autoreverse - Kai Thomas Geiger

  • Marc und Jones sind von Kindesbeinen an Nachbarn und beste Freunde. Seit Karl der Große, Jones älterer Bruder, sie in die Geheimnisse des Rocks eingeführt hat, verbindet sie eine weitere, tiefergehende, nie gesehene Leidenschaft: AC/DC.
    Und somit kommt der Rock nach Stuttgart-Möhringen. Der erste AC/DC-Fanclub wird gegründet, auch wenn der zunächst nur aus Marc und Jones besteht. Lebensmittelpunkt ist das Jugendhaus, dort lernen sie den coolen Basti und den weniger coolen Fred kennen, und die vier werden für ein paar wenige Jahre beste Freunde.


    Das Ganze ist mal wieder die übliche Geschichten übers Erwachsenwerden. Wahrscheinlich habe ich das Buch nur deshalb ertragen, weil es lang verschüttete Erinnerungen geweckt hat: da hat einer so ziemlich die gleiche, im Grunde genommen ziemlich unspannende Jugend durchlebt wie ich. Das erste richtige Geld, das man zur Konfirmation einstreicht, wird natürlich in Hifi-Technik investiert, die in der Stuttgarter Lerche erworben wird. Die ersten kleinen Schritte der Adoleszenz führen ins Jugendhaus, später dann auf frisierten Mopeds in die Rockfabrik Ludwigsburg. Da öffnete der Autor einfach die richtigen Schubladen meiner Erinnerung.


    Ansonsten bleibt das Buch freilich extrem oberflächlich, Rockfabrikgefühl kam nur auf, weil ich die Rockfabrik kenne, nicht etwa, weil der Autor das besonders treffend geschildert hätte.
    Angereichert wird das nur durch ein bisschen Drama, einer der vier gerät auf die schiefe Bahn, aber selbst das ist seltsam platt, es passiert einfach und keiner weiß, wie es dazu kam.


    Ich weiß nicht, in welcher Hirnregion Kindheitserinnerungen gespeichert werden, aber wenn ich eben diese mal auszuschalten versuche, bleibt eine seltsame Erkenntnis: mit diesem Buch soll offensichtlich einer Zeit Bedeutung gegeben werden, die eigentlich keine hat, außer eben für jene, die sie erlebt haben. Und da reichen dann Stichworte, um das eigene Kopfkino in Gang zu setzen, unabhängig von dem, was und wie der Autor dann genau schreibt.


    Denn eigentlich ist es doch ziemlich spannend, dieser Eiertanz Jugendlicher zwischen Abgrenzung und Anpassung, einer Phase, die wohl jeder Mensch mal durchgemacht hat. Nur ist diese Eiertanz in diesem Buch kein Pogo, sondern eher Discofox. Abgrenzung, das ist hier Heavy Metal (falls man AC/DC als solchen bezeichnen kann), während Mutti lieber Schlager hört. Das sind mit Filzstift bemalte Jeansjacken, auch wenn die Eltern meinen, Klamotten sollte man sorgsam behandeln und ein aufgebohrter Auspuff am Moped, während Vati im Familienkombi durch die Gegend gondelt.


    Aber das war es dann auch schon mit jugendlicher Aufmüpfigkeit, denn eigentlich ist im Leben offenbar nur wichtig, dass man die angesagt Fahrschule wählt, das richtige Kassettendeck anschafft (auch wenn man de facto von Hifi keine Ahnung hat) und das coole Moped (und nicht etwa ein Mokick) kauft: es gilt, die richtigen Marken zu konsumieren.
    Geht klar, ist aber am Ende doch ziemlich langweilig.


    Umso absurder auch die (wenigen) heftigen negativen Reaktionen bei amazon. Natürlich ist es vollkommener Quatsch, dass sich ein Vierzehnjähriger vom Konfirmationsgeld ein Nakamichi-Deck leisten konnte. Und vielleicht kam diese spezielle Yamaha tatsächlich erst ein Jahr später raus. Aber statt an der Wahrhaftigkeit dieses Buches zu zweifeln („Der Autor kann das ja gar nicht selbst erlebt haben! Alles erfunden!“), sollte man sich doch eher fragen, warum dem Autor nix besseres eingefallen ist, als kollektive Anekdoten aus den 80er-Jahren zu einem Roman zu verwursten.


    Wie gesagt, ich habe es trotzdem ganz gerne gelesen, vielleicht als Bestätigung, dass das, was man in seiner Jugend erlebt hat, wichtig genug ist, gedruckt zu werden?

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)