Man nehme... Zutaten für Krimi, Fantasy & Co.

  • Praktisch jedes Buch wird heute einem Genre zugeordnet. Das macht es leichter auffindbar für die Zielgruppe und hilft bei der Vermarktung.


    Ich habe mich in diesem Zusammenhang gefragt, ob es innerhalb der gängigen Genres klar umrissene Dos or Don'ts gibt, also Zutaten, die nicht nur für die Zuordnung entscheidend sind, sondern vielleicht sogar zwingend. Also essentielle Kriterien.


    Muss z.B. ein Fantasy-Roman die folgenden Bestandteile aufweisen:


    - fremde Welten
    - fremde Wesen
    - Magie
    - die kriegerische Heldin/der geschundene Held?


    Welche Zutaten machen einen Thriller/ChickLit/Historischen Roman/Sci-Fi erst aus?


    Klar, es gibt Grauzonen und Crossovers, aber auf welchen gemeinsamen Nenner kann man die gängigen Genres reduzieren?
    Und: Werden diese Zutaten sowohl von den Lesern als auch von den Verlagen erwartet?

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • In einem Chicklit-Roman ist es (leider) meist üblich, eine tollpatschige, aber liebenswerte Protagonistin zu haben. Dazu kommt dann meist noch ein grundlos beutelndes Schicksal und Mr. Right, der von Anfang an irgendwo im Hintergrund rumkraucht, bis er entdeckt und geliebt wird.


    Bei Jugendfantasy gibt's meist eine selbstbewusste und starrköpfige oder schüchterne und dadurch in ihren Handlungen komplett gelähmte Protagonistin, die dann plötzlich in eine fremde Welt kommt, wo sie auf einmal totaaaaaaal wichtig ist, weil sie die verloren geglaubte Tochter des Königs/heimliche Heldin/königliche Schuhputzerin (Nichtzutreffendes bitte streichen) ist und dann irgendwie die Welt rettet, obwohl es "daheim" keiner mitbekommt.


    Soll heißen: diese Stereotype existieren, viel zu viel, und nerven gigantisch. Richtig interessant wird es erst dann, wenn diese Gerüste mal durchbrochen werden. :-)

  • Also, wenn ich mal böse sein darf:


    Historischer (Mittelalter-)Roman für Frauen:


    1.) jugendliche Heldin, die aus beiläufig (oder gar nicht) zu erwähnenden Gründen außerordentlich emanzipiert und selbstbewußt auftritt (gerne geschult in Schwertkampf oder Bogenschießen)
    2.) böser Erzfeind (der natürlich eigentlich unheimlich scharf auf Nr. 1 ist)
    3.) strategisch platzierter edler Recke, mit dem's am Ende zur Verlobung kommt
    4.) mindestens ein lüsterner Kleriker (kann, muß aber nicht mit Nr. 2 identisch sein)
    5.) mindestens eine Hebamme, Kräuterkundige oder sonstige "weise Frau", die es schafft, einen ganzen Roman lang mutterseelenallein in einem verfallenen Haus mitten im Wald zu überleben (und zwar von jeder Obrigkeit unbehelligt), ohne je etwas anderes zu tun als Kräuter zu schnippeln und Pilze zu sammeln. Gerne auch mit einem Schuß "germanischer" Götterglaube oder einem Tiergefährten, wie man das halt aus Rollenspielen so kennt.
    6.) ein oder zwei zeitgenössische VIPs, damit der Leser auf Wikipedia was zum Nachschauen hat, und
    7.) ein längerer Dialog über ein Thema, das dem Leser hoffentlich im Zusammenhang mit dem Setting des Romans aus dem Geschichtsunterricht noch bekannt vorkommt

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • @ Dori:


    Sehr treffend zusammengefasst. :fingerhoch


    @ Josefa:


    Das ist nicht böse, das sind leider Tatsachen.


    Du hast noch vergessen, dass die Heldin irgendeine Sonderbegabung wie Totenwäscherin, Schokoladenkocherin oder Wachskreideanspitzerin mitbringt.

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



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    (Danny Kaye) :flowers

  • Zitat

    Original von magali
    :rofl :rofl


    Danke, Josefa.
    :anbet


    Von einer, die historische Unterhaltungsromane schrecklich findet, aber so was von!


    Gern geschehen, magali!


    (von einer, die historische Geschichten schreibt und liest :brief :grin)


    Edit, @ Alice: Da stimmt natürlich. Vermutlich gibt's da noch etliche Klischees mehr - Hexenverbrennung? Inquisitor? Bißchen Schwertgefuchtel schadet auch nicht.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Josefa ()

  • Josefa


    ich weiß, daß Du das tust.
    Ich lese auch hin und wieder historische Romane, aber keine zeitgenössischen historischen Unterhaltungsromane. :grin


    Vor fast auf den Tag genau zehn Jahren habe ich hier im Forum eine kurze Zusammenfassung des damaligen Stands für skandinavische Krimis geschrieben. Die hatte ich damals grad aufgegeben, weil es immer dasselbe war.


    Ich zitiere mich:


    Manchmal hatte ich schon fast das Gefühl, es gäbe in den Verlagen ein 'Rezeptbuch skandinavischer Krimi': Man nehme graue Wolken, kalten Wind, eine geschiedene Ehefrau, 1-2 mittelgroße vernachlässigte Kinder und rühre vorsichtig um. Dann füge man eine traurige Leiche mit Blut nach Geschmack, heruntergekommene Straßenzüge, öde Landschaft und ein miefiges Polizeirevier dazu. Kleingeschnittene Weltprobleme, Alkoholismus und etwas Sex als Würze. Zum Schluß einen weinerlichen Mörder dazusieben. Wenn der Teig zu flüssig ist, darf er auch ein bißchen Größenwahn aufweisen. Alles in die Form und backe daraus einen übergewichtigen, leicht ungepflegten Kommissar, mit melancholischer Grundstimmung, der Jazz hört und Rotwein säuft.
    Einspruch des Autors:Darf er nicht Beatles hören und Weißwein haben? Mal in der Sonne am Strand mit den Kindern spielen? Eis essen an der Straßenecke?
    Verlag: UNSKANDINAVISCH!


    Damals war ich naiv und dachte, ich machte eine Witz. Heute bin älter und weiß Dinge übers Bücher machen, von denen ich immer noch nicht weiß, ob ich sie tatsächlich wissen möchte.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Im Historischen kenne ich mich ja nicht so aus, auch nicht im Chicklit, aber den einen oder anderen Regionalkrimi habe ich schon gelesen.


    Der Mordfall sollte kurios sein, aber nicht zu grauslig. Das Opfer darf also gerne vom Staket durchbohrt tot überm Zaun hängen, aber keinesfalls mit von Gedärm umwickelten Hals, wie in amerikanischen Gerichtsmediziner-Thrillern, gefunden werden. In die Auffindesituation muss unbedingt einer prominenten Örtlichkeit der entsprechenden Region eingebunden werden. Eine Burg ist nicht schlecht, da sich da auch gleich eine Hellebarde oder sonstiges mittelalterliches Kriegsgerät als Mordwaffe anbietet, aber auch eine mittelberühmte landschaftliche Attraktion (Berggipfel, Schlucht, Talsperre) kann als Tat- bzw. Leichenablageort dienen. Oder aber eine andere lokale Sehenswürdigkeit, das Kunstgussmuseum Lauchhammer, das Weltraumzentrum in Morgenröthe-Rautenkranz oder das Schiffshebewerk in Niederfinow. Auf jeden Fall muss der Tat/Fundort schon mal Hinweise auf das Motiv liefern, denn der Mord muss auf jeden Fall Bezug zu dieser regionalen Besonderheit haben.
    Der Ermittler ist tendenziell ein Eigenbrötler, auf dem Klappentext gerne kauzig genannt, mit mindestens einer Macke quasi als Alleinstellungsmerkmal. Das mag ein, zumindest für die Durchschnittsleser, seltsames Hobby sein, eine exotische Phobie oder eine kuriose Leidenschaft.


    Sehr wichtig im Regionalkrimi ist auch eine ausführliche Beschreibung der Topografie. Der Ermittler fährt nicht einfach von Albrechtshain nach Beucha, nein, er unterquert die Autobahn und passiert den Autobahnsee, der romantisch umnebelt im Morgenlicht liegt, fährt am Feuerwehrhaus vorbei und biegt kurz hinter die Post ins Neubaugebiet ein. Das schafft Authentizität.
    Da eine weitere wichtige Komponente heimatlicher Verbundenheit regionale Spezialitäten sind, muss in einem Regionalkrimi auch zwingend gegessen werden, und zwar nicht Spagetthi mit Tomatensoße. Nein, es müssen seltsame Gerichte mit in weiten Teilen Deutschlands unbekanntem Namen sein, saure Kutteln in Schwaben, Labskaus eher im Norden.


    Es muss noch erwähnt werden, dass ein deutscher Regionalkrimi nicht unbedingt im Hunsrück oder Ostwestfalen spielen muss. Man nehme sich ein bretonisches Pseudonym, ersetze Bregenwurst durch Andouille und verlege die Handlung von Neustadt an der Orla nach Port Nicolas: ruckzuck hat man einen typischen deutschen Regionalkrimi, auch wenn der pro forma in der Bretagne spielt.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • @N8chteulchen: Zum Thema Vampire wurde hier mal alles gesagt: Tom


    Josefa : Tolle Zusammenfassung!! :anbet Ich hätte da vielleicht noch den Punkt auzubieten: Vollkommen ausweglose Situation für die mutige Heldin, weil die bösen Männer um sie herum übermächtig sind (damit meine ich allerdings nicht übersinnlich). :grin

  • Ich hätte Arztromane anzubieten...
    :rofl Ich war 11 oder 12 als mir eine Tante einen Karton mit ihren alten Arzt-Romanheftchen schenkte, von denen ich mir gefühlt 100 Stück nacheinander "reinzog", bis ich bemerkte, dass letztlich alles irgendwie ähnlich klang:


    Sie, die wunderschöne und immer irgendwie geheimnisvoll traurige Krankenschwester mit einem möglichst klangvollen Namen wie z.B. "Donata von Walden" verrichtet aufopferungsvoll ihren Dienst in der schönen Privatklinik von Prof. Dr. von Adelstitel. Nebenbei pflegt sie zu Hause ihre bösartige alte Tante, die sie aus Dankbarkeit nur drangsaliert, ihr das Leben schwer macht und ihr ständig einredet, wie unscheinbar und hässlich sie ist.


    Als eines Tages der neue wunderbare Chefarzt (ebenfalls mit klangvollem Namen ausgestattet wie z.B. "Armand") die Bühne betritt, haben alle Schwestern nur noch Augen für ihn, sogar Donata errötet, wenn er mit wehendem Kittel vorbei eilt.


    Doch fast sofort wird er von der intriganten Oberschwester (mit klanglosem Namen wie z.B. Hedwig) in Beschlag genommen, die allen zeigt "Der Kerl gehört mir". Donata leidet tapfer und bemerkt gar nicht, dass Armand sie ständig beobachtet.
    Der Mann könnte ihr mit dem Fernglas in die Augen schauen, sie würde es auf keinen Fall bemerken...
    Komischerweise ist das sonst so sanfte Lamm bei ihn immer kratzbürstig und in jedem, aber absolut jedem Roman, wird sie plötzlich und unvermittelt von ihm geküsst, worauf sie ihm eine knallt.
    Haaa, nun könnte man denken, er würde sich von ihr abwenden - das tut sie auch und leidet brav weiter, doch der Gutste hat nur sie im Sinn, auch wenn er Arm in Arm mit der Oberschwester gesehen wird, die allen etwas von einer bevorstehenden Verlobung erzählt.
    Das wiederum bekümmert Donata so sehr, dass sie tränenüberströmt durch strömenden Regen und peitschenden Wind läuft und davon eine Lungen- und eine Blinddarmentzündung bekommt.
    Nun ist wiederum Armand krank vor Sorge um sie, und rettet ihr das Leben indem er ihr in einer dramatischen Rettungsaktion im Gewächshaus der Klinik mit einem rostigen Messer oder einem Kugelschreiber einen Luftröhrenschnitt verpasst. (Der Luftröhrenschnitt ist Pflicht für jeden, der in einem Arztroman mitmachen will).
    Nun erkennen sie beide, wie sehr sie einander lieben und erklären sich jede einzelne missverständiche Situation der letzten 125 Seiten ausführlich und erkennen, dass er immer nur sie geliebt hat. Fortan darf Donata die Mutter seiner Kinder werden, während Hedwig sich grummelnd verzieht. Die Tante wird irgendwie bei aller Liebe ganz vergessen...