Interview mit Sigrid Löffler

  • Zitat

    Original von Tilia Salix
    Nein, Voltaire. Keinen Krieg. Keine persönliche Anmache. Nur der Wunsch, sachbezogen zu diskutieren.


    Ich diskutiere sachbezogen. Oder legst du fest was "sachbezogen" ist? Ich habe ggf. eine andere Ausdrucksweise als du - habe aber in der Sache diskutiert und mein Gegenüber nicht persönlich angegriffen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Ansonsten geht mir das arrogante Gebrabbel hier ziemlich auf den Senkel. :wave


    Abqualifizieren als Rundumschlag gegen jede andere Äußerung ist keine sachliche Diskussion.
    Man muss keinesfalls immer einer Meinung sein, eine Diskussion kann auch gerne mal schärfer im Tonfall ausgetragen werden, aber dieses pauschale Draufschlagen um des Provozieren willens verleidet mir allmählich jede Lust am Debattieren. Man muss eine Meinung nicht teilen, um sie zu respektieren.

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Die Unterscheidung zwischen den "guten, weil unabhängigen" Literaturbloggern und den "schlechten, weil unkritischen" amazon-Rezensenten in den Kommentaren finde ich etwas sonderbar; denn häufig laden Blogger exakt den selben Text auf ihrem Blog, bei amazon und auf weiteren Plattformen hoch. Das klingt ein wenig nach: Wir sind die Guten. Es muss noch andere Unterschiede außer der Vorbildung eines Bloggers/Schreibers und dem Anbieter seines Webauftritts geben. Mit der Aussage, ein Literaturkritiker wählt aus, kommen wir der Sache schon sehr nahe. An - einigen - Bloggern kann ich nichts Unabhängiges finden, die im Prinzip alles belobigen, das von einem Buchdeckel zusammengehalten wird und ganz offensichtlich nicht auswählen, was sie vorstellen. Schick mir ein Buch und ich werde es loben.


    Auf welche Blogger beziehst du dich denn in deiner Aussage? :-)

  • Was die persönlichen Befindlichkeiten angeht: Es ist ja auch immer die Frage, ob man sich jeden Schuh anziehen muss, der einem hinterher geworfen wird :grin. Ich habe kein Problem damit, zuzugeben, dass Frau Löffler mir ein Universum an Bildung und Hintergrundwissen voraus hat. Aber ich habe auch nicht studiert und eine ausgesprochen schwache Allgemeinbildung; vielleicht fällt es mir drum so leicht, das zuzugeben. Wer mit Recht stolz auf das ist, was er sich in Eigenregie erarbeitet hat, hat sicher größere Probleme, sich als "Amateur" abgekanzelt zu wissen.


    Um vielleicht doch noch eine Diskussion anzuregen, hätte ich noch ein paar Gedanken:


    1.) Literaturkritik hat dasselbe "Elfenbeinturm"-Problem, wie jede elitäre (bitte ohne den negativen Beigeschmack verstehen, den man diesem Wort heute gerne beimisst) Beschäftigung: sie schwebt in der Gefahr, am "echten Leben" vorbei zu laufen. Wenn ihre Methoden nur auf einen winzigen Bruchteil der erschienenen Bücher überhaupt anwendbar sind, und wenn diese Bücher wiederum nur von einem Bruchteil der Leute tatsächlich gelesen werden, manövriert sie sich selbst notgedrungen ins Abseits. Echte Literaturkritiker rezensieren echte Literaten für echte Literaturkenner - unter weitgehendem Ausschluss der unkundigen Öffentlichkeit? (Um den Spötter nochmal zu Wort kommen zulassen: erinnert mich an manche Facebook-Gruppen, in denen "Self Publisher"-Autoren einander ihre Werke vorstellen. Sieht es an der Spitze des Buchmarkts echt kaum anders aus als ganz unten?)


    2.) Zur Demokratisierung: Ich finde es trotz allem schade, dass die "Massenware" des Buchbetriebs von der Literaturkritik nicht bearbeitet wird. Magali hat mit dem Beispiel "Fifty Shades of Grey" ja schon angedeutet, dass es, mit veränderten Kriterien, sehr wohl möglich wäre. Und es würde sich lohnen. Klassisches Beispiel für Schundliteratur: Karl May. Ehemalige Groschenhefte, nachträglich zu Romanen gebunden. Hatte faktisch enormen Einfluss auf die Leserschaft. Steht natürlich auch in einer Art literarischer Tradition (gibt es Bücher, die das nicht tun?). Hat mir mehr über das Denken und Empfinden im Kaiserreich beigebracht als der Geschichtsunterricht. - Wieviel über unsere Zeit verrät der Erfolg von "Twilight"? Was das aktuell extreme "Schubladendenken" im Buchhandel (hier Chick-Lit, dort Thriller, hier Histo-Romance, dort Histo-Abenteuer)? Das sind Fragen, auf die Amateur-Kritiker(innen) nur ansatzweise Antwort geben können, weil ihnen meist tatsächlich die Voraussetzungen fehlen.


    3.) Zur Unabhängigkeit echter Literaturkritik: Die Worte hör' ich wohl. Allerdings sehe ich bei manchen Zeitungskritiken des Feuilletons die "Unabhängigkeit" als ebenso fragwürdig an wie bei den Buchbloggern, denen von den Verlagen reihenweise "Rezi"-Exemplare zugeschickt werden. Ich erinnere mich an einen Artikel im Börsenblatt eine Weile vor Erscheinen von Charlotte Roches "Feuchtgebiete", in dem der Verlag seine Marketing-Strategie (sic!) vorstellte. Man werde sich "mit aller Macht" aufs Feuilleton werfen. Der Verlag konnte also sehr wohl voraussagen, dass und wann die Feuilletons der FAZ, der Süddeutschen etc. das Buch besprechen würden. - Solche (ich schreibe es jetzt hin: gekauften) Besprechungen sind sicher nichts, was Frau Löffler meint, wenn sie von "Literaturkritik" spricht. Aber es bedeutet, dass "echte" Literaturkritik ein noch viel selteneres Pflänzchen ist als gedacht. Siehe Punkt 1.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Josefa, ich denke, zunächst ist es wichtig zwischen Literaturwissenschaft und Literaturkritik zu unterscheiden. Letzteres ist ja nur ein kleiner Ausschnitt aus dem literaturwissenschaftlichen Feld. Die Literaturwissenschaft widmet sich den Texten, die als Literatur verstanden werden, und dieser Literaturbegriff ist sehr wandelbar. Das, was heute den größten Teil dessen ausmacht, was wir allgemein unter Literatur verstehen, der Roman nämlich, galt bis weit ins 18. Jahrhundert hinein nicht als Literatur!
    Der Begriff hat sich gewandelt, Unterhaltungsliteratur ist heute genauso Bestandteil literaturwissenschaftlicher Betrachtungen wie auch Sachliteratur, Hörspiele, Filme und so manches mehr.


    Dass die Literaturkritik nur ein kleines Feld der Literatur bearbeitet, liegt vielleicht auch daran, dass das Zielpublikum von Unterhaltungsliteratur in Form von Shades of Grey und co. vermutlich nicht an einer literaturkritischen Auseinandersetzung mit "ihrer" Literatur interessiert ist? Denn die Literaturkritik ordnet ja nur in den literaturwissenschaftlichen Zusammenhang ein, bewertet den Roman nach wissenschaftlichen Kriterien. Ich will aber nicht wissen, welcher Schule der neue Harry Dresden angehört, ich will wissen, ob er genau so spannend und gut wie dervorherige Band ist. Das wird mir die Literaturkritik im Zweifelsfall aber gerade nicht verraten.

  • Zitat

    Original von Tilia Salix
    Denn die Literaturkritik ordnet ja nur in den literaturwissenschaftlichen Zusammenhang ein, bewertet den Roman nach wissenschaftlichen Kriterien.


    Ja, das hatte ich verstanden. Aber damit sind wir doch genau bei meinem Problem: warum tut sie das eigentlich? Für wen? Außer für andere studierte und angehende Literaturwissenschaftler und - vielleicht - den Deutsch-Leistungskurs der Abiturienten von 2114?


    Und warum sollte ich nicht wissen wollen, in welchem literarischen Kontext die Harry-Dresden-Reihe steht? Würde mich zumindest mehr interessieren als dieselbe Fragestellung bei irgendeinem anderen Buch, das ich nicht gelesen habe und von dessen Existenz ich überhaupt nur durch die Rezension erfahre.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Zitat

    Original von Josefa
    Und warum sollte ich nicht wissen wollen, in welchem literarischen Kontext die Harry-Dresden-Reihe steht? Würde mich zumindest mehr interessieren als dieselbe Fragestellung bei irgendeinem anderen Buch, das ich nicht gelesen habe und von dessen Existenz ich überhaupt nur durch die Rezension erfahre.


    Ich kann ja nur für mich selber sprechen, daher meine Aussage. Ich lese unwahrscheinlich gern Rezensionen im Feuilleton, aber die Damen und Herren Literaturkritiker analysieren ja das ganze Buch, weshalb im Grunde die wesentliche Handlung verraten wird. Das fände ich beim Harry Dresden nicht so prickelnd. Ich schätze, daher ist Unterhaltungsliteratur für die Literaturkritik nicht interessant - wer will das lesen? Ich meine die Frage ganz ernst. Zu Büchern der Gegenwartsliteratur finde ich das ganz spannend, auch wenn ich oft denke: öhm, ja, da haste mal wieder ein ganz anderes Buch gelesen :rolleyes Es gibt aber auch Bücher, da hab ich dann richtige Aha-Erlebnisse, weil der Kritiker ein ganz anderes Hintergrundwissen hat und mich auf Dinge aufmerksam macht, auf die ich im Leben nicht gekommen wäre. Und bei solchen Büchern stört es mich auch nicht, wenn ich eigentlich schon die Handlung kenne, weil oft eben nicht die Handlung, die Geschichte, das was im Fokus steht, sondern das wie, verstehst du, was ich meine?

  • Zitat

    Original von buzzaldrin


    Was heißt denn "noch"? Ich habe die Diskussion ja überhaupt nicht verboten, ich freue mich darüber und du kannst auch sehr gerne meinen Blog besuchen und einen Kommentar hinterlassen, ich würde mich wirklich freuen, magali :wave


    Ich meinte das 'noch' als 'zuvor' mit verstärkender Tendenz, etwa zum 'sogar'.
    Ich benutze das 'noch' oft in Ausdrücken wie: Warum hast du denn die Tür nicht abgeschlossen? Ich habe es dir noch gesagt!
    Warum hatte sie denn keinen Schirm dabei? Ihre Mutter hat es ihr noch gesagt.
    Eventuell ein Dialektproblem?


    Danke für die Einladung zu Deinem Blog. Ich kenne ihn fast seit Anbeginn und schicke auch immer wieder LeserInnen dorthin, die sich für aktuelle Literatur interessieren, weil Du viele Bücher vorstellst und das ausführlich.
    Ich habe allerdings davon abgesehen, mich zu melden, weil ich den Eindruck hatte, daß Dich die Handke-Diskussion über Gebühr verschreckt hat und ich das nicht verstärken wollte.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Tilia Salix
    Und bei solchen Büchern stört es mich auch nicht, wenn ich eigentlich schon die Handlung kenne, weil oft eben nicht die Handlung, die Geschichte, das was im Fokus steht, sondern das wie, verstehst du, was ich meine?


    Nicht so ganz. Aber ich fürchte, das kann ich einfach nicht mangels nötiger Kenntnisse. Ich frage mich gerade, ob ich außerhalb von Schullektüren überhaupt schon mal ein Buch gelesen habe, das unter den Begriff "Literatur" fallen würde ...


    Übrigens lese ich bei den allermeisten - trivialen - Büchern das Ende vorab - eben weil mich das "Was" wenig interessiert und ich mich auf das "Wie" konzentrieren können möchte. Leider wird auf das "Wie" oft so wenig Wert gelegt.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Zitat

    Original von Josefa


    Ja, das hatte ich verstanden. Aber damit sind wir doch genau bei meinem Problem: warum tut sie das eigentlich? Für wen? Außer für andere studierte und angehende Literaturwissenschaftler [..]


    Wenn wir davon ausgehen, dass (Hoch-)Literatur eine Kunstform darstellt, hat sie wie andere Kunstformen auch das Recht auf wissenschaftliche Reflexion und Einordnung.


    Das muss uns (laienhafte) LererInnen nicht zwangsläufig interessieren, und schon gar nicht sollten wir uns deswegen die Freude am Lesen und an der Diskussion über Bücher vermiesen lassen, aber aus meinem Verständnis ist es gut und richtig, dass es eine hoch akademisierte Literaturwissenschaft gibt.


    Irgendwo habe ich mal den Satz gelesen:


    Literaturwissenschaft verhält sich zu Literatur wie Gynäkologie zu Liebe. ;-)

  • Zitat

    Original von Josefa
    Übrigens lese ich bei den allermeisten - trivialen - Büchern das Ende vorab - eben weil mich das "Was" wenig interessiert und ich mich auf das "Wie" konzentrieren können möchte. Leider wird auf das "Wie" oft so wenig Wert gelegt.


    Klingt, als hättest du mich genau verstanden :lache Dein letzter Satz ist übrigens auch ein Hinweis darauf, warum sich die Literaturkritik mit "trivialen" Büchern schwer tut.

  • Danke an die Diskutanten und -onkel für die wirklich interessanten Erläuterungen.


    Ich gehöre auch zu denjenigen, die einfach nur aus Spaß lesen. Hin und wieder wage ich mich, hier (und nur hier!) ein Buch vorzustellen, das mir besonders gefallen hat - aber eben nur mit den bescheidenen Mitteln eines einfachen Lesers.


    Schon beim ersten Lesen des Interviews stellte sich mir die Frage, warum sich Frau Löffler überhaupt mit den Rezensenten von Amazon mißt? Nach Eurer Diskussion kann ich Sätze wie


    Zitat

    Der professionellen Kritik ist eine mächtige Konkurrenz erwachsen – in Gestalt von Hobbykritikern, die bei Amazon und auf anderen Websites Bücher besprechen. Amazon hat die klassische Literaturkritik sozusagen demokratisiert: Jeder Konsument ist auch Kritiker.


    noch weniger verstehen. Warum stürzt sie sich auf eine "mächtige Konkurrenz", die mit ihrem Beruf im eigentlichen Sinne nix zu tun hat? Selbst die paar Rezensenten, die sich tatsächlich mit Werken von


    Zitat

    Peter Handke, Elfriede Jelinek, Per Olov Enquist, Javier Marías, John Banville, Aleksandar Hemon, Zadie Smith, Péter Esterházy, Julian Barnes, Hilary Mantel, Per Petterson, Michael Ondaatje


    und vergleichbaren Autoren beschäftigen, machen doch in aller Regel mit ihren Rezensionen etwas völlig anderes als Frau Löffler. Wieso erklärt sie das nicht, sondern schreibt von einer "Konkurrenz", die sie in aller Regel überhaupt nicht betrifft?


    Ich finde, Josefa hat die Situation sehr treffend zusammengefaßt:


    Zitat

    Daraus folgt dann allerdings, überspitzt ausgedrückt, daß Amteure und Profis sich in den meisten Fällen gar nicht ins Gehege kommen können. Profis rezensieren Literatur (was immer das auch bedeutet), und Amateure kommentieren das, was gelesen wird.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Zitat

    Original von LeSeebär
    Schon beim ersten Lesen des Interviews stellte sich mir die Frage, warum sich Frau Löffler überhaupt mit den Rezensenten von Amazon mißt?


    Weil Buzzaldrin danach fragt :grin


    Und vielleicht auch, weil vielen der Unterschied zwischen dem, was ein Literaturkritiker macht und dem, was ein Buchliebhaber so betreibt, nicht wirklich klar ist. Das fängt schon damit an, dass Amazon die Kundenmeinungen als Rezension betitelt (Ich warte ja noch auf den Tag, an dem das Feuilleton anfängt, Kabel oder Schuhe zu rezensieren) und geht damit weiter, dass sich 99% dieser Rezensionen auf ein "Buch war toll/blöd/schnell geliefert" erschöpft. Und ganz viele Menschen glauben nun, dieser eine Satz wäre eine Rezension. Sowas kann doch wirklich jeder - wozu braucht's da noch eine studierte Literaturkritik?

  • Zitat

    Original von Tilia Salix


    Weil Buzzaldrin danach fragt :grin


    Tut sie meines Erachtens eben nicht:


    Zitat

    Wo verorten Sie in dem Zusammenhang die Onlinemedien? Glauben Sie, dass Literaturblogs eine Konkurrenz zum Feuilleton werden können?


    Darauf beschreibt Frau Löffler dann die "Schwarmintelligenz" von Amazon, die mit Onlinemedien gar nix und mit Literaturblogs höchstens gemein hat, daß eventuell ein Blogger seine Rezension auch bei Amazon einstellt.


    Zitat


    Original von Tilia Salix
    Und vielleicht auch, weil vielen der Unterschied zwischen dem, was ein Literaturkritiker macht und dem, was ein Buchliebhaber so betreibt, nicht wirklich klar ist.


    Das ist mit Sicherheit richtig, aber genau diesen Unterschied erklärt Frau Löffler mir als Laien gerade nicht. Den hab ich erst aus der Diskussion hier, insbesondere durch die Ausführungen von magali verstanden. Aber das liegt vermutlich ausschließlich an meiner Ahnungslosigkeit. Obwohl Frau Löffler doch eigentlich hätte wissen müssen, daß die Leser von Literaturblogs Ahnungslose sind. Anders kann ich ihre Antwort jedenfalls nicht auffassen.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Gestern war wieder einmal Denis Scheck (Entschuldige, Elbereth ...) mit "Druckfrisch" im TV. Er hat erneut eindrucksvoll gezeigt, das professionelle Literaturkritik keineswegs so elitär daherkommen muss wie sie das bei Sigrid Löffler tut. So hat er sich in einem Interview mit Frank Schätzing mit dessen neuestem Thriller "Breaking News" beschäftigt und mit dem Autor gemeinsam (und durch kluge Fragen) eine Rezension erarbeitet, die auch für Leser ohne literaturwissenschaftlichem Hintergrund verständlich und mitreißend war.
    Nicht nur ist sich dieser Fachmann von hohen Graden nicht zu schade, auch Thriller (also Bücher, die eine Sigrid Löffler nicht mit dem Hintern ansehen, geschweige denn rezensieren würde) zu besprechen, sondern er tut das mit seiner unverstaubten, frechen Sendung auch in einer Weise, die die erzkonservativen, selbstverliebten Kritiker in ihren Elfenbeintürmen endgültig zu einer aussterbenden Spezies macht.


    In der Literaturwissenschaft ist hochprofessionelle Literaturkritik nach wie vor von Bedeutung. Doch das ist auch schon alles. Nach Sigrid Löffler bestimmen nämlich sie und ihresgleichen in vollendeter Selbstüberhöhung, was gute Bücher sind, ja, was Kunst und was "misslungen" ist. Und das darf sie aus ihrer Sicht auch, da sie - ein von ihr selbst benutzter Begriff - angeblich "legitimiert" ist.
    Das alles ist längst überholt, denn es spricht der Leserschaft (also denen, für die Bücher geschrieben werden) in ihren Meinungsäußerungen jeden Belang ab. Dass es leider unglaublich viele saudumme Buchbesprechungen von LeserInnen gibt ("Ich finde den XY in dem Buch aber sehr unsympathisch" ... etc.) ändert nichts daran, dass die Löfflers dieser Literaturwelt mit ihrem Ansatz kaum jemanden mehr erreichen.

  • Die Sache ist nicht ganz einfach.


    Denis Scheck ist kein Literaturkritiker. Er ist ein Journalist, der, durchaus engagiert, Bücher vorstellt, um sie an eine LeserInnenschaft zu bringen. Dabei hat er nicht nur Literatur, sondern auch Unterhaltungsliteratur im Blick. Er stellt Neuerscheinungen vor. Er wirkt unmittelbar auf den jeweils aktuellen Vertrieb von Büchern ein.
    Daran ist zunächst mal nichts Ehrenrühriges, das tun sehr viele ReadakteurInnen und JournalistInnen. Und das Publikum kann sich auch darauf verlassen.


    Es birgt allerdings eine Gefahr und die sieht man bei den Auftritten von Denis Scheck eigentlich ganz gut: er ist bei weitem weniger ernsthaft als in den Anfängen, die Orte, an denen er sich aufhält, sind recht exotisch, um Aufmerksamkeit zu erregen, die doch eigentlich den Büchern gelten sollte. Das Abfertigen von Titeln der Bestsellerlisten ist eine Clownerie.
    Er ist publikumswirksam geworden. Wahrscheinlich hat er 'Die Quote' im Nacken. Wieviel Zeit und Raum gestehen wir dem Buch eigentlich zu ohne Herumgehample?


    LiteraturkritikerInnen haben einen anderen Fokus. Sie müssen nicht publikumswirksam sein. Sie machen ein Angebot an ein Publikum. Um es wahrzunehmen, muß das Publikum sich mitunter durchaus strecken, es wird nicht bedient.
    Es ist nicht ihre Aufgabe, Neuerscheinungen für ein Publikum aufzubereiten. Das können sie auch tun. Aber sie lesen Neuerscheinungen eher, um selbst auf dem Laufenden zu sein, wohin sich bestimmte Richtungen in der Literatur entwickeln, sie konzentrieren sich oft auf bestimmte AutorInnen, um deren wachsendes Werk zu beobachten, sie analysieren Tendenzen, Strömungen, Einflüsse.
    Was sie darüber sagen, wirkt nicht direkt, aber indirekt durchaus auf den Literaturbetrieb und den Buchmarkt zurück.
    Wenn LiteraturkritikerInnen sich nicht mit Unterhaltungsliteratur beschäftigen, hat das damit zu tun, daß sie nicht das Instrumentarium dafür haben. Literaturwissenschaftliche, literaturtheoretische, sprachtheoretische Methoden und Techniken können Unterhaltungsliteratur nicht angemessen erfassen. Deswegen lassen LiteraturkritikerInnen die Finger davon. Sie mögen elitär klingen, aber tatsächlich kennen sie einfach ihre Grenzen.


    Warum ist es so wichtig, daß sie von der Bildfläche verschwinden? Warum stören sie so, daß man sie nicht mehr sehen und hören möchte? Warum muß man mit dem Finger auf sie zeigen und sie herabsetzen? Und was ist mit ihrem Publikum, klein, aber durchaus da? Soll es sich also einschränken, verzichten?
    Woher rührt die heftige Abneigung?



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus