Max Frisch - Aus dem Berliner Journal

  • Titel: Aus dem Berliner Journal
    Autor: Max Frisch
    Verlag: Suhrkamp
    Erschienen: Januar 2014
    Seitenzahl: 235
    ISBN-10: 3518423525
    ISBN-13: 978-3518423523
    Preis: 20.00 EUR


    Max Frisch wurde am 15. Mai 1911 in Zürich geboren, wo er am 4. April 1991 auch starb. In fast sechs Jahrzehnten schrieb er Romane, Theaterstücke, Tagebücher, Erzählungen, Hörspiele und Essays. Frisch gilt als einer der ganz großen der Weltliteratur.


    Im April 2011 lief die zwanzigjährige Sperrfrist ab, die Max Frisch in Bezug auf seinen Nachlass verfügt hatte. Und in seinem Nachlass befand sich auch das Berliner Journal, Tagebuchaufzeichnungen aus seiner Berliner Zeit. Max Frisch lebte von 1973 bis 1980 in Berlin.


    Das was er in diesen Tagebuchaufzeichnungen schreibt ist hochinteressant, gerade auch im Hinblick auf das literarische Leben in der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen DDR. Frisch berichtet über Christa Wolf, über Uwe Johnson, mit dem er befreundet war (sie bleiben immer beim „Sie“). Frisch schreibt auch über seine Begegnungen mit Günter Grass. Frisch kritisiert und beurteilt zumeist zwischen den Zeilen. Manchmal wirken seine Aufzeichnungen direkt schüchtern; aber wohl kaum verwunderlich bei einem Mann, der selbst immer sehr unsicher gewesen ist, nicht zuletzt auch im Hinblick auf das eigene Werk.


    In diesen Tagebuchaufzeichnungen lernt man Max Frisch wohl so kennen wie er wirklich war. Zaudernd, unsicher, fast schon ein wenig depressiv – aber immer höflich dem Gegenüber zugewandt. Er versuchte bei Streit zu vermitteln und hatte große Schwierigkeiten damit Kollegen zu kritisieren und entschärfte so seine Kritik oftmals schon im Ansatz.


    Interessant ist vielleicht, das Max Frisch das Werk von Thomas Mann respektiert hat, in ihm aber nicht den „Überautor“ gesehen hat wie so manch anderer. Vielmehr bezeichnete er Mann zwar als einen begnadeten Stilisten, ansonsten seien ihm dessen Werke aber schlichtweg zu flach. Dieser Ansicht über Thomas Mann kann ich mich hundertprozentig anschliessen.


    Das Berliner Journal besteht aus den Heften 1 bis 5. Die Hefte 1 und 2 wurden in diesem Buch öffentlich gemacht. Bei den Heften 3 bis 5 verzichtete man auf eine Veröffentlichung, da sie sich fast ausschließlich um das Privatleben von Max Frisch gedreht haben. Und so wurde aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen von der Veröffentlichung dieser privaten Chronik abgesehen.


    Unabhängig davon ist „Aus dem Berliner Journal“ ein hochinteressantes und lesenswertes Buch, das aber sicher (leider) von nicht so vielen Menschen gelesen werden wir. Ist eben kein 08/15-Thriller oder irgendein Chicklit-Dumpfie – 9 Eulenpunkte für dieses herausragende Buch.


    Edit: Schreibfehler korrigiert.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Voltaire ()

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Das Buch ist auf Platz 1 der SWR-Bestenliste Februar!!!


    Hammer!


    Hast du es schon gelesen? Ich bin nämlich sehr auf deine Meinung zu diesem Buch gespannt. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Berliner Journal – Max Frisch


    Mein Eindruck:
    Damit Tagebücher (oder deren literarischere Form, das Journal) einer breiteren Öffentlichkeit auffallen, muss der Autor schon einen großen Namen haben. Max Frisch, der Autor von Homo Faber und Stiller, ist so ein Name und dieses Buch ist erfolgreich. Da es so lange unter Verschluss geblieben ist, weckt das die Neugierde des Lesers, was da geheimnisvolles drin ist. Aber, das Berliner Journal ist vom Herausgeber zensiert. Der Grund für die späte Veröffentlichung liegt darin, dass Max Frisch im Berliner Journal anscheinend viel über seine jüngere Ehefrau und die Eheprobleme geschrieben hat. Aber dieser Teil fehlt komplett, aufgrund der Entscheidung des Herausgebers. Bevormundung des Lesers oder sinnvolle Wahrung von Persönlichkeitsrechten? Schlechte Zeiten für Voyeure!


    Wie dem auch sei, was übrig bleibt, ist immer noch sehr lesenswert. Max Frisch gelingt es, auch in dieser Form Literatur zu gestalten. Wer sich lange mit Literatur beschäftigt, ist irgendwann auch an dem alltäglichen Schriftstellerleben interessiert. Ich jedenfalls bin es.


    Das Journal beginnt damit, wie Max Frisch und seine Frau 1973 nach Berlin ziehen, wo sich auch zu der Zeit viel literarisches Leben abspielte. Mich überraschte, wie familiär es zwischen diesen Schriftstellergrößen zugeht. Besonders mit Uwe Johnson trifft sich Max Frisch häufig. Obwohl sie zeitlebens beim Sie blieben, spürt man doch große Verbundenheit und Wertschätzung. Auch mit Günter Grass hat sich Frisch oft getroffen.


    Zum Thomas Mann-Bashing, was nur geringen Raum im Buch einnimmt: Ich glaube, hier kommt die Verschiedenheit der Generationen zum tragen. Thomas Mann kann für ihn kein literarisches Vorbild sein. Frisch sah sich selbst als moderner Autor, der er auch war, selbst wenn manche seiner Bücher inzwischen auch schon lange Klassiker sind.


    Die zweite Überraschung des Buches ist für mich, wie groß der Anteil über die DDR ist. Max Frisch ist da sehr interessiert und begegnet viele DDR-Schriftsteller: Christa Wolf, Günter Kunert, Wolf Biermann etc. Seine Eindrücke über diese Persönlichkeiten verdichtet noch einmal das Gesamtbild dieser Zeit. Das hat mich sehr beeindruckt.


    In der Gesamtheit ist das Berliner Journal als sehr gelungen einzustufen, da es kaum mal einen überflüssigen oder banalen Satz gibt. Das ist aber meiner Einschätzung nach nicht der Verdienst der Kürzungen des Herausgebers sondern dem prägnanten Stil von Max Frisch geschuldet. Dieses Journal wirkt auf mich äußerst lebendig, nie verstaubt oder altmodisch. Es ist sehr lesenswert!

  • Wenn in unserer Bücherei ein Buch neu im Bestand ist und mir der Titel überhaupt nichts sagt, schaue ich natürlich ob es bei den Eulen schon Rezis zum Buch gebt.


    Normalerweise wäre ich das Buch übergangen, hätte ich nicht die begeisterten Rezis von Voltaire und Herr Palomar gelesen. So bekam das Buch von mir eine Chance, zumal es mich ja nichts kostet. :-]


    Und ich kann mich den beiden Vorrednern nur anschließen. Das Buch ist absolut lesenswert. Besonders haben mich natürlich die Passagen zur DDR und den DDR-Schriftstellern interessiert.


    9 von 10 Punkten

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)