Ingrid Noll, Hab und Gier

  • Sterben und erben


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    Man kann sich sicherlich streiten, ob es sich hier um einen "Krimi" handelt. Gut, immerhin geht es um Mord und Totschlag, und um durchaus niedere Motive. Dafür fehlt allerdings das Element "Ermittlungen". Das Einzige, was hier "ermittelt" wird, ist die zu erwartende Gewinnspanne...


    Ich kann meine Eindrücke gar nicht so recht in Worte fassen, zu verblüfft bin ich, dass man angesichts solcher Hinterlist als Leser sogar lachen kann! Dies war mein erstes Buch von Ingrid Noll, aber sicher nicht mein letztes.


    Eine pensionierte Bibliothekarin wird in moralische Versuchung geführt - soll sie ihren ehemaligen, todkranken Kollegen nur betreuen und pflegen, und sich mit der Hälfte des Erbes zufrieden geben? Oder will sie doch mehr...? Geht sie auf sein perfides Angebot ein? Die Autorin lässt den Leser hierüber nicht lange im Unklaren.


    Die Heldin, Karla, vertraut sich einer jungen Kollegin an. Sie wird diesen Schritt zwar bald bereuen, aber immerhin kommen so die Dinge in Bewegung. Es ist wirklich erfrischend zu lesen, wie anfangs biedere Leute durch immer einen Gedankenschritt mehr auf Abwege geraten! Insofern hat das Buch sicher auch einen tieferen moralischen Anspruch. Gar nicht unähnlich dem "Besuch der alten Dame" von Dürrenmatt.


    Grandios gefallen hat mir der Humor! Immer wieder haben die Möchtegern-Möderinnen ein flottes Zitat auf den Lippen, oder die Situationskomik entwickelt sich in eine sehr schräge Richtung... mehr als einmal habe ich wirklich laut aufgelacht! Was man so alles mit Inschriften auf Grabsteinen oder mit Trauermusik anstellen kann...


    Ich ziehe nur deshalb einen Stern ab, weil es mir am Ende des Buches ein wenig zu schnell ging. Das Buch wirkte auf mich ein klein wenig "abgewürgt", im beinahe wörtlichen Sinne... nun ja!! Am Schluss geschah Vieles auf einmal, da hätte sich Ingrid Noll mehr Zeit lassen können. Immerhin ist der letzte Satz super, und lässt beim Leser echtes Kopfkino entstehen...


    Eigentlich wirkt das Buch auf mich nicht wie ein Roman, sondern wie eine etwas vergrößerte Kurzgeschichte. Was ich nicht negativ meine! Aber es ist halt alles mehr anekdotisch, und wirklich nicht ernst zu nehmen. Ich finde, es ist ein sehr gut gemachtes Stück rabenschwarze Unterhaltung, nicht ohne Anspruch.