Die Frau die nie fror - Elisabeth Elo

  • Englischer Originaltitel: North of Boston



    Klappentext
    Pirio Kasparov fährt aus einem Alptraum hoch. Wieder schwimmt sie weit draußen vor der Küste Maines im Wasser. Wieder ist es kalt und dunkel. Wieder überlebt sie, und ihr Freund Ned wird nicht gefunden. Auch von seinem Fischerboot fehlt jede Spur. Und dann spürt sie wieder die Hand seines kleinen Sohnes Noah in ihrer, der nicht weint, weil er stark sein will. Pirio schwört sich herauszufinden, wer das getan hat. Wer hat den Frachter auf Kollisionskurs mit ihnen gebracht? Wer war der rätselhafte Mann auf Neds Beerdigung? Sie wird ihn finden. Für Noah. Für sich. Doch eine Frage beunruhigt sie: Warum? Wer war Ned wirklich? Und Pirio folgt Neds Gegnern von Sibirien über Nordkanada bis in die Baffin Bay in Alaska.



    Die Autorin
    Elisabeth Elo ist Jahrgang 1956 und unterrichtet kreatives Schreiben in New England. Die Frau, die nie fror ist ihr erster Roman.




    "Die Frau die nie fror" ist ein sehr eigenartiges Buch. Es ist eins der Bücher, bei denen mir die Rezension schwer fällt. Es fängt schon damit an, was dieses Buch ist. Ist es ein Krimi? Eindeutig, denn es geht um einen Todesfall. Aber dennoch...die Autorin bringt soviel von ihrer Hauptfigur hier hinein, das es auch als Nicht-Krimi funktionieren könnte. Pirio und ihre schwierige Familiensituation. Pirio und ihre alkoholkranke Freundin und deren Sohn, für den sie eine große Verantwortung empfindet. Pirio und die Männer. Pirio gegen die Schlechtigket im Menschen. Fast muss man Angst haben., das die Autorin zuviel hineinpackt in ihr Buch und somit keinem Thema gerecht wird. Aber ich kann alle Leser beruhigen: das ist nicht der Fall.


    Es fällt ebenfalls schwer, eine Inhaltsangabe zu diesem Buch zu geben. Hier führt eins zum anderen und eins ergibt sich aus dem vorherigen. Pirio fährt rein aus Freundschaft wegen mit Ned zum Hummerfischen. Da werden sie im Nebel von einem riesigen Schiff überfahren. Sie überlebt im eiskalten Wasser ungewöhnlich lange. Ned bleibt verschwunden. Aus ihrem seltsamen körperlichen Verhalten zu Kälte und den Ungereimtheiten zu Neds Tod ergibt sich eine ungewöhnliche Storyline um ein paar reiche Leute, die die Langeweile zu archaischen Dingen treibt und sich dabei der darbende Fischereiindustrie zu bedienen weiß.


    Pirio ist eine ambivalente Heldin. Einerseits arrogant und eingebildet, so hat sie doch ihre empfindsame Seite. Ihre Arroganz bringt sie auch in lebensbedrohliche Situationen, denn irgendwie glaubt sie, das sie cleverer ist als alle anderen. Nebenbei hilft sie ihrer Freundin in ihrem verfransten Leben und klärt ein paar Dinge in ihrem verkorksten Familienleben. Das mag für einige Leser vielleicht zu viel des guten sein, aber es löst sich in der Tat recht geschmeidig und passt auch.


    "Die Frau die nie fror" ist kein Pageturner und kein nägelkauender Thriller. Trotzdem liest er sich geschmeidig und zügig und punktet durch seinen unkonventionellen und vielschichtigen Plot.

  • Dass es sich bei diesem Buch um eine Art „Umwelt-Thriller“ handelt, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Das helle und harmlos wirkende Cover und der, meiner Meinung nach, nicht besonders geglückte Titel geben keinen Hinweis auf ein bestimmtes Genre.


    Die Hauptfigur Pirio, die als Ich-Erzählerin auftritt, hat eine komplizierte Familiengeschichte vorzuweisen und auch bei ihren Freundschaften hat sie nicht gerade unkomplizierte Personen in ihrer Nähe. Pirio ist Tochter eines russischen Einwanderers und seiner Muse, dem Model Isa, die vor ihrem Tod ein erfolgreiches Parfümlabel gründete. So wirklich nahe scheinen Pirio auf den ersten Blick nur ihre alkoholkranke Freundin Thomasina und deren Sohn Noah zu sein. Als Pirio zusammen mit Ned, Thomasinas Ex, auf einem Fischerboot aufs Meer fährt, werden sie im Nebel gerammt und das Boot sinkt. Pirio treibt stundenlang im Wasser und überlebt, was jeglichen physiologischen Gesetzen widerspricht. Nun interessiert sich das Militär für sie, doch auch einige andere Personen haben plötzlich ein auffälliges Interesse an ihr und irgendwann schwant ihr, dass der „Unfall“ auf dem Meer kein Unfall war und eine abenteuerliche und lebensgefährliche Suche nach den Drahtziehern beginnt.


    Ich war von Anfang an begeistert von dem ansprechenden und tollen Schreibstil der Autorin, die mit ihrem Debüt eine sehr spannende und intelligent aufgebaute Handlung bietet. Sprachlich sehr gewandt, erschafft sie mit Pirio eine unangepasste, sympathische Heldin mit Mut und sprödem Charme. Die Spannung reißt über weite Teile nicht ab und selbst als klar wird, was tatsächlich hinter dem mysteriösen Bootsunfall steckt, geht es superspannend weiter.


    Es wird ein toller Mix aus Action und Spannung geboten, der dann aber irgendwann ein ganz klein wenig zu viel beinhaltet – als da wären: Pirios aktuelles Leben, ihre Vergangenheit, die Auseinandersetzung mit ihrer alkoholkranken Freundin, oder ihrer liebesarmen Kindheit, ihre Eigenschaft, in kaltem Wasser zu überleben, die Machenschaften ihrer reichen Gegner und ihre Probleme, sich emotional auf jemanden einzulassen, verknüpft mit den Themen Tierquälerei, Lust am Töten und Verbrechen an der Umwelt.


    Zwei Mal wird an atemberaubend spannenden Stellen plötzlich in der Zeit vorwärts gesprungen, was ich beim Lesen sehr bedauert habe, denn gerade hier hätte sich noch wesentlich mehr Potential geboten und einige Male war das Ganze nicht logisch nachvollziehbar.



    Trotzdem hat mir dieses Buch wegen seines anspruchsvollen Schreibstils, seiner intensiven Zeichnung der Figuren und der über weite Strecken sehr spannenden Handlung gut gefallen. Es bietet aufgrund seines Themas auf jeden Fall eine erfrischende Abwechslung in der Welt der „Thriller“ an.

  • Pirio ist mit ihrem guten Freund Ned auf Hummerfang, als das Schiff im Nebel von einem riesigen Frachter gerammt und versenkt wird. Pirio kommt mit dem Leben davon und kann sich nicht damit abfinden, dass die Suche nach dem unbekannten Schiff ergebnislos eingestellt wird. Auch aus Liebe zu Noah, ihrem Patenkind und Neds Sohn, macht sie sich selbst auf die Suche nach dem Unfallverursacher, die sie von Boston aus an Bord einer Luxusyacht und schließlich in die eisige kanadischen Arktis führt.


    Das Buch erinnert ein bisschen an „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, vor allem die Hauptfiguren zeigen viel Ähnlichkeit miteinander.
    Der Erzählstil ist lebendig und flüssig. Die Geschichte beginnt gemächlich, mit vielen ausführlichen Beschreibungen, für mich hatte sie eine unterschwellige melancholische Stimmung. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Pirio auf dem Schiff anheuert, ist das Buch unterhaltsam und gut zu lesen. Dann wird es spannender, actionreicher, aber an einigen Stellen läuft die Geschichte nicht ganz rund, wird dadurch unglaubwürdig und gelegentlich auch nervig. Verblüffend leicht kommt Pirio auch aus den für sie gefährlichen Situationen wieder heraus.


    Dass dieses Gemisch aus Familiendrama, Krimi und Umweltthriller überhaupt funktioniert, ist der Hauptfigur zu verdanken. Mit Pirio Kasparow ist der Autorin ein sehr spezieller, facettenreicher Charakter gelungen. Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob die Story für sie nicht eine Nummer zu groß sein würde, aber je mehr man über Pirio erfährt und je weiter sie sich entwickelt, desto mehr gefiel mir die Hauptfigur und desto glaubwürdiger wurde sie. Das Gewicht liegt auf Pirio und so bleiben die anderen Personen im Roman größtenteils blass und zeigen wenig Konturen.
    Ein bisschen schade fand ich es, dass der Handlungsstrang um Pirios ungewöhnliche physiologische Eigenart, stundenlang in kaltem Wasser zu überleben, nicht weiter verfolgt wurde, sondern im Sande verläuft.


    Wie das Ganze enden würde, war im Großen und Ganzen absehbar, auch wenn die Autorin am Ende dann doch noch mit einer überraschenden Auflösung aufwarten kann.


    Ich war im Nachhinein erstaunt, wie gut mir das Buch gefallen hat. Bei dem Buchtitel hätte ich das nicht vermutet, meine Erwartungshaltung war eher niedrig. Für ein Debüt durchaus gelungen, ein paar Längen, ein paar Ungereimtheiten, insgesamt ein recht spannendes Buch mit einer interessanten Protagonistin.

  • Eine Frau die nie friert hat einen entscheidenden Vorteil, sie kann in eiskaltem Wasser erstaunlich lange überleben. Und genau das muss Pirio Kasparow, als das Fischerboot gerammt wird mit dem sie unterwegs ist. Ned stirbt bei dem Zwischenfall, der Freund ihrer besten, leider alkoholsüchtigen Freundin und Vater von Noah einem kleinen Genie, an dem Pirio hängt. Da der Unfallverursacher unerkannt verschwindet und die Wasserschutzpolizei die Ermittlungen einstellen will beginnt Pirio Kasparow selbst mit den Ermittlungen, die ihre Gegenwart mit der Familienvergangenheit verknüpfen. Doch bald wird sie von der Jägerin zur Gejagten.


    Elisabeth Elo hat mit „Die Frau die nie fror" ein solides gut durchdachtes Buch geschrieben, dessen Höhepunkte allerdings weit hinten im Roman zu finden sind. Nach etwa dreißig Seiten fängt die Geschichte an vor sich hinzu plätschern, was durch lange Rückblenden und einen betulichen, fast altbackenen Schreibstil verursacht wird, der mich nicht mitreißen konnte. Zudem hat der spröde Grundton und diese seltsame Distanz zu ihrer persönlichen Umgebung und Identität, die ich bei Pirio spüre zur Folge, dass ich beim Lesen glaubte sie wäre Besucherin in ihrem eigenen Leben. Ich habe ihr nie die Rolle, als eine Frau abgenommen die früher am Hafen rumgehangen hat, um Hafenarbeiter abzuschleppen. Und eben so wenig ist sie die Unternehmertochter, die vielleicht später einmal die Parfümfirma übernehmen soll.


    Bisweilen hatte ich das Gefühl eine ältere Frau schlüpft in Haut einer Jüngeren, da ich das Alter von Pirio beim Lesen nicht fühlen konnte. Obwohl das Buch im Präsenz geschrieben ist fehlt es mir über weite Strecken an Lebendigkeit.


    Phasenweise ist das Buch nicht Fisch nicht Fleisch, ein bisschen psychische Studie, ein wenig Krimi, Familien und Alkoholprobleme, bis zu wissenschaftlichen Einlassungen über Pirios sonderbare Anomalie, sobald sie in kaltes Wasser taucht. Erst ganz am Ende werden die Widersprüchlichkeiten ihrer Persönlichkeit sehr gekonnt aufgelöst. Bis dahin hatte ich allerdings relativ wenig Lesefreude.


    Die zweite Hälfte des Buches ist spannender, weil die Thrillereffekte in den Vordergrund rücken und Pirio Kasparow ein Gesicht bekommt, indem sie endlich resolut ins Geschehen eingreift. Was mir gut gefallen hat ist das perfekt inszenierte Umwelt-Thrillerthema und die vorzügliche Konstruktion eines denkwürdig eigenwillegen Romans. Und, ach ja, die konfliktreichen Gespräche mit ihrem Vater sind Klasse, ganz am Ende ein ganz wunderbarer Dialog...


    Insgesamt ein gutes Buch mit leichten Schwächen und dem schönsten Buchcover seit Langem.