Über das Buch:
Jahrelang haben sich die zukünftigen Kriegsparteien auf den Krieg vorbereitet, Kriegsziele definiert, sich über Kontributionen für die Zeit danach Gedanken gemacht – und auf einmal ist der Krieg wirklich da. Unaufhaltbar, wie ein Räderwerk, schnurrt der Kriegsapparat ab. Besonnene Beamte in den verschiedenen Ministerien in den verschiedenen Ländern stehen auf verlorenen Posten. Der Krieg ist nicht mehr zu verhindern. Denn jede Macht ist selbstverständlich von ihrem Sieg überzeugt und von ihrem Zugewinn. Barbara Tuchman beschreibt packend, entlang der Fakten und Dokumente, den Weg in den Krieg und den Verlauf dieser Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. In Europa gingen, nach dem berühmten Diktum, im August 1914 die Lichter aus.
Über die Autorin:
Barbara Tuchman lebte von 1912 bis 1989, sie war eine amerikanische Historikerin und Autorin. Für das vorliegende Buch wurde sie mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
Das Buch wurde von Grete und Karl-Eberhard Felten aus dem Amerikanischen übertragen.
Meine Meinung:
Taschenbuchausgabe (ungekürzte Neuausgabe 2013), insgesamt 527 Seiten. Nach 462 Seiten Haupttext folgen im Anhang ein Literaturverzeichnis, ein Kartenverzeichnis, Anmerkungen sowie Namen- und Sachregister.
Tuchman beginnt ihr Buch mit den Trauerfeierlichkeiten für Eduard VII. von England im Jahre 1910, stellt Protagonisten vor, die im vier Jahre später beginnenden Krieg eine Rolle zu spielen haben würden, der deutsche Kaiser Wilhelm II zum Beispiel, Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich oder der belgische König Albert. Es scheint mir ein gelungener Auftakt, bietet er doch gerade anlässlich dieses Ereignisses die Möglichkeit, die zu Tage tretenden Animositäten und „Nickeligkeiten“ und die tatsächlichen und die gewünschten politischen Verhältnisse darzustellen. Die folgenden vier Kapitel widmen sich Deutschland, Frankreich, England und Russland und ihren jeweiligen Plänen und Planspielen, kurzen historischen Abrissen, befassen sich mit Feldzugplänen und kriegstheoretischen Gedankengebäuden, dem Warum, Wann, Weshalb und Wogegen.
Und dann also, mit Kapitel 6 und seiner vorangestellten kurzen Einführung zum Kriegsausbruch, sind wir beim Ausbruch des Krieges angekommen. Die folgenden Kapitel bis zur Nummer 22 widmen sich dem ersten Kriegsmonat, den schnellen Erfolgen, den Demütigungen und Massakern, den Toten und den Lebenden und den Zerstörungen. Beschlossen wird das Buch mit den Planungen und Truppenbewegungen für die Marne-Schlacht Anfang 1914 und einem kurzen Ausblick, nicht nur auf „jenen brutalen, schlammerfüllten, mörderischen Wahnsinn der Westfront“ (Seite 460).
Gerne habe ich das Buch aufgrund seiner Thematik nicht gelesen, aber Tuchman weiß durchaus zu fesseln. Sie lässt nicht nur die Generäle und Politiker lebendig werden, wechselt sozusagen fließend die Seiten, so dass quasi ein „Rundumblick“ auf die Kriegsteilnehmer Deutsches Reich, Frankreich, England, Russland geboten wird. Einschränkend muss erwähnt werden, dass Tuchmans Text 1962 erstmals gedruckt erschein; die neueren Forschungsergebnisse können darin naturgemäß keinen Eingang gefunden haben. Trotzdem habe ich einen guten Eindruck von den handelnden und namentlich benannten Personen gewonnen, von ihrem Denken und Planen, von ihren Erwartungen und Zielen. Das Grauen und die Brutalität dieses Krieges wurden mir mehr als deutlich vor Augen geführt. Tuchman scheut nicht davor zurück, deutliche Worte zu finden, benennt, was zu benennen ist, mit klaren und manchmal harten Worten. Der von ihr gebotene Detailreichtum hat mich beeindruckt.
Tuchman bleibt – soweit ich es überprüfen konnte – dicht an der Faktenlage, soweit sie ihr bekannt sein konnte. „August 1914“ würde ich nur bedingt als Sachbuch bezeichnen, es ist das, was der Verlag auf der Rückseite des Buches gedruckt hat, nämlich „… erzählte Geschichte“. Das bietet ihr die Möglichkeit dieser darstellenden Erzählweise, birgt aber auch die Gefahr, die Figuren ein wenig zu sehr festzulegen. Von einigen Personen habe ich ein Bild gewonnen, das vielleicht ein wenig zu plakativ ist, um der Wirklichkeit entsprechen zu können. Sie erlaubt Tuchman aber, und das ist für mich der entscheidende Punkt, die wertende Darstellung, auch wenn ich sie hier als dezent wahrgenommen habe.
Der im vorigen Absatz zitierte Aufdruck lautet übrigens vollständig: „Ein grandioses Stück erzählter Geschichte“. Hätte man statt „grandios“ das Wort „beeindruckend“ gewählt, würde ich dem fast vorbehaltlos zustimmen. Das Buch ist fakten- und detailreich, es hat sein eigenes Tempo, das ich der Thematik angemessen fand, es bietet Ein- und Ausblicke in und auf ein Geschehen, das man wohl als Zäsur bezeichnen kann.
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