Études - Friederike Mayröcker

  • Suhrkamp 2013
    196 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Etüden nennt Friederike Mayröcker ihre prosaischen Gedichte und lyrischen Prosastücke, Studien also, "Fetzchen" auch, wie sie sagt, splitternd, brüchig und aufs höchste konzentriert, die Sprache zugespitzt aufs Wesentliche allein, der Entgrenzung von Raum und Zeit, der Transposition des gelebten Augenblicks in ein ewiges Hier und Jetzt. Allesamt sind es Variationen auf die Vergänglichkeit des Irdischen ein Motiv, das längst zum beherrschenden im sich unaufhörlich radikalisierenden Alterswerk der Wiener "poeta magica" geworden ist.


    Über die Autorin:
    Friederike Mayröcker, Jahrgang 1924, ist eine besessene Vielschreiberin und Sprach-Experimentiererin, die mit den Methoden der freien Assoziation und der surrealistischen Collage arbeitet und deren dichterisches Werk über 80 Bände umfasst. 2009 wurde sie mit dem Hermann-Lenz-Preis geehrt. 2011 bekam sie den Bremer Literaturpreis.


    Mein Eindruck:
    Bei études handelt es sich um stark verrätselte Prosagedichte, die die Sprachkünstlerin Friederike Mayröcker zwischen Dezember 2010 und Dezember 2012 geschrieben hat. Es ist also auch eine Journal-Form (Cahier).
    Die Mischung aus Gedicht und Prosa lehnt sich laut eigener Aussage der Autorin an den französischen Dichter Francis Ponge an.
    Man darf also keine Handlung erwarten, vielmehr ist die Sprache selbst das wichtigste für die Autorin, vermengt mit alltäglichen Eindrücken und Erinnerungen. Hervorstechendes Merkmal ist die Verinnerlichung.


    Das Buch ist außerdem vom Philosophen Jacques Derrida und moderner Kunst sowie alter Musik beeinflusst.


    Zunächst fehlt dem Leser ein Schlüssel zu den Texten, denen nicht selten Anfang und Ende fehlt. Mayröcker verknappt ihre Sprache in diesem Buch bis zum Extrem, oft führt sie nicht weiter aus sondern lässt nur ein usw. folgen.
    Einzelne Wörter sind unterstrichen, um deren Bedeutung zu erhöhen, doch ohne dass sich sofort eine Erklärung anbietet. Mayröcker bringt selbst das Wort bricolage ein, also eine zusammengebastelte Sprachwelt.


    Da bleibt oft ein Unverständnis für einige Texte nicht aus.
    Es gibt aber auch Passagen, wo ein direktes Verstehen nicht erforderlich ist, da die Sprachbilder selbst sprechen, zum Beispiel das Bild von den gebundenen Schneeglöckchen, die Mayröcker wiederum zur Totenglocke führt, das an das Epos “Glas” des Philosophen Jacques Derrida angelehnt ist .
    Die Autorin nimmt mehrmals Bezug auf den Lyriker Thomas Kling, und so wundert die experimentelle Sprachakrobatik schon weniger. In vergangenen Zeiten hätte man vielleicht von Dadaismus und Surrealismus gesprochen. Oftmals musste ich an Oskar Pastior denken.


    Aufgebrochen wird die innere Geschlossenheit, wenn die Autorin Zitate einbaut, von Robert Walser, Elke Erb, Jannis Ritsos etc.


    Die fast neunzigjährige Autorin arbeitet mit Sprache und Assoziationen in hohem Maße, wie es kaum einem anderen Autor zuzutrauen ist.


    Études zeigt eindrucksvoll, dass Literatur nicht nur aus Inhalt besteht!


    ASIN/ISBN: 3518423991