Titel im Original: Shikisai wo montanai Tazaki Tsukuro to, kare no junrei no toshi
Kurzbeschreibung:
Der junge Tsukuru Tazaki ist Teil einer Clique von fünf Freunden, deren Mitglieder alle eine Farbe im Namen tragen. Nur Tsukuru fällt aus dem Rahmen und empfindet sich – auch im übertragenen Sinne – als farblos, denn anders als seine Freunde hat er keine besonderen Eigenheiten oder Vorlieben, ausgenommen vielleicht ein vages Interesse für Bahnhöfe. Als er nach der Oberschule die gemeinsame Heimatstadt Nagoya verlässt, um in Tokio zu studieren, tut dies der Freundschaft keinen Abbruch. Zumindest nicht bis zu jenem Sommertag, an dem Tsukuru voller Vorfreude auf die Ferien nach Nagoya zurückkehrt – und herausfindet, dass seine Freunde ihn plötzlich und unerklärlicherweise schneiden. Erfolglos versucht er wieder und wieder, sie zu erreichen, bis er schließlich einen Anruf erhält: Tsukuru solle sich in Zukunft von ihnen fernhalten, lautet die Botschaft, er wisse schon, warum. Verzweifelt kehrt Tsukuru nach Tokio zurück, wo er ein halbes Jahr am Rande des Selbstmords verbringt.
Viele Jahre später offenbart sich der inzwischen 36-jährige Tsukuru seiner neuen Freundin Sara, die nicht glauben kann, dass er nie versucht hat, der Geschichte auf den Grund zu gehen. Von ihr ermutigt, macht Tsukuru sich auf, um sich den Dämonen seiner Vergangenheit zu stellen.
Meine Meinung:
Auf kaum eine Neuerscheinung habe ich mich in den vergangenen Monaten so gefreut wie auf den neuen Murakami – und eines gleich vorweg, enttäuscht wurde ich nicht, auch wenn das Ergebnis ein wenig anders ausfiel als erwartet.
Der Kurzbeschreibung möchte ich gar nichts hinzufügen, sie gibt einen guten Eindruck davon, was in diesem Roman geschieht. Wie für Murakami typisch spielt auch diesmal wieder ein Mann in den 30ern die Hauptrolle, der sich auf Anraten seiner Freundin Sara mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen will, genauer gesagt, warum ihn die damalige Jugendclique verstoßen und ihm so jeglichen Lebenswillen geraubt hat. Zu diesem Behufe trifft er sich mit den Freunden von damals…
Auch der Schreibstil ist wieder typisch Murakami; kurze, prägnante Sätze, keine Ausschmückungen und Abschweifungen; es gibt wieder (auch erotisch inspirierte) Traumsequenzen und auch Sport spielt eine Nebenrolle. So weit, so bekannt, und doch ist „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ ein eher ungewöhnliches Murakami-Buch, kommt es doch mit bedeutend mehr Bodenhaftung und Realitätssinn daher als viele seiner Meisterwerke. Hier gibt es keine metaphysischen Einschübe, keine surrealen Wesen und keine Entrücktheit vom irdenen Dasein. Ich denke, hierin liegt eine mögliche Quelle der Enttäuschung für eingefleischte Fans des japanischen Autors.
Auf jeden Fall ist der vorliegende Roman einer über Freundschaft, Enttäuschungen und Lebensentwürfe, aber auch über das ewige Thema, die Liebe. Für mich zieht das Buch seinen Reiz vor allem aus seinem einsamen Helden und der Schilderung seiner Gefühlswelten sowie aus den Dialogen – kaum ein Autor versteht es, Dialogszenen so treffend zu schreiben wie Murakami.
Um ein Fazit zu ziehen: Ich habe „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ sehr gerne gelesen, halte es zwar nicht für den ganz, ganz großen Wurf, aber doch für ein prima Buch über Freundschaft, Liebe und das Leben an sich!