Ich habe noch so einiges zum Thema Begegnungen geschrieben, unter anderem auch das hier (der Text folgt gleich).
Meine Ma meinte, ich hätte es anstelle meines jetzigen Beitrages einstellen sollen. Ich fand es aber nicht so gut. Nun wollte ich mal hören, was ihr dazu meint.
Eine Begegnung, die alles veränderte
Er machte sich zum Gehen bereit, setzte seinen Hut auf, zwängte sich in seinen braunen Mantel und verschwand in der Dunkelheit. Lautlos, so wie er gekommen war, geheimnisvoll für den, der ihn beobachtet hätte. Aber niemand beachtete ihn.
Auf der anderen Seite stand sie: Veronika, Geliebte von Richard, Ehefrau von Donald. Sie zog ihren Lippenstift nach und schmatze beim Betrachten zufrieden in den kleinen Taschenspiegel. Der Spiegel schnappte zu und Veronika ließ ihn in ihre Tasche gleiten. Dann überquerte sie die Straße, nicht hektisch, sondern gelassen, mit erhobenem Kopf, denn sie hatte alles: einen Mann, der sie liebte, eine Wohnung mit Dachterasse und obendrein einen Geliebten, der sie endlich wieder die Schmetterlinge fühlen ließ, die sie bei Donald so sehr vermisste.
Es war Herbst, kein sehr schöner Herbst, denn die Blätter klebten bereits vermodernd auf dem Gehweg und feiner Regen setzte sich auf Blättern und parkenden Autos ab.
Auch auf Veronikas Haaren glitzerten viele kleine Wassertropfen, als sie die kühl eingerichtete Wohnung betrat. Sie streifte ein paar Blätter von ihren hohen Absätzen und schloss die Türe, ehe die alte Westmann wieder aus der gegenüberliegenden Wohnung kommen und ihr vom Weltuntergang oder der nächsten Eiszeit berichten konnte. Gestern noch hatte die Alte ihr prophezeit: „Sie werden eine Begegnung haben, die alles verändern wird.“ Die Begegnung mit Richard vor zwei Jahren hatte alles verändert- und das nicht zum negativen.
Donald saß vor dem Herd und starrte wie hypnotisiert auf die Tiefkühlpizza im Ofen. Er beobachtet, wie der Käse vom Gitterrost heruntertropfte und auf dem Ofenboden zu brutzeln begann.
„Woran denkst du?“, fragte Veronika und hockte sich in voller Montur neben ihren Mann. Sie war wahrlich kein Unmensch. Sie war einfach nur nicht zufrieden mit Donald und ihrer Ehe. Aber sie war kein Unmensch.
Donald versuchte seinen Kopf leer zu bekommen. Er wollte vergessen, dass es Probleme in ihrer Ehe gab, dass sie fremd ging und er schon wieder das Parfüm dieses anderen an ihr roch, auch wenn sie es zu verheimlichen suchte. Er wollte nicht an IHN und diese Sache denken. Und doch musste er es tun. ER schwirrte in seinem Kopf herum, machte sich in jedem Winkel seiner Gedanken breit, verdrängte Veronika, seine Ehefrau, mit der er den Bund fürs Leben eingegangen war, schon fast gänzlich aus seinem Kopf. Er wollte verdrängen, dass auch er, Donald, der liebe und herzliche mit den großen Ohren, seine Frau, die er doch eigentlich liebte, hinterging.
„Ich denke an unsere Hochzeit.“, lächelte er und sah endlich zur Seite. Natürlich hatte sie wieder den roten Lippenstift aufgetragen.
Veronika strich ihm über die Nase und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Als sie ging, um die Winterjacke und den Schal abzulegen, wischte er sich den Roten Kußmund von der Wange, ließ sie aber nicht aus den Augen. Langsam erhob Donald sich vom Herd. An die Zarge der Küchentür gelehnt, lässig die Hände in den Hosentaschen versuchte er sie anzulächeln.
Sie drehte sich um und sah in Gedanken Richard in der Tür stehen. Die beiden hatten so vieles gemeinsam und doch waren sie so verschieden.
Die Türklingel ging plötzlich und weckte beide aus ihren Träumen an andere Dinge, andere Menschen.
Es klingelte sogar ein zweites Mal, noch bevor Veronika zur Tür eilen und sie öffnen konnte.
Als sie dann öffnete stand da ein Mann in einem alten, braunen Mantel. Sein Hut hing ihm tief ins Gesicht, so als ob er seine Augen verdecken wollte. Sie hatte ihn auf der anderen Seite der Straße nicht bemerkt, doch er hatte sie bemerkt.
„Ähm, guten Tag!?“, meinte Veronika verwirrt..
Donald erstarrte beim Anblick des Mannes. Wie konnte er es nur wagen hier aufzutauchen, wenn sie beide hier waren?
„Guten Tag, Veronika. Darf ich vielleicht hereinkommen?“ Der Mann drängte förmlich hinein und Veronika ließ ihn erstaunt, ja erschrocken gewähren.
Donald wich einen Schritt zurück.
Der Mann nahm seinen Hut ab und sah Donald in die Augen: „Hallo Donald.“
Veronika legte die Stirn in Falten und sah zu ihrem Mann. Donald Grunewalds große Ohren waren inzwischen rot angelaufen. Ob vor Wut oder vor Verlegenheit wusste er nicht einmal selbst zu sagen und auch die Tränen in den Augen des anderen konnten nichts daran ändern, dass Donald den Mann jetzt am liebsten erwürgt hätte.
„Hör zu, es ist... es tut mir leid, Donald. Ich weiß, dass ich nicht herkommen sollte, aber es ging nicht anders. Ich habe es mir lange überlegt, aber ich halte es nicht mehr aus. Ständig ist SIE“, und er deutete hinter sich auf Veronika, die inziwschen mit offenem Mund da stand „in unseren Gedanken. Ja, inzwischen denkst nicht nur du immerzu an sie, sondern auch ich. Ich hasse es meine Liebe zu teilen, verstehst du? Ich halte es nicht mehr aus! Du musst es ihr jetzt sowieso sagen, du weißt warum...“
Der Mann brach ab und begann zu weinen.
„Was..!?“, stammelte Veronika und zwängte sich zwischen ihren und den anderen Mann.
„Hör zu.“, begann Donald, während sein Blick von dem weinenden Mann zu seiner Frau schwenkte. „Ich...ich...“ Veronika zuckte mit den Schultern, schüttelte den Kopf und wusste nichts zu sagen.
Donald gab es auf, ließ die Schultern hängen und gab sich geschlagen. „Das ist Gregor.“, murmelte er. Es tat gut endlich reinen Tisch zu machen. „Ich treffe mich mit ihm schon seit ich von Richard weiß. Ich weiß, er ist ein Mann...“
Veronika erstarrte und blickte neben ihrem Ehemann ins Leere. Sie fühlte sich wie in einer dieser Talkshows, in der alle so unwirkliche und skurile Geschichten wie diese erzählten. „Es tut mir leid.“, murmelte Donald noch. „Du solltest vielleicht auch einen Aidstest machen.“ Er blickte verlegen zu Boden. Gregor legte sich den Hut vors Gesicht und schluchzte laut.
Veronika hörte es nicht mehr, sondern ging wie in Trance zu dem Kleiderständer im Flur, packte ihre Jacke, ihren Schal und verließ die Wohnung. Jetzt wäre sie gerne vor dem Fernseher bei einer dieser Talkshows- sie hätte einfach weggezappt!
Als sie die Türe hinter sich zugezogen hatte, blickte sie direkt auf das Türschild der alten Westmann.
Es war nicht mehr da, denn dies war die Begegnung, die alles verändert hatte.