Nur Freunde....
Seine weißen Zähne blitzen mir entgegen, als er grinsend vor der Türe steht. „Na? Fertig??“ Ich flitze ins Bad, „Ja, sofort nur eben schrbschrsch.“ „Was?“ „Zschähneputschen!“ Mit der Zahnbürste im Mund komme ich zurück in den Flur und schrubbe munter meine Beißerchen. Er greift, wie immer zu meiner Haargeltube und zupft an seinen Haaren herum. Nicht, daß es da viel zu zupfen gäbe, die kurzgeschorenen Ringellöckchen machen sowieso was sie wollen. Ich grinse und beobachte ihn heimlich von der Seite, wie konzentriert er in den Spiegel schaut. Ich spucke ins Badezimmerbecken gurgel mit Wasser nach, stell die Zahnbürste in ihren Becher und zieh rasch nochmal meine Lippen nach. Dann drück ich ihm zur Begrüßung einen Kuß auf die Stirn. Ich muß mich ein wenig auf die Zehenspitzen stellen, um soweit hoch zu reichen, aber es funktioniert gerade so. Er lächelt wieder breit: „Gut schaust du aus!“ „Du auch! Kann es los gehen?“ Ich streiche der Katze zum Abschied über den Kopf und wir verlassen die Wohnung, steigen hintereinander die Stufen herunter und ich merke, das er mir grinsend auf den Po schaut, sage aber nichts. Er darf das.
„Mein Auto? Dein Auto?“ „Dein Auto, bei meinem ist der Tank leer.“ Ich seufze und gucke ihn tadelnd an: „ Wann ist er das mal nicht?“ „ He, nicht gehässig werden, mein Lebensstil ist halt teuer, die ganzen Mädels wollen ausgehalten und verwöhnt werden.“ Lachend winke ich ab und steige in mein Auto ein. Er drückt sich in den Beifahrersitz und spielt sofort am Radio rum. „Himmelherrgott, was du immer für Musik hörst..... richtig ätzend.“ Er wühlt in seiner mit Absicht halb zerrissenen Jeansjacke und fördert eine CD zutage. „Das hier ist Honig für die Ohren!“ Er schiebt sie in den Player und dreht die Lautstärker hoch, Bässe dröhnen aus meiner Anlage, kurz hab ich Angst, er sprengt die teuren BOSE-Boxen. Aber nichts passiert und wir fahren los.
An Unterhaltung ist bei der Lautstärke nicht zu denken, aber das brauchen wir auch gar nicht. Das tolle an unserer Freundschaft ist, das wir auch zusammen schweigen können. Das ist wichtig. Wenn Schweigen Unwohlsein auslöst, dann stimmt irgendwas nicht. Wir können uns Stunden lang anschweigen und fühlen uns trotzdem wohl. Er räkelt sich auf seinem Sitz.
Nach kurzer Fahrt rollen wir auf den Parkplatz. Der Parkplatzwächter winkt uns. Natürlich wieder irgendein Bekannter von ihm. Es gibt glaub ich niemanden, den er nicht kennt, nichts was er nicht durch Beziehungen irgendwo günstig bekommen könnte. Er winkt zurück und wir parken umsonst auf dem bewachten und beleuchteten Teil. Gemeinsam gehen wir in Richtung Eingang. Die Musik dröhnt bis draußen. Einige Jugendliche stehen rauchend am Zaun. Er nimmt meine Hand und grinst mich an. Ich lächel zurück und frage mich, warum er das tut. Irgendwie lösen größere Menschenmengen immer das Bedürfnis in ihm aus, auch nach außen zu zeigen, daß er mit mir da ist.
Der Türsteher ein muskelbepackter Riese begrüßt ihn mit Handschlag und drückt mir unbeholfen einen Kuß auf die Hand. Lachend werfe ich den Kopf in den Nacken und lasse meine Haare im Wind flattern. Er zieht mich weiter und zischt mir zu „Mit dem brauchst du gar nicht flirten, der ist eh schwul.“ „Oh wie schade“, seufze ich gespielt traurig und werfe über die Schulter einen Blick zurück. Der Muskelmann winkt mir zu und zwinkert. Wir schieben uns durch die zuckenden und tanzenden Teenies, auf unseren Stammplatz zu. An der hinteren Wand der Disco befindet sich eine Art Podest, von wo aus man die Tanzfläche gut im Blick hat und was vermutlich noch wichtiger ist, selbst auch gut gesehen wird.
Ich lehne mich gegen eine Säule und streiche mir die Haare aus dem Gesicht. „Was trinken?“ fragt er. Ich nicke und will ihm Geld zu schieben. „Ne, brauch ich nicht,“ deutet auf die Theke. „Die kleine Blonde hinter der Theke steht auf mich.“ Ich zucke mit den Schultern und schieb mein Geld wieder weg. Kaum ist er im Gewühl verschwunden rücken die Kerle näher. Irgendwie löst eine allein herum stehende Frau in einer Disco immer ein Zusammenrücken aus, wie ein Magnet rücken die Kerle näher. Es dauert 2 Minuten, da steht der erste vor mir. Dabei hatte ich schon extra ziellos über die Tanzfläche hinweggestarrt, um bloß niemandem das Gefühl zu geben, ich würde ihn ansehen. Naja, ein paar Schmerzfreie gibt es immer.
„Na Kleine, willste was trinken?“ Er stützt sich lässig an der Säule ab und pustet mir seinen Wodkaatem ins Gesicht. Ich schüttel den Kopf. Und wedel ungedulig mit der Hand. „Kein Interesse.“ Er bleibt hartnäckig und spult sein Repertoire ab: „ So allein hier schöne Frau?“ „NEIN!“ gebe ich genervt zurück. Er läßt sich nicht verunsichern. „Wie wärs mit einem Tänzchen?“ „Nein, danke!“ Jetzt guckt er ein bißchen irritiert und beginnt von sich zu erzählen. Ich unterbreche ihn. „Was bringt dich zu der Erkenntnis, daß mich dein Gelaber interessieren könnte?“ Er stockt und seine Visage verrutscht um 10 cm nach unten. „ähm..hö...tja...Ich geh dann mal.“ Kluges Kerlchen, ich wende mich wieder der Tanzfläche zu und beobachte. Bewege selbst ein bißchen die Hüften und wiege mich im Takt.
Ein Arm schlingt sich um meine Taille und hält mir ein Glas hin. Ich lehne mich zurück und schmiege mich an ihn. „Danke“ „Was wollte der Freak denn von dir?“ „ Ficken, was sonst?“ Sage ich, ich war schon immer eine Freundin klarer Worte. Er prustet los und verschluckt sich fast an seinem Drink. „Wo warst du so lange?“ „Hab an der Bar, wen getroffen.“ Er deutet unbestimmt auf eine größere Gruppe Männer. Ich lasse seine Erklärung gelten, obwohl ich an seinen Augen sehe, daß er auf dem Klo war und ein bißchen von seinem Zauberpuder durch die Nase gezogen hat. Er weiß, daß ich es ihm ansehe und dreht sich beschämt weg. Ich mache ihm keinen Vorwurf. Ich sage gar nichts. Ignoriere es einfach.
Seine Hand ruht auf meiner Hüfte und er lehnt seinen Kopf an meine Schulter. „Kleiner Bruder so wird das mit den Mädels aber nichts.“ Ich schiebe ihn von mir weg und lache. „Ach die Weiber sind doch alle gleich....“ Er erzählt von seiner letzten 3 wöchigen Beziehung, länger dauern die bei ihm nie. Als er fertig ist kippt er den Rest seines Drinks auf Ex und verzieht das Gesicht. „Laß uns Tanzen gehen.“
Er nimmt meine Hand und zieht mich durchs Gedränge in den anderen Raum. Mumienschiebehalle, haben wir den Teil der Disco früher genannt. Alte Titel dröhnen aus den Boxen. Er wirbelt mich über die Tanzfläche. Wenn er eins kann, dann ist das Tanzen. Man kennt uns hier schon, macht uns Platz, bis die Tanzfläche fast ganz leer ist. Der DJ läßt eine kurze Begrüßung hören und legt dann unsere Musik auf. Dirty Dancing...der Song mit der Hebefigur. Wie immer bekomme ich Gänsehaut. Ich blende die anderen aus, konzentriere mich nur noch aufs Tanzen. Als er mich am Ende des Liedes hoch hebt, hab ich das Gefühl zu schweben. Langsam setzt er mich ab und küßt mich leicht auf den Nacken. Ich grinse. Um uns herum wird wieder weitergetanzt. Wir verlassen den Raum . Ich um zur Toilette zu gehen und er um neuen Wodka zu besorgen. Auf dem Gang treffen wir uns wieder. Gehen zurück auf unseren Platz auf dem Podest an der Säule. Er trinkt viel und schnell wie immer. Ich beobachte ihn. Er sieht traurig aus. Ich versuche zu ignorieren woher die Traurigkeit kommt, tu so als wüßte ich nicht, daß ich der Grund bin.
Ich laß ihn allein, ziehe los, schauen, ob ich ein bekanntes Gesicht sehe. Er folgt mir nicht, bleibt an der Säule stehen und sieht mir nach. Ich ziehe meine Runden, plauder hier ein bißchen, schäker dort ein wenig und kehre schließlich zu ihm zurück. Er hat Gesellschaft, eine kleine Blondine steht vor ihm und himmelt ihn an. Ich will schon wieder in eine andere Richtung abdrehen, als er mich entdeckt. Mit den Lippen formt er die Worte „Rette mich“ also steuer ich auf die beiden zu. Ich schaue ihn noch mal kurz fragend an, er nickt kaum merklich. Ich umarme ihn lächelnd und blicke das Mädchen an, während ich meine Hand unter sein T-Shirt schiebe. „Schatz", flöte ich, "willst du mir deine neue Bekannte nicht vorstellen?“ Sie wird rot, dreht sich auf dem Absatz um und geht ohne ein Wort. Er seufzt: „Himmel, warum sind alle Frauen die gut aussehen so ausgesprochen dämlich?“ Ich blinzel ihn böse an. „Du natürlich ausgenommen,“ beeilt er sich mir zu sagen. Ich lache und nippe an seinem Glas. „Laß uns gehen, mir reichts für heute, ich werd zu alt für sowas.“ Ich nicke und folge ihm. An der Tür drückt mir der Muskelprotz ein Küßchen auf die Wange. „Komm bald wieder Süße.“ Ich lächel und nicke, „bestimmt irgendwann.“
Während wir zum Auto gehen fällt mir auf, wie zugedröhnt er ist. Er wankt leicht beim Gehen und fährt sich immer wieder wie zwanghaft durch die Haare. Als ich das Auto aufschließe, läßt er sich auf den Sitz fallen und schließt die Augen. „Ich sollte weniger trinken.“ „Du sollteste weniger koksen.“ Er brummt etwas unverständliches. Dreht sich von mir weg und starrt aus dem Fenster. „Das verstehst du nicht.“ Da hat er allerdings Recht, das versteh ich nicht. Ich schweige. Trotz der plötzlich miesen Stimmung ist das Schweigen nicht unbehaglich. Seine Hand legt sich auf mein Bein. „Darf ich bei dir pennen heute?“ Ich überlege kurz. Nicke dann. „Klar, kein Problem.“ Er schläft auf dem Sitz ein, während ich fahre. Als wir bei mir sind wecke ich ihn. „He aufstehen, Kleiner, wir sind da.“ Er brummt und schiebt sich langsam aus dem Auto. Er ist der erste Mensch den ich kenne, der sobald er gekokst hat im Stehen einschlafen könnte. Ich gehe lächelnd hinter ihm her. Er schließt die Haustür auf. Er hat einen Schlüssel, damit er die Katze füttern kann, wenn ich nicht da bin. Er stolpert vor mir die Treppen hoch. Ich ziehe meine Schuhe aus um keinen Lärm zu machen.
An meiner Wohnungstüre hat er Probleme das Schlüsselloch zu treffen. Ich übernehme das Aufschließen der Türe. Er lehnt so lange den Kopf an meine Schulter. Als wir die Wohnung betreten steuert er aufs Bett zu. Läßt sich so wie er ist auf die Matratze fallen. Ich zieh ihm die Jeansjacke aus. „Ich liebe dich!“ Murmelt er ins Kissen. „Ach Hase....“ seufze ich und decke ihn zu, bevor ich mich umziehe und auf die andere Bettseite lege. Er stützt sich mit den Ellbogen auf. „Ich mein das ernst. Wir wären das perfekte Paar.“ Ich lächel, schweige und kraule ihm den Nacken. Er rollt sich zu mir herum und kuschelt sich in meine Armbeuge, wo er leise schnarchend einschläft. Ach mein Hase, mein kleiner Bruder im Geiste, mein Seelenverwandter, wenn ich nicht ständig das Bedürfnis hätte dich beschützen zu müssen, dann hättest du mit dem perfekten Paar vielleicht Recht. Ich schließe die Augen.....