Komapatienten


  • Sorry, aber der Vergleich hinkt gewaltig. Ich habe einige leichte bis schwere Demenzfälle in der Familie erlebt, einen erleben wir gerade ganz akut.


    Nicht einen dieser 'Fälle' haben wir in ein Heim abgeschoben. Hauptproblem war eigentlich bei allen, dass sie unheimlich mobil waren und das auch nachts. Wie oft haben wir meine Oma 'eingefangen', wie oft wurde sie von der Polizei nach Hause gefahren. Sie war dann immer guter Dinge, sie hat die Fahrten mit den jungen Männern sehr genossen. Es brachte offensichtlich mehr Abwechselung in ihr Leben als das Zusammensein mit uns oder der Fernseher. Niemand von ihnen musste gefüttert werden, alle hatten/haben ein halbwegs funktionierendes Langzeitgedächtnis nur mit der Kurzzeit haperte es gewaltig. Manchmal haben wir uns schlapp gelacht, ein andermal war uns zum Heulen zumute. Alle haben am Alltag auf ihre eigene Art teilgenommen.


    Hätten wir sie in Alten-/Pflegeheime abgeschoben, sie wären wahrscheinlich ruhig gestellt worden. Das ist üblich und erst das macht diese Menschen zu hilflosen und pflegebedürftigen Menschen, die am Ende nicht einmal genügend Motivation haben ihr Essen zu sich zu nehmen.


    Bei Alzheimer sieht die Sache anders aus aber bis zu einem bestimmten Stadium kann man auch mit diesen Menschen noch 'umgehen'. Aber die Pflege zu Hause bis zum Ende ist fast unmöglich, das ist eine 24stündige Aufgabe, die kaum einer bewältigen kann im privaten Umfeld.


    Schlaganfälle können unterschiedliche Folgen haben. Meine 2. Oma war nach einem Schlaganfall körperlich überhaupt nicht eingeschränkt, sie konnte sich jedoch nicht mehr artikulieren. Sie verstand alles, sie wollte antworten und es kamen vollkommen fremde Laute heraus. Das machte sie wütend und traurig. Wir haben dann in einem Mischmasch aus Worten und Zeichensprache komuniziert, es ging irgendwie und wenn es mal gar nicht funktionierte, dann haben wir sie in den Arm genommen. Sie konnte Gefühle zeigen und annehmen und wenn man nicht gerade reden musste, dann hat sie ihr Leben bis zum Schluß genossen. Sie starb mit 86 Jahren.


    Es bringt irgendwie nix wenn wir hier alle Krankheitsbilder miteinander vermengen, jeder Fall ist doch sehr individuell zu betrachten. Es gibt mit Sicherheit auch große Unterschiede zwischen Komapatienten und ich denke, die sind per Gutachten eben so dargestellt worden, dass die Richter zu diesem Urteil kamen.


    Gabi

  • Hallo Gabi,


    alle Vergleiche hinken, also auch meine. Das ist mir schon klar. Mir geht es zentral einfach darum, dass es nicht passive Sterbehilfe in dem Sinn ist, dass man jemanden von lebenserhaltenden Maschinen abstöpselt.


    Der Rest meiner Ausführungen war nur ein besorgter Blick in die Zukunft.


    Ich fürchte eben, dass die Grenzen immer weiter hinausgeschoben werden, wenn der Damm erst einmal bricht.

  • Zitat

    Original von Rabarat
    Ich fürchte eben, dass die Grenzen immer weiter hinausgeschoben werden, wenn der Damm erst einmal bricht.


    Wo kann man hier unterschreiben? :write


    Ich argwöhne auch, was ich kürzlich mal als Äußerung eines Bundestagsabgeordneten las, nämlich daß die Betonnung des freien Willens dazu führen könnte, daß alte oder schwerkranke Menschen geradezu dazu gedrängt werden oder sich aufgrund äußerer Umstände genötigt fühlen könnten, eine strenge Patientenverfügung abzulegen. Freiwilliges Ableben als Beitrag zur Lösung des Rentenproblems und solche Sachen fallen einem dann schon ein ... :-(

  • Zitat

    Denn so mir nichts dir nichts kann man auch in den USA kein Menschenleben ausknipsen --



    -- vorausgesetzt derjenige steht nicht unter Mordanklage oder ist kein Angehöriger der Nation, gegen die gerade Krieg geführt wird. Aber das ist eine andere Geschichte.


    Heißt das dann gibt es solche rechtliche Regelungen nicht?
    Hast aber Recht Iris, ich glaube, ich mag das Rechtswesen der USA einfach zu wenig, als dass ich mir vorstellen könnte, die würden jemals auf irgendwelche Regelungen Acht geben.


    Zitat

    Freiwilliges Ableben als Beitrag zur Lösung des Rentenproblems und solche Sachen fallen einem dann schon ein ...


    Stellt sich mal einer vor, mit so was würde die Regierung bald ernsthaft anfangen. Dann wär es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Gesetzt, dass vorgibt wie alt ein Mensch werden darf, damit er dem Saat bloß nicht noch Verluste beschert. Gruselig

  • Zitat

    Original von Merlin
    Heißt das dann gibt es solche rechtliche Regelungen nicht?


    In Kampfgebieten gelten nur die Einschränkungen der Genfer Konvention, ansonsten inter arma enim silent leges (= "Unter Waffen schweigen die Gesetze", M. Tullius Cicero)


    Und die Todesstrafe ist eine ganz eigene Geschichte ... :rolleyes


    Zitat

    Stellt sich mal einer vor, mit so was würde die Regierung bald ernsthaft anfangen. Dann wär es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Gesetzt, dass vorgibt wie alt ein Mensch werden darf, damit er dem Saat bloß nicht noch Verluste beschert. Gruselig


    Ich glaube nicht, daß eine Regierung, die ernsthaft (wieder)gewählt werden will, eine solche Regelung erlassen würde; das wäre nur in einer Diktatur möglich -- und die sehe ich nicht am Horizont.
    Das Problem sähe ich im schlechenden Druck, der auf die alten Menschen ausgeübt würde, einen Druck, der von den "Leistungsträgern" ausgeübt würde, die keinen Bock haben, irgendetwas für die Allgemeinheit, das Gemeinwohl beizutragen, seien es Straßen und Schulen oder gar die Renten "anderer Leute".

  • Ne, ne ne....


    Ich arbeite in genau diesem Bereich, wo Betreuer, Ärzte, Angehörige mitenscheiden, was mit einem Patienten geschieht, der nicht mehr in der Lage ist, selbständig Nahrunge aufzunehmen entweder aus körperlich oder geistigen Gründen, oder eben weil er einfach nicht will.
    Fast IMMER wird dazu hintendiert, dem Menschen in akribischer Kleinarbeit das Essen/trinken einzuflößen...ist hart an der Grenze des Zwangs...sehr zweischneidiges Schwert.
    Enterale Ernährung bedeutet für solche Leute...dass sie so gut wie gar keine Chance haben ihr Leben selbst zu beenden...was ja eine gute Möglichkeit ist, wenn man Essen und Trinken verweigert...übrigens ein ganz normaler Vorgang.
    Enterale Ernährung bei Menschen die sich nicht dazu äussern können ist Zwangsernährung....kann und soll man auf jedenfall bei akuten Krankheiten tun!!
    Denn viele berappeln sich wieder und werden teilweise wieder etwas selbstständig.


    Das in die Richtung gearbeitet wird, das Patienten und gerade ältere Menschen eine Vorsorge treffen sollen..ist positiv zu bewerten und NICHT negativ!
    Fast alle Menschen, die sich verbal noch etwas äussern können..möchten sterben, wenn sie am Leben nicht mehr teilnehmen können, wollen.


    Ich finde es sehr vermessen jemandem den Tod zu verweigern..nur weil es die Medizin soweit gebracht hat.


    Noch was Gabi!
    Du machst Pflegeheime ziemlich schlecht, ich weiß nicht was du für Erfahrungen gemacht hast, ich hoffe mal nicht aus dem TV und der Presse,
    und lade dich hiermit sehr gerne mal ein, in Nierstein, speziell auf die Dementenabteilung zu kommen und dir das mal GENAU anzuschauen, da wird NIEMAND mit Medis *abgeschossen*
    Das Gegenteil ist der Fall...zumal gerade Demente und Schwerkranke die Tablettengabe ablehnen, was auch zu tolerieren ist.


    So..klar ist, dass man bei Patienten wie der Amerikanerin, das *Leben* noch erhalten kann...aber wer glaubt ernsthaft, dass die Frau das möchte..ich nicht!

  • Leider hab ich diese interessante Diskussion erst sehr spät entdeckt, aber ich freue mich dass hier so tiefgründig damit umgegangen wird. Diese Auseinandersetzung ist für jeden einzelnen wichtig und am besten dann, wenn man noch nicht in der situation ist.


    Bei uns in Graz läuft gerade ein sehr guter Film dazu:
    Das Meer in mir
    Originaltitel: Mar adentro
    Regie: Alejandro Amenábar
    Darsteller: Javier Bardem, Belén Rueda, Lola Dueñas, Mabel Rivera und José María Pou


    Javier Bardem möchte nach einem Unfall Sterbehilfe.
    Ramón (Javier Bardem) hatte vor 27 Jahren einen Unfall als es ins Meer sprang. Seitdem ist er querschnittsgelähmt aber träumt noch immer von der Schönheit des Meeres. Doch sein Körper ist damals gestorben, nur den Kopf, die Augen und den Mund kann er noch bewegen. Und seit 27 Jahren möchte er, dass auch sein Kopf sterben kann. Er fühlt sich zum Leben verdammt. Aber für den Tod würde er Hilfe brauchen - und die versagen ihm Staat und Kirche.


    Buchvorschlag zu diesem Thema:
    Schmetterling und Taucherglocke von Jean-Dominique Bauby
    ISBN: 3423125659

  • Die momentane Situation um diese Koma-Patientin ist eine der perversesten Sachen, die ich jemals in den Medien mitbekommen habe.


    Eine hilflose Person, nur mehr ein Spielball der eigenen Angehörigen, der Justiz, und wie könnte es alles sein, von den Neo-Cons, angeführt von seiner Heiligkeit himself, George W. Bush, der vor Jahren noch in Texas ein "Wenn es nichts mehr bringt, schaltet die Maschinen doch etwas schnelleraus, denn das kostet zuviel"-Gesetz einführte, missbraucht nun eine Komapatientin als politisches Machtinstrument, um die erzkonserative Seite zu sichern.


    Meine Meinung: Niemand darf über Leben und Tod entscheiden, nur die betreffende Person selbst.


    Das spricht sich so leicht, die arme Frau kann sich ja kaum mehr ausdrücken.


    Ich kann nur für mich sprechen:


    So würde ich nicht mehr leben wollen.



    Gruß

  • Ich kann es mir jetzt auch nicht vorstellen, so zu leben. Aber ich erlebe, bei den Menschen mit fortschreitenden Erkrankungen , die ich in meiner Arbeit betreue, dass sich ihre Einstellung oft wieder ändert, wenn sie dann in der entsprechenden Situation sind. Daher weiß ich, dass man das von sich selbst nie vorher schon festlegen kann. Der Lebenswille ist dann oft doch noch ungebrochen stark und man findet dann noch Dinge und Erfahrungen die einem doch noch Sinn genug geben, leben zu wollen. Bei den Menschen bei denen wir von außen nicht mehr erkennen können, was in ihnen vielleicht doch noch an Gefühlen und Gedanken vorgeht, glaube ich, kann man trotzdem darauf vertrauen, dass er dann stirbt, wenn es für ihn vorgesehen ist. Zumindest habe ich es beim Hospiz so erlebt, dass Menschen unabhängig von den Voraussagen der Ärzte dann gestorben sind, wenn sie ganz tief in ihrem Inneren losgelassen haben. Und darauf vertraue ich auch bei mir selbst, ich will niemanden anderen zumuten, diese entscheidung für mich treffen zu müssen.

  • Hi!


    Aus der Diskussion ob richtig oder falsch halte ich mich heraus. Aber ich finde die Berichterstattung einfach zum Kotzen, wie das Sterben dieser armen Frau zur öffentlichen Angelegenheit gemacht wird. Gönnt man ihr denn kein bißchen Frieden und Würde? Muß die Öffentlichkeit wirklich über jeden letzten Atemzug informiert werden?


    Bye,


    Grisel

  • ich find man sollte sie schon sterben lassen aber nich SO!
    also wenn ihr hirn so wie so schon matsch ist..
    aber verhungern und verdursten zu lassen muss ja dann auch nichts ein. dann doch lieber eine spritze und die qual hat für alle ein ende.


    hört sich jetzt vielleicht etwas hart an aber tschuldigung. meine meinung!

  • Hallo,


    als Krankenschwester habe ich schon einige Pat. gepflegt die als hirntot galten! Und ich kann dazu nur sagen: sie zeigen Regungen, man kann erkennen ob ihnen das Hinübersetzen in den Rollstuhl wehtut, ob es ihnen gut geht oder ob sie einen schlechten Tag haben. Von daher finde ich es einfach menschenunwürdig diesen Pat. Nahrung vorzuenthalten. Klar ist es für alle Betroffenen sehr schwierig einen geliebten Menschen so lange Zeit da liegen zu sehen, bewegungslos und zu keiner Regung fähig. Aber ihn deswegen verhungern/ verdursten lassen?
    Ich möchte jetzt nur hoffen, das sich die Angehörigen wieder zusammen raufen. Davon wird Teri auch nicht wieder lebendig.



    LG Gunda

  • Früher oder später war es klar, dass sie sterben würde. Ich denke, das ist eine Erleichterung für sie, auch wenn die Tatsache wie es gemacht wurde, herzlos war.

    Auch aus Steinen,
    die dir in den Weg gelegt werden,
    kannst du etwas Schönes bauen

    Erich Kästner

  • Doppelt makaber finde ich die Tatsache, dass die Komapatientein aufgrund eines Herzinfarktes ins Koma fiel, der durch eine Ess-Störung verursacht wurde. Eine Ess-Störung, die sie während ihrer Ehe mit diesem fürsorglichen Mann entwickelt hatte. Dass er nach all dieser Zeit, in der er schon wieder eine andere Frau und Kinder hat, es durchsetzen kann, dass sie verdurstet und verhungert finde ich einfach unfassbar.

  • Zitat

    Eine Ess-Störung, die sie während ihrer Ehe mit diesem fürsorglichen Mann entwickelt hatte. Dass er nach all dieser Zeit, in der er schon wieder eine andere Frau und Kinder hat, es durchsetzen kann, dass sie verdurstet und verhungert finde ich einfach unfassbar.


    Hast du Beweise, dass der Mann schuld ist, dass sie die Essstörung bekam?


    :wow