Ruth Marcus: Männer und ihre Tiere, München 2013, Knesebeck Verlag, ISBN 978-3-86873-578-9, Hardcover mit Schutzumschlag, 176 Seiten, großformatige Schwarz-Weiß-Fotos, Format: 27,4 x 23,8 x 2 cm, EUR 34,95.
„Die Bilder der Männer mit ihren Tieren mögen idyllisch wirken. Doch (…) die zentrale Frage hinter meinen fotografischen Themen ist eine existenzielle: Was vermittelt dem Menschen Lebenssinn? Tiere (…) lassen uns fühlen, warum wir leben, lassen uns spüren, dass wir geboren sind um zu lieben, zu beschützen, zu pflegen, zu vermissen. Sie erinnern uns daran, dass wir ein Teil der Natur und eines großen Ganzen sind (..).“ (Seite 6)
Schon zu Beginn ihrer Fotografinnenlaufbahn spielte Dr. Ruth Marcus mit dem Gedanken, Männer und ihre Tiere zu porträtieren. Jahre später nahm sie das Projekt tatsächlich in Angriff und sah schon in der Vorbereitungsphase für das vorliegende Buch, wie es beim Publikum ankommen würde: Frauen, die die Fotos sahen, wollten wissen, wo Frau Dr. Marcus diese großartigen Männer gefunden habe, die sich so liebevoll, uneitel und selbstvergessen mit ihren Tieren beschäftigen. Das wirkt irgendwie so … beziehungsfähig. Mit einem Augenzwinkern erklärt die Fotografin und Autorin, die Herren seien ihr „zugelaufen“. „Irgendwo begegnet, immer und überall. Auf dem Bauhof, in der Zeitung, im Internet, am Telefon und beim Ausreiten.“ (Seite 6)
Und nun können wir sie auf großformatigen Schwarz-Weiß-Fotos bewundern: Kerle wie den Motorradfahrer auf seiner Moto Guzzi und seinen schutzbebrillten Pudelpointer-Mischling im Seitenwagen. Zu jedem Model-Paar gibt uns die Fotografin auf einer knappen Seite Hintergrundinformationen und erzählt mit viel Humor interessante Details über den Ablauf des Fototermins.
Tierfreund Jochem krault seinen Lakeland-Terrier Jocky und lässt sich von Farbmäusen auf dem Kopf herumtanzen. Uwe Kunze macht es sich mit einem stattlichen Rentierbullen in einem Zelt gemütlich. Und Werner Freund, den man aus dem Fernsehen kennt, heult im saarländischen Wolfspark mit den Polarwölfen. Eindrucksvoll sind die Aufnahmen von Burgfalkner Walter Reinhard mit Falkendame Shira beim Federspiel. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von bis zu 400 km/h rast der Vogel dabei durch die Luft und versucht, die Beuteattrappe – das Federspiel – zu greifen. Als zickig und eifersüchtig erwies sich allerdings Steinadlerdame Taiga, die mit dem Falkner zusammen das Buchcover ziert. Das machte das Fotografieren nicht gerade einfach.
Daniel hat eine ganze Menagerie daheim und entschied , dass Graupapagei Coco mit aufs Foto kommt. Geschäftsmann Matthias Pohl schwimmt mit seinen Koi-Karpfen, was für außergewöhnliche Motive sorgt. Hat man schon mal gesehen, dass jemand einen Fisch knuddelt? Olli schmust mit Leguan Willi. Das anderthalb Meter lange Reptil kommt auf den Fotos wunderbar detailreich zur Geltung. Ein Meisterwerk der Natur!
Der ehemalige Zoodirektor Dr. Schmidt war beim Fotoshooting anscheinend genauso schweigsam und unkommunikativ wie seine Schildkröten. Dass es trotzdem tolle Fotos geworden sind, grenzt fast schon an ein Wunder. Affenpfleger Carsten Knott zog im Frankfurter Zoo einen Bonobo mit der Flasche auf. Dass diese Menschaffen unsere nächsten Verwandten sind, sieht man auf den Fotos: Da entdeckt man einen liebevollen Pflegepapi mit seinem haarigen Kind.
Auch Wolfgang Gettmann, der Direktor des Düsseldorfer Aquazoos, ist in dem Band vertreten – mit seinem Kurzkrallenotter Nemo, den er von Hand aufgezogen hat, weil die Ottermutter mit ihren sieben Kindern überfordert war. Dieses lustige Gespann kennt man ebenfalls aus dem Fernsehen.
Landwirte lassen sich mit ihren Rindern ablichten und ein Bär von einem Mann hält ein Häschen im Arm, das fast in seinen Pranken verschwindet. Pferde und Bücher sind die Leidenschaft des Verlegers Dr. W. Georg Olms, was die Fotos wunderbar zum Ausdruck bringen. Ruth Marcus begleitet Jörg Hinkel und seine imposanten Shire-Horses auf eine Kutschfahrt. Und Kätzchen Tussie gewährt dem todkranken (und inzwischen verstorbenen) Ehemann der Künstlerin einen Blick ins pralle Leben.
Michis orientalische Kurzhaarkatzen haben ein Feierabendritual: Sie kuscheln sich abends allesamt zu ihrem Menschen auf die Couch. Sam, der Golden Retriever des Bundestagsabgeordneten Michael Roth, hat sich über die ungewohnten Vorgänge beim Fotoshooting offensichtlich sehr gewundert. Und bis die Aufnahmen mit Künstler Henni Nachtsheim und seiner 70 kg schweren Dogge endlich im Kasten waren, gab es viele Hindernisse zu überwinden.
Improvisieren musste die Fotografin beim Termin mit Professor Hilmar Hoffmann und seinem Rauhaardackl Bastl. Der Hund hatte schlicht keine Lust. Es ist überhaupt interessant zu lesen, wie sich Ruth Marcus die Aufnahmen im Vorfeld vorgestellt hat und was hinterher dabei herauskam: Starke, aussagekräftige Bilder, die manchmal ganz anders waren als ursprünglich geplant. Tiere kann man eben nicht wie menschliche Fotomodelle zu bestimmten Posen anhalten.
Man hätte auch ganz ohne Namensnennung gewusst, dass die Texte und Fotos von einer Frau stammen. So freimütig sprechen nur die Mädels über Pleiten, Pech und Pannen im Verlauf eines Projekts. Das macht die Künstlerin sympathisch, wäre aber nicht nötig gewesen. Das Buch mit seinen Porträts von Männern und Tieren ist toll so, wie es ist.
Die Fotografin/Autorin
Dr. Ruth Marcus, 1958 in Hanau geboren studierte Medizin, war Ärztin, Notärztin und freie Medizinjournalistin. Seit 2005 arbeitet sie intensiv an freien Fotoprojekten.