Erster Auftritt für Roberto Serra
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Der Autor ist Mitglied einer italienischen Online-Platform für Kriminalliteratur, und dies ist sein Erstlingswerk. Beides merkt man! Aber auf ausgesprochen positive Weise.
Giuliano Pasini hat einen sehr guten Riecher dafür, was Leser wollen, und was sie bei der Stange hält. Sein Kommissar, Roberto Serra, ist ihm wirklich gut gelungen: privat zwar ein wenig verknackst, wie derzeit viele Kommissare, aber nicht zu sehr. Er hat eine Vorliebe für italienische Liedermacher, und eine unglaubliche Musiksammlung. Des weiteren einen untrüglichen kriminalistischen Spürsinn, sowie eine - teilweise verhängnisvolle - übersinnliche Gabe. (Das fand ich persönlich sehr interessant!) Und - er kocht! Und zwar mit Leidenschaft, so dass dem Leser das Wasser im Munde zusammenläuft.
Das Gute an diesem Buch besteht aber aus mehr als der Summe seiner Teile, so dass ich mich nicht in Aufzählungen verlieren möchte. Für mich war einfach alles rund und hat gepasst. Die Handlung war nicht übertrieben reißerisch oder blutig - nur die Rückblicke, was bei dem Thema aber verständlich war. Denn das Motiv liegt weit in der Vergangenheit, im ausgehenden zweiten Weltkrieg verborgen. Als Leser hat man gleichzeitig eine überzeugende Geschichtslektion bekommen, was mir sehr gefallen hat (da nicht belehrend).
Der Spannungsbogen verläuft am Anfang eher gemächlich, wird zum Ende hin aber dann so rasant, dass es nahezu filmreif ist. Die letzten 50 Seiten habe ich wie unter Zwang verschlungen! Denn es hätte beinahe noch schiefgehen können. Zudem war nun wirklich unmöglich zu erraten, wer nun der Täter war. Die Überraschung ist dem Autor gelungen!
Das Buch hat seine besondere Würze für mich durch diverse Details erlangt, die ich als sehr "italientypisch" empfinde. Erstens, die ständigen verbalen Frotzeleien unter Kollegen, durchaus auch mit ranghöheren! Sogar am Telefon. Da wird niemand mit Samthandschuhen angefasst. Zweitens, in einem Land wie Italien ist es ähnlich wie in England: da wird ein Mensch noch sehr nach Region und Dialekt beurteilt. Wo sonst hat man das - da lebt ein Rettungssanitäter schon seit über 30 (!) Jahren im Appenin, und von ihm heißt es, "für einen Sizilianer ist er ja ganz OK"...!
Der einzige Punkt, der bei mir beinahe zu einem Abzug geführt hätte, ist ausgerechnet die Schilderung der Frau, also der Immer-mal-wieder-Geliebten von Roberto Serra. Sie gerät phasenweise ein wenig klischeehaft, und sehr intolerant bezüglich Serras Gabe, die ja eigentlich etwas Gutes ist. Sie will ihm partout einreden, er sei "krank", was aber völliger Unsinn ist. Das weiß jeder halbwegs gebildete Leser.
Insgesamt habe ich mich aber wirklich wunderbar unterhalten gefühlt, und das auch noch mit Anspruch - wegen der geschichtlichen Aspekte. Ich freue mich auf weitere Teile mit Roberto Serra!