Sandra Morgenstern - eigentlich will ich leben!

  • Kurzbeschreibung Amazon:
    Aus Patientensicht: Das Innenleben einer jugendpsychiatrischen Klinik »Erst wollte ich nicht einsehen, dass ich ein Problem habe. Dann haben mir gute Freunde geraten, professionelle Hilfe zu suchen. Das habe ich getan, und nun habe ich viel verstanden und es geht mir wieder gut.« - So etwa liest sich wohlmeinend aufklärende Jugendliteratur zu Themen wie Sucht, Angst und Depression.Ganz anders liest sich Sandra Morgensterns Erzählung, die sie mit 16 Jahren auf der Grundlage eigenen Erlebens zu schreiben begann. Teils wohlwollend, teils mit harter Kritik schildert sie die verborgene Dynamik des Klinikalltags, die so tief in das Leben der Jugendlichen eingreift. Dem Leser wird vor Augen geführt, wie groß der Unterschied ist zwischen den wohlgesetzten, stimmig klingenden Theorien der Therapieerfinder und dem, was in der Praxis bei den Jugendlichen ankommt.



    Buchrückseite:
    Lisa und Diana, beide 16 Jahre alt, begegnen sich in einer jugendpsychiatrischen Klinik. Sie sind freiwillig dort. Lisa leidet unter Panikanfällen, sie ist ernst und bedrückt, die Welt erscheint ihr leer. Diana leidet unter quälenden Erinnerungen, sie verletzt sich selbst mit einem Messer, und sie spielt mit dem Gedanken an Selbstmord. Die beiden Mädchen werden bald Freundinnen und erleben den Alltag in der Klinik gemeinsam. Sie teilen sich ein Zimmer, treffen sich mit den Anderen in der Raucherecke der Station und sind zusammen unterwegs.
    Als Diana sich in einen Jungen verliebt, drängen Erinnerungen an unerträgliche Erlebnisse und an einen schmerzlichen Verlust sich zwischen sie und ihren Freund.


    Während die gehorsame Lisa in der Klinik gut zurechtkommt und allmählich Fortschritte macht, gerät die nachdenkliche und oft eigenwillige Diana immer tiefer in einen Machtkampf mit Betreuern und Therapeuten. Insgeheim hofft sie auf Zuwendung und einfühlsames Verständnis, statt dessen wird sie immer härter dafür bestraft, dass sie sich in manches, das sie für sinnlos hält, nicht so recht fügen will.


    Ausgehverbote, Stubenarreste, Strafarbeiten ... alles wird schlimmer und schlimmer. Die Klinikleute, die so gerne Verhaltensfertigkeiten (Skills) predigen, besitzen selber keine, um den Teufelskreis zu stoppen, sondern bringen Diana für einige Tage in die geschlossene Abteilung, wo sie geschickt taktieren muss, um wieder freigelassen zu werden. Dann spitzt sich alles zu.



    Über den Autor:
    Sandra Morgenstern, geboren 1987, war gerade 16 Jahre alt, als sie diese sehr wirklichkeitsnahe Erzählung zu schreiben begann. Sie kannte sich gut aus, denn sie hatte ihre eigenen Erlebnisse mit den verschiedenen Spielarten der Jugendhilfe, einschließlich einer Klinik für Jugendliche wie sie in dieser Erzählung beschrieben wird Aus ihren Erfahrungen zieht sie Nutzen für ihren Berufsweg, dem sie im Anschluss an ihr Fachabitur (2006) mit einem Studium an einer Fachhochschule für Sozialarbeit eine Richtung gibt.




    Meine Meinung:
    Die 16-jährige unter Panikattacken leidende Lisa, trifft in der Kinder- und Jugendpsychiatrie auf die ebenfalls 16-jährige Diana, die ihr den Anfang auf der Station und den Einstieg in die Gemeinschaft erleichtert.
    Lisa, still und zurückhaltend, freundet sich mit der temperamentvollen und fröhlichen Diana schnell an und lebt sich in der Klinik gut ein. Folgsam und aufgeschlossen erlebt sie die Therapeuten und Betreuer als Hilfe und Stütze. Der Umgang mit der Gruppe, die sie annimmt und versteht, tut ihr gut.
    Die toughe Diana, äußerlich cool und immer für andere da, verbirgt ihr verletzliches Inneres fast perfekt, während es sie eigentlich quält. Um Herr über ihre Gefühle und schlimmen Erinnerungen zu werden, erleichtert sie sich durch Selbstverletzungen durch Messer und Schläge gegen sich selbst. Von Selbstmordgedanken begleitet und Versuchen der Grenzsetzungen der Betreuer unter Druck, gerät Diana in eine Spirale des Kräftemessens mit dem Personal. Ihren stummen Hilfeschreien begegnet dieses mit Verboten, Strafen und weiteren Druck, der sie an allem zweifeln lässt bis die Situation eskaliert. Hilfe annehmen, eine Fähigkeit, die Diana nicht besitzt, so trifft sie einen folgenschweren Entschluss...


    Sandra Morgenstern begann im Alter von 16 Jahren mit dem Schreiben ihres Erstlingswerks, welches den Leser durch Sensibilität und Einfühlungsvermögen beeindruckt. Anschaulich beschreibt sie den Alltag in einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik und überzeugt durch authentische Charaktere auf beiden Seiten: Patienten wie Pflegekräfte kommen glaubhaft und realistisch beim Leser an. Probleme und Situationen erwecken schnell den Eindruck im Geschehen dabei zu sein. Wecken Verständnis und lassen teilnehmen an Ängsten, Verzweiflung, Hoffnung und der Gemeinschaft auf der Station.
    Die Autorin schafft es dem Leser eindrucksvoll zu vermitteln welchen Weg die Protagonisten bestreiten, wie ihre Gefühlswelt und das Erleben der Grenzen innerhalb ihrer Erkrankungen empfunden und oftmals nicht verstanden werden.


    Fazit:
    Ein fesselndes Buch für Jugendliche und auch Erwachsene, Betroffene, Angehörige und Interessierte, das den Leser an der Handlung teilhaben lässt ohne in Klischees oder Belehrungen abzurutschen.


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