Nur Freunde II

  • Er
    Sie war mit dem Auto ihres Bruders gekommen. Der silberne Cabrio glänzte in der Sonne und die Sonne glänzte in ihren Haaren. Nur ihre Augen glänzten nicht wie sonst. Sie sah traurig aus. Irgendwie gestreßt mitgenommen, kaputt. Sie warf mir die Schlüssel zu. Wie immer, unser Ritual, sie organisiert das teure Auto, ich fahre, sie rutscht rüber auf den Beifahrersitz. Sie fährt nur selten, wenn ich was getrunken habe oder ... nein kein oder, nur dann. Dabei fährt sie gut. Sie ist die erste Frau bei der ich mich sicher fühle. Sie ist keine über Außenspiegelrückwärtsfahrerin. Wenn sie fährt, hat sie was männliches an sich. Sie fährt souverän und schnell. Ja am liebsten schnell.


    Aber heute bin ich es der am Steuer sitzt. Ich bin wütend auf sie, versuche sie zum Reden zu bringen indem ich fahre wie irre. Wir fliegen durch die Kurven. Aber sie schweigt, hält sich nicht mal am Griff der Türe fest, als wir mir quietschenden Reifen durch eine Kurve driften. Sie macht mich rasend mit ihrer Schweigsamkeit. Ich plapper sinnloses Zeug daher. Will sie vom Reden abhalten und doch muß ich es wissen, was sie so hartnäckig zu verschweigen versucht.


    Langsam verstehe ich, warum sie keine Angst hat wenn ich fahre, wie der letzte Henker. Sie vertraut mir, bedingungslos, sie weiß ich würde nie etwas tun, was sie in Gefahr bringen würde. Nie? Nun, ich habe ihr auch vertraut. Keine Lust auf Beziehungen, hat sie gesagt, ich hab es hingenommen. Ich bin ihr Freund, ihr kleiner Bruder, Selenverwandter, alles nur nicht, der der ich sein will. Kleiner Bruder, ha 6 Monate älter als sie bin ich.


    Wieder reiße ich das Steuer herum, biege in einen Feldweg ein. Ich weiß er endet in einer Sackgasse. Ich beschleunige. Ich weiß, daß sie weiß, daß der Feldweg an einer Brückenwand endet. Trotzdem sitzt sie gleichgültig neben mir und sieht aus dem Fenster der Sonne nach. Die Brücke taucht auf. Ich gehe vom Gas. Ich kanns nicht. Sei sieht mich an. Ihre Augen schimmern in einem tiefen dunkeln grün. Sie streicht sich die Haare aus dem Gesicht.


    „Was tust du?“ Fragt sie mich, ruhig, gelassen nur die drei Worte, dann schweigt sie wieder. Ich antworte nicht. Mein Blick fällt auf die Ecke der Brücke, wo eine meiner Dummheiten für immer aufgesprüht ist. Ein blaues Herz, rote Buchstaben, ihr Name. Ich war immer schon gut im sprayen, das hier war mein letztes, für sie. Ich mußte ihr schwören, es nie wieder zu tun. Ich hab mich an meinen Schwur gehalten.


    Sie sieht es an. Lächelt traurig. „Dummer Junge, laß uns woanders hinfahren.“ „Nein, ich will daß du mir hier sagst, was du zu sagen hast.“
    Sie reißt ihre ohne hin schon viel zu großen Augen auf.“Woher willst du wissen, daß ich was zu sagen habe?“
    „Ich weiß es.“ Sie nickt langsam. „Du hast Recht.“
    Die ersten Sterne tauchen am Himmel auf. Sie dreht ihren Sitz zurück, legt sich auf den Rücken und starrt in den Himmel. „Weißt du, ich hab ihn wieder getroffen.“ Ich brauche nicht fragen wer er ist, ich weiß es. Zu oft war sie in letzter Zeit weg, übers Wochenende mal eben zu ihm. Meine Hände krallen sich um das Lenkrad. Ihre Hand stiehlt sich in meinen Nacken, spielt mit meinen Haaren. Ich sehe sie trotzig an. „Und?“ „Weißt du, wir wollen es versuchen. Ich mag ihn.“ Ich nicke, langsam dringt in mein Hirn vor, was ich versucht habe zu verdrängen.


    Ich habe Wochen, Monate gewartet, daß sie diese Worte zu mir sagt. „Laß es uns versuchen.“ Sie hat sie nie ausgesprochen. Wir waren nur Freunde. Ich habe keinen Anspruch auf sie. Trotzdem weine ich jetzt. Dabei sollte ich mich doch freuen, daß sie und er glücklich sind. Ich kann es nicht.


    Ich starte den Motor. Fahre langsam und vorsichtig nach Hause. So als hätte ich Angst, ihr Vertrauen plötzlich zu mißbrauchen. Eben wollte ich uns noch gegen eine Brücke fahren, jetzt bete ich, daß ihr nie etwas passiert mag. Ich halte vorm haus, steige aus. Schiebe meine Sonnenbrille hoch. Sie sieht meine rot geränderten Augen, meine Tränen. Sie legt ihre kleine kalte Hand mit dem neuen Ring, an meine Wange. Ob der wohl von ihm ist? „He, es ändert nichts an uns.“ Weiß sie denn nicht, daß das das Problem ist. Daß sich nie was an uns ändert.
    Daß es all meine Hoffnungen kaputt macht? Ich schmeiße die Wagentüre mit Schwung zu. „Wenn er dir weh tut, bring ich ihn um.“ Sie nickt. „Das weiß er.“
    Ich lasse sie stehen, dreh mich nicht mehr um. Gehe weg, weg von ihr.