswächst, macht ihn gleich noch sympathischer. Der Mischlingsrüde Schnapp lohnt es ihm dauerhaft mit seiner unerschütterlichen Treue. Was die beiden im Lauf der Geschichte alles erleben, ist brillant und sehr spannend erzählt. Das Buch hat sich für mich als Magnet erwiesen. Kaum legte ich es zwangsläufig einmal zur Seite, so hat es mich gleich wieder magisch angezogen, und ich hätte es am liebsten in einem Stück gelesen, so gefesselt war ich von Lukas’ Abenteuern. Der Ich-Erzähler trifft interessante Charaktere, von denen einige wirklich gelebt haben und von großer historischer Bedeutung sind.
    Man gewinnt einen guten Eindruck vom Studentenleben der Zeit im 16. Jahrhundert, und man erfährt von den damaligen gesundheitlichen Gefahren, die glücklicherweise heute kein Thema mehr sind. Nicht nur mit lebendbedrohlichen Seuchen mussten sich die Menschen früher herumschlagen, sondern auch mangelndes Wissen brachte viele Gefahren für Leib und Leben mit sich. Es ist interessant, zu erfahren, wie die Ärzte damals dachten und handelten. Ein Medicus war weitgehend ein Theoretiker, der sein Wissen als Dozent weitergab und Diagnosen stellte, aber selten bei Behandlungen selbst Hand anlegte. Man erfährt so einiges über die damals anerkannte Vier-Säfte-Lehre und weitere Meinungen zum menschlichen Körper und zu Krankheiten, über die wir heute nur den Kopf schütteln können. Viele Patienten, mit Krankheiten, die heute kein Problem mehr darstellen, waren damals dem Tod geweiht. Das trifft auch auf den Bereich der Frauenheilkunde zu, mit dem sich Lukas bei seinen Studien besonders ausgiebig beschäftigt. Was wir heutzutage ganz selbstverständlich als Kaiserschnitt kennen, war damals fast unmöglich, denn die Überlebenschance für Mutter und Kind war so gut wie nicht vorhanden. Auch wurde die Schnittendbindung von der Kirche nicht gern gesehen, sie war sogar verboten.
    Ein weiteres großes Thema des Romans ist die Veränderung der Weltanschauung, an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit. Gerade in Studentenkreisen gab es bereits damals die humanistische Bewegung, der sich auch Lukas anschloss.
    So bietet dieser faszinierende Roman nicht nur ein lebendig gezeichnetes Panorama des Lebens, der Wissenschaft und der Menschen am Anfang des 16. Jahrhunderts, sondern er erzählt auch von schicksalhaften, dramatischen und romantischen Begegnungen.
    Die Geschichte bietet kein klassisches Happy End, sondern lässt dem Leser Raum und Freiheit für eigene Phantasien und Ideen. Vielleicht hatte der Autor ja den Gedanken im Hinterkopf, Lukas’ Geschichte in einem weiteren Buch fortzuführen. Ich wäre gerne dabei, denn für mich war dieser Roman ein Pageturner, von der ersten bis zur letzten Seite, und es ist mir schwer gefallen, am Schluss von dem liebenswerten Helden mit ungewissem Schicksal Abschied zu nehmen.

  • Zum Inhalt
    Als Aufhänger des Romans dient dem Autor der Schweizer Schweinekastrator Jakob Nufer, dem um 1500 ein Kaiserschnitt ohne tödlichen Ausgang an seiner Frau geglückt sein soll. Protagonist des Romans ist dessen fiktiver Sohn Lukas, den der geglückte Eingriff seines Vaters auf die Idee bringt, Arzt zu werden. Lukas wird zunächst in Basel zum Magister der freien Künste, dann wandert er nach Erfurt, um dort das Medizinstudium aufzunehmen. Nach einer abenteuerlichen Reise, auf der seine Reisegruppe überfallen wird und er Odilie, die Tochter des Kurfürsten von der Pfalz, vor einer Entführung bewahrt, gelangt er schließlich nach Erfurt, wo er schon als Studiosus die Aufgaben eines Arztes übernehmen muss, als im Kampf gegen die Pest jede kundige Hand gebraucht wird. Um Odilie, mit der ihn eine fast aussichtslose Liebe verbindet, näher zu sein, begibt er sich nach Heidelberg, um dort seine Studien fortzusetzen. Dort kann er unter der praktischen Anleitung geschickter Wehmütter, seine Spezialisierung auf die Gynäkologie fortsetzen.


    Beurteilung
    Der Klappentext lässt in erster Linie einen Liebesroman erwarten. Es handelt sich aber um einen gut recherchierten historischen Roman, der über die Liebesgeschichte hinaus eine Vielzahl faszinierender medizingeschichtlicher Details zu bieten hat und der außerdem Biographisches aus dem Leben berühmter Zeitgenossen des Protagonisten (Martin Luther, Eobanus Koch, Barward Tafelmaker) präsentiert. Diese historischen Persönlichkeiten treten hier als Kommilitonen des Protagonisten in Erfurt auf, besonders Luther spielt in den ersten beiden Hauptteilen eine wichtige Rolle. Während man ihm sonst in Romanen als dem großen Reformator begegnet, erlebt der Leser ihn hier als jungen Studenten, der allmählich den vorgezeichneten Weg - er sollte auf Wunsch des Vaters Jurist werden - verlässt und sich der Theologie zuwendet. Der medizingeschichtlich interessierte Leser erfährt eine Menge über die Behandlungsmethoden der Zeit. Die Details sind sehr gut recherchiert, allerdings scheinen mir die Vorlesungen des Erfurter Professors über den Blutkreislauf (lange vor William Harvey) und des Prinzip "Similia similibus curentur" (lange vor Hahnemann) einer gewissen dichterischen Freiheit zu entspringen. Dies ändert aber nichts an der Faszination dieses flüssig erzählten, abwechslungreichen Romans, den man schwer aus der Hand legen kann.
    Die Charakterisierung der Figuren ist gelungen, die historischen Persönlichkeiten sind, soweit man es beurteilen kann, korrekt dargestellt, die fiktiven Figuren erscheinen weitestgehend glaubwürdig, dem Autor gelingt die Verschmelzung historischer und fiktiver Elemente.


    Fazit
    Für Freunde gut recherchierter historischer Romane mit medizingeschichtlichem Schwerpunkt vergebe ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung für dieses unterhaltsame Buch.
    9 Punkte