Interview mit Sigrid Löffler

  • Zitat

    Original von JaneDoe
    Eine Sigrid Löffler bringt aber wahrscheinlich niemanden dazu, ein Buch zu lesen. Eine buzzaldrin aber schon ;-)


    Das hat Sigrid Löffler auch gar nicht vor:


    Zitat

    Zitat:
    Ich bin Kritikerin, keine Warenausruferin und auch nicht der journalistische Dienstleister oder gar der verlängerte Arm der Marketing-Abteilungen der Verlage. Mag sein, dass meine positiven Urteile vom Publikum als Empfehlung verstanden werden, doch ich betreibe keine Verkaufsförderung, ich versuche, die Qualität eines literarischen Textes zu ergründen und zu definieren.


    Und genau das ist der Unterschied zwischen professioneller Literaturkritik und dem, was Buchliebhaber betreiben. Ich möchte nämlich genau das, was Sigrid Löffler ausdrücklich nicht möchte: Leseempfehlungen geben. Und bekommen. Geht es nicht den Eulen hier auch genau darum: Meinungsaustausch und Buchempfehlungen?

  • Zitat

    Original von Josefa
    Ich hätte (vielleicht ebenfalls an Magali gerichtet) eine Frage, die vermutlich damit zusammenhängt:


    Ich nehme jetzt mal an, daß damit nicht (nur) die oben erwähnten Adressbücher gemeint sind ;-). Was bedeutet in diesem Zusammenhang "nicht-rezensierbar"? Nicht rezensionswürdig, okay, das könnte ich verstehen. Aber "nicht rezensierbar" bedeutet doch, es wäre gar nicht möglich, eine (echte) Literaturkritik dazu abzugeben, selbst wenn man es versuchte. Inwiefern?


    Josefa,


    ich versteh die Frage nicht ganz. Liegt es am Ausdruck? Rezensierbar versus rezensierwürdig?
    Oder an der 'überwiegenden Mehrheit'?
    Der geringere Teil der Neuerscheinungen ist literaturkritisch faßbar. Nicht weil sie schlecht sind, sondern weil auf sie die Kriterien nicht anwendbar sind, deswegen der offenbar fehlgegangene Witz mit dem Adreßbuch.
    Wir hatten wieviel belletristische Neuerscheinungen 2012? Die gesamte Titelzahl sank ein bißchen im Vergleich zu 2011, wenn ich recht weiß, gab es 2012 ein bißchen 91 000 Neuerscheinungen. Belletristik ist davon immer ein bißchen mehr als ein Drittel, ich habe die aktuellen Zahlen nicht. Kinder -und Jugendbücher werden gesondert gezählt, Literatur, also Schiller, Goethe und Thoman Mann z.B. auch. Bilderbücher auch.
    Dann gibt es noch Sach - und Fachbücher, die man zwar rezensieren kann, aber nicht literaturkritisch.
    Der größere Teil sind Schulbücher. Muß man wieder anders rezensieren.


    Das meinte ich. Sonst nichts.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Googol
    Hallo Magali,


    ich denke, deine These beruht auf einem Missverständnis, nämlich dem, dass es nur diese beiden Extreme gibt. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen einer durchschnittlichen professionellen Buchbesprechung und einer durchschnittlichen Amazon-Kritik, aber wieso sollte es einem gebildeten und belesenen Menschen nicht möglich sein, als unabhängige Blogger, also Online, ein Werk zu analysieren und einzuordnen, in genau der Ausführlichkeit und Qualität, die du von einem professionellen Literaturkritiker verlangst? Das mag die Ausnahme sein, aber gerade die Literatur ist da vielleicht tatsächlich demokratischer in der Art und Weise wie entsprechende Interessen und Talente verteilt werden, und Literaturkritik ist kein Profifußball: ein Amateurliteraturkritiker verzichtet nicht auf Millionen, sondern nur auf einen Presseausweis.


    Googol



    Googol,


    die Zuspitzung diente der Klärung des Unterschied Profi-Kritikerin/Amateurin.
    Natürlich ist es möglich, daß, wie Du es ausdrückst, gebildete und belesene Menschen online ein Werk analysieren und einordnen. Sie tun es doch auch.
    Deswegen sind sie trotzdem keine professionellen KritikerInnen, nehmen aber in Anspruch, genau das zu sein.
    Literatur ist keineswegs 'demokratischer' in der Art und Weise wie Interessen und Talent verteilt ist. Das gilt fürs Schreiben wie fürs Kritisieren.
    Profitum/AmateurInnenstatus hat nichts mit Demokratie zu tun.


    Irgendeine Ansicht ins Netz zu stellen ist doch nicht demokratischer und auch nicht undemokratischer, als sie im Rahmen einer Zeitung zu veröffentlichen. Dazu gehört noch einiges mehr, vor allem aber die Glaubwürdgkeit. Es muß überprüfbar sein.
    Bloß weil eine sagt, sie sei unabhängig, muß sie es noch lange nicht sein.
    Im Internet ist Demokratie zunächst mal Glaubenssache. Das sollte es sie aber nicht, oder?



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Josefa,
    ich versteh die Frage nicht ganz. Liegt es am Ausdruck? Rezensierbar versus rezensierwürdig?


    Genau darum ging es mir. Denn das sind ja nun zwei verschiedene Dinge, und mir fehlt das Hintergrundwissen, um zu begreifen, was Frau Löffler damit meint. "Nicht rezensierbar" heißt: das kann nicht rezensiert werden. "Nicht rezensionswürdig" heißt: das ist nicht wert, daß man es rezensiert.


    Frau Löffler hat ja ausdrücklich den ersten Begriff verwendet, und mir war nicht klar, weshalb. Ich denke, mit deinen Ausführungen komme ich der Sache aber allmählich auf den Grund :grin. "Shades of Grey" zum Beispiel ließe sich also deswegen nicht rezensieren, weil die Methode und die Kriterien, mit denen Literaturkritik arbeitet, nicht auf dieses Buch anwendbar sind. Wäre das korrekt?


    Daraus folgt dann allerdings, überspitzt ausgedrückt, daß Amteure und Profis sich in den meisten Fällen gar nicht ins Gehege kommen können. Profis rezensieren Literatur (was immer das auch bedeutet), und Amateure kommentieren das, was gelesen wird.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Josefa ()

  • Die Unterscheidung zwischen den "guten, weil unabhängigen" Literaturbloggern und den "schlechten, weil unkritischen" amazon-Rezensenten in den Kommentaren finde ich etwas sonderbar; denn häufig laden Blogger exakt den selben Text auf ihrem Blog, bei amazon und auf weiteren Plattformen hoch. Das klingt ein wenig nach: Wir sind die Guten. Es muss noch andere Unterschiede außer der Vorbildung eines Bloggers/Schreibers und dem Anbieter seines Webauftritts geben. Mit der Aussage, ein Literaturkritiker wählt aus, kommen wir der Sache schon sehr nahe. An - einigen - Bloggern kann ich nichts Unabhängiges finden, die im Prinzip alles belobigen, das von einem Buchdeckel zusammengehalten wird und ganz offensichtlich nicht auswählen, was sie vorstellen. Schick mir ein Buch und ich werde es loben.

  • Josefa


    Die Frage nach SOG ist gemein.
    :lache


    Löffler würde es als nicht rezensierbar betrachten und strikt literaturkritisch hat sie recht.
    Ich würde es als rezensierbar ansehen, würde aber auch soziologische und sozialpsychologische bis hin zu politischen Ansätzen miteinbeziehen, weil das Buch die Geschichte literarisch allein nicht faßbar ist.


    Grundsätzlich aber ist zu sagen, daß Unterhaltungsliteratur für LiteraturkritikerInnen ein Feld darstellt, das sie nicht betreten. Löffler sagt, daß sie das nichts angeht, das ist das Feld, das sie nicht beackert.
    Aber es gibt in der Literaturkritik auch kein ausreichendes Instrumentarium dafür. Unterhaltungsliteratur ist ein gesellschaftliches Phänomen, das weit stärker als Literatur von Konjunkturen abhängig ist, von Marktlagen, heutzutage oft einfach 'gemacht' ist.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Buchdoktor


    guter Punkt.
    Du hast völlig recht.


    Es gab letztes Jahr von Zoe Beck im Culturmag einen Kommentar zum BloggerInnen-Unwesen, Bücher abzugreifen und dann nicht zu rezensieren bzw. dies nur schlampig zu tun. Ein Verlag hatte sich ein bißchen gewehrt und die BloggerInnenszene aufgebracht.
    Ihr Kommentar ist sehr interessant, weil sie auch nachdrücklich auf die Verantwortung der BloggerInnen hinweist.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • :lache Dann habe ich's jetzt, glaube ich, kapiert.


    Auch wenn der Spötter in mir gerade den Vergleich zu einer Pharma-Firma ziehen möchte, die eine ganz tolle Arznei entwickelt hat und jetzt verzweifelt die Krankheit dafür sucht ...

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.


  • Okay, ich versuche es noch einmal anders: ja, Talent ist eine begrenzte Ressource.


    Wenn jemand tatsächlich Talent zum Schreiben von Prosa hat, da stimme ich wahrscheinlich mit dir überein, gehe ich davon aus, dass er oder sie es irgendwie schafft, traditionell verlegt zu werden. Und da jeder Autor unabhängig vom Talent gerne verlegt wird, ist das selber verlegen so beliebt. Alles ist schön demokratisch und es wird überhaupt nicht mehr differenziert, was ja auch dein Problem mit den Hobbykritikern zu sein scheint.


    Ich denke, da gibt es aber mindestens einen wesentlichen Unterschied: das konkrete Medium ist nicht mehr der besondere Anreiz für den Kritiker. Ein Prosaautor will das Buch, aber will ein Kritiker seine Kritik unbedingt in einer Zeitung abgedruckt sehen? Zieht es einen talentierten Literaturkritiker unbedingt zur (traditionell) professionellen Literaturkritik?


    Was das Wort "unabhängig" in meinen vorherigen Ausführungen angeht: da ging es mir nur zur Unterscheidung von Bloggern und Kritikern, die für ihre Beschäftigung bezahlt werden.

  • Josefa


    gemeine Fragen sind immer die besten.
    :lache


    Ähm, 'Spötterin', bitte. Ich habe dieses Feminismus-Leiden, unheilbar.



    Googol


    Du hast schon recht, daß es eine Kritikerin nicht unbedingt zur gedruckten Zeitung ziehen muß.
    Wenn sie aber einfach so im Internet auftaucht, dann fehlt ihr das, was Löffler unter 'Legitimation' faßt. Sie kommt aus dem Nichts, erzählt etwas und es kann nicht überprüft werden. Es kann verändert werden, Texteile können verschwinden, neu geschrieben werden, einen ganz anderen Sinn bekommen. Kommentare können unterdrückt werden.
    Alles hängt an einer einzigen Person.
    Finde ich hakelig.


    LiteraturkritikerInnen arbeiten übrigens nicht nur für eine Zeitung, sondern für mehrere und auch für unterschiedliche Medien, Radio, Fernsehen. Sie schreiben auch Bücher, halten Vorträge, unterrichten, es ist ein vielfältiger Beruf.


    Mit dem Schreiben ist der Beruf einer Kritikerin schwer vergleichbar. Und Talent führt leider nicht unweigerlich zu einem Verlag, nicht vorhandenes Talent allerdings unweigerlich zu Selbstverlag, was dann wieder die talentierten SelbstverlegerInnen in Mißkredit bringt.


    Ich habe keinerlei Problem mit HobbykritikerInnen. Ich kenne sie gut und weiß, wie ich sie einzuschätzen habe. Gleich, welcher Couleur.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Ähm, 'Spötterin', bitte. Ich habe dieses Feminismus-Leiden, unheilbar.


    Ich fürchte, ich bin bekennender Chauvinist *) - alle meine schlechten Eigenschaften definifiere ich instinktiv als männlich. :grin


    *) Ja. Auch männlich.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Ich darf dann mal für mich schlussfolgern:
    Ein Laienurteil ist unerwünscht.
    So darf ich beispielsweise keine Gartentipps geben - denn es gibt ja Gärtner, also Fachleute.
    Bei Rechtsfragen haben sich Nichtjuristen gefälligst rauszuhalten.
    Medizinische Statements sind nicht mehr gestattet - man ist ja schließlich kein Arzt.


    Überlassen wir die Welt doch den Fachleuten.
    Und äußern uns nicht zu Dingen die nicht in unser Fachgebiet fallen.


    Was mich aber tröstet:
    Weiland im "Literarischen Quartett" hat MRR die Frau Löffler auch nicht ernst genommen. Und warum sollte ich sie denn ernst nehmen?

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Tilia Salix
    Nein Voltaire. Ein laienurteil ist durchaus erwünscht, so lange es sich nicht für ein Fachurteil hält.
    Ein kleiner, aber gewichtiger Unterschied ;-)


    Die "Laien-Urteile" werden von dieser Sigrid Löffler aber pauschal abgewertet.
    Ansonsten geht mir das arrogante Gebrabbel hier ziemlich auf den Senkel. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Die "Laien-Urteile" werden von dieser Sigrid Löffler aber pauschal abgewertet.


    Wirklich? Ich lese da durchaus Differenziertes:


    Zitat

    Zitat: Die wenigen weißen Schafe ernstzunehmender Literaturkritik in Online-Medien können nicht über die vielen schwarzen oder grauen Schafe hinwegtäuschen.


    Zitat

    Original von Voltaire
    Ansonsten geht mir das arrogante Gebrabbel hier ziemlich auf den Senkel. :wave


    Und ich wünsche mir so manches Mal, es möge etwas mehr vom Original* im Eulen-Voltaire stecken. Offenbar ist uns beiden nicht zu helfen. ;-)



    * "Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können."


  • Was soll denn jetzt diese persönliche Anmache? Krieg? Herzlich gern - wenn gewünscht. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.