'Zeiten des Aufruhrs' - Teil 3. Kapitel 1 - 4

  • Ist mir ja fast peinlich, aber ich hatte heute wirklich viel Zeit zum Lesen, und das Buch hat mich gefesselt.


    Je weiter das Buch voranschreitet, um so mehr tut mir April Leid.
    Frank redet und redet und redet auf sie ein, denn sie will das Kind abtreiben und er ist eigentlich schon sicher, dass alles so bleibt wie es war, will heißen dass das Kind die Auswanderungspläne zunichte macht. Er geht so weit, ihr zu einem Psychoanalytiker zu raten. Das war der Zeitpunkt, an dem ich wirklich Mitleid mit ihr hatte. Keine Ahnung, wie lange sie dem noch standhalten wird.


    Kaum ist klar, dass sie nicht weggehen, fährt Frank fort, sich seine Männlichkeit oder besser sein Mannsein zu bestätigen. Er setzt sogar seine Affäre mit Maureen fort, ohne sich auch nur die geringsten Gedanken zu machen, was aus ihr werden wird, wenn er die Sachen beenden wird, und das stand außer Frage. Deren Freundin Norma hält ihm den Spiegel vor, trifft ihn haarscharf, so dass er sich selbst wie nackt im Spotlight stehen sieht.


    April weiß wenigstens, dass sie nicht weiß, wer sie ist, und das wird sie wohl zerstören. Aus ihrer Kindheit erfahren wir, dass sie schon damals sehnsüchtig war nach dem, was sie nicht hatte und war, und sie war einsam. Vielleicht war es das, was sie zu Frank getrieben hatte, dass der immer genau zu wissen schien, wer er ist und was er will oder eben auch nicht.


    April lässt sich sogar auf eine kurze Episode mit Shep Campbell ein, schnell auf dem Rücksitz eines Autos, vielleicht um sich lebendig zu fühlen, vielleicht um zu wissen, wer sie ist, vielleicht aus einer verzweifelten Gleichgültigkeit heraus.


    Ein guter Ausgang der Geschichte ist, glaube ich, sehr unwahrscheinlich.

  • Was mir jetzt mehrfach auffällt, ist die Tatsache, dass etwas Militärisches erwähnt wird, militärische Begriffe fallen. Hier zu Beginn auch, es hat scheinbar keinen Bezug zur eigentlichen Geschichte und doch … Krieg ist also angesagt, man hat darum zu kämpfen, die eigene Ansicht der „richtigen Entscheidung“ (Seite 233) durchzusetzen. Und diese „richtige Entscheidung“ betrifft, so glaube ich, nicht nur das Kind, sondern letztlich ihr Leben als Ehepaar. Da geht es um die beste Position, um Manövrieren und Überzeugen mit den eigenen besseren Waffen resp. Argumenten, da geht es um das Durchsetzen der eigenen Vorstellung. Und wenn dem so ist, darf man wohl fragen, ob die beiden im Grunde nicht mehr trennt als sie eint. Clare sagte – sinngemäß - im 1. Abschnitt, sie seien in ihrer Verliebtheit steckengeblieben; ich frage mich, in was sie eigentlich verliebt waren: ineinander oder nicht doch mehr in das Bild, die Vorstellung, die sie sich vom anderen gemacht haben, von diesem Anderssein, ohne dass sie genau wissen wollten, inwieweit die Realität mit der Vorstellung übereinstimmte.


    „Werbekampagne“ (Seite 239) nennt Yates diese Manöver, er ist höflicher als ich. Frank hat es jedenfalls drauf, seine Frau klein zu reden, jetzt redet er ihr auch noch irgendeine Störung ein. Vielleicht hat sie die ja auch, aber ob es Sinn macht, die ins grelle Licht zu zerren in ihrer Verfassung? Immerhin kann man dann den Besuch beim Psychoanalytiker ins Spiel bringen.


    Sie bleiben also vermutlich, wo sie sind. Dass dazu jeder der Nachbarn, Freunde etc. etwas zu sagen hat, ist ein Wunder nicht. Die arme kleine Jennifer macht sich ihre Sorgen, man sieht sie zwischen den Zeilen stehen.


    Dieser Abschnitt hat mich geschafft. Und die Tatsache, dass Frank das Kind höchstwahrscheinlich auch nicht will, aber es jetzt zu akzeptieren hat, weil sein Leben ja wieder die Bahn entlangläuft, die er geplant hat, trägt nicht zu meiner Beruhigung bei. Eine „neue, reife, unsentimentale Art von Ehe“ (Seite 263) werden sie zu führen haben, meint er. Willkommen im Alltag, kann man da nur sagen. Die Frage wird sein, ob ihre Ehe dem standhält. Jeder soll seine eigenen Probleme haben (gibt es keine gemeinsamen?); jeder hat seine mehr oder weniger kleine Affäre. Es findet sich ein neuer Schlüssel zum Verständnis von Aprils Verhalten (Seite 278). Franks perfektes Bild von sich bröckelt wenigstens ein bisschen, aber man hat ja seine Strategien, er will reden, sie will nicht. Er will beichten, sie auch, sagt ihm eine unangenehme Wahrheit (ja, ich glaube schon, dass das die Wahrheit ist). Hier scheint mir jeder sich nur selbst zu lieben, sich und seine Probleme. Oder nur die Probleme, je nach Tagesform.

  • Leider war in diesem Abschnitt für mich ein bisschen die Luft raus, obwohl ja noch einiges passiert.
    Frank nimmt seine Affäre wieder auf (wieso eigentlich?), April versucht auch noch einmal, aus dem Gefühl heraus, etwas verpasst zu haben, die in der Jugend nicht stattgefundenen Extremitäten auszuleben, und dann ausgerechnet mit ihrem Kumpel-Freund Shep, der glaubt, in sie verliebt zu sein.


    Nun werden also auch Gefühle von Außenstehenden verletzt, die Reaktionen derer kann man ja kaum voraussehen, da stehen bzw. standen dem Autor zur Weiterführung der Geschichte zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung.


    Schön, der Abschnitt endet endlich mal mit einer klaren Äußerung, "ich liebe dich nicht". Damit muss das Ehepaar jetzt erstmal umgehen.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Zitat

    Original von killerbinchen
    Leider war in diesem Abschnitt für mich ein bisschen die Luft raus, obwohl ja noch einiges passiert.


    Das kann ich für mich nicht sagen. Ich finde es nach wie vor fesselnd und auch irgendwie spannend.
    Was Frank zu Anfang dieses Abschnitts alles anstellt und zusammenspinnt um April vom Bleiben zu überzeugen, kam mir befremdlich und unverständlich vor. Z. B. die Sache mit dem "Penisneid" S. 250 ?(. Ob ihm das selbst alles so richtig klar war? Nun ja, jedenfalls bleiben sie nun und ihr Umfeld nimmt es erfreut zur Kenntnis.
    Komisch die Reaktion der Kinder. Michael gleichgültig, Jennifer, hm - misstrauisch war mein Eindruck :gruebel.


    Zitat

    Original von killerbinchen
    Frank nimmt seine Affäre wieder auf (wieso eigentlich?)


    Einfach weil es geht! Weil Maureen leicht zu haben ist.
    Um Maureen habe ich mich ein bisschen gesorgt, als er sie so zurückgelassen hat. Ich hatte das Gefühl, sie könnte sich etwas antun.


    Typisch, dass er es April erzählt. Als er von ihr Ablehnung erfährt, muss er sich mit Maureen brüsten, geht einfach nicht anders bei ihm.
    Aber April gibt`s ihm ;-). S. 298: "Ich möcht nicht wissen, warum du dich mit dem Mädchen eingelassen hast, ich möcht wissen, warum du mir davon erzählt hast...u.s.w." Sie ist außerordentlich scharfsichtig und scharfzüngig, wenn es sein muss.

  • Zitat

    Original von Lumos
    ...
    Komisch die Reaktion der Kinder. Michael gleichgültig, Jennifer, hm - misstrauisch war mein Eindruck :gruebel.


    Ich glaube, dass diese Kinder, so jung sie auch noch sind, schon gelernt haben, nicht zu viel zu erwarten, sich nicht zu sehr über und auf etwas zu freuen, sich auf nichts zu verlassen, denn alles kann sich jeder Zeit ändern. Ich glaube, sie trauen dem Frieden einfach nicht. Sie habe wohl schon zu viele Enttäuschungen erlebt.


    Zitat

    Original von killerbinchen
    Frank nimmt seine Affäre wieder auf (wieso eigentlich?)


    Zitat

    Einfach weil es geht!


    Ich denke auch, dass ihm einfach danach war, und er war sich sicher, dass sie ihn wieder lässt. Wieder so eine kleine Phase, in der er sich etwas beweisen musste, der Mann! :rolleyes

    - Freiheit, die den Himmel streift -

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  • Die Kinder wurden vom Autor genauso vernachlässigt, wie von den Eltern. Eine echte eigene Stimme haben sie nicht, man muss sich mit wenigen Passagen über sie zufrieden geben. Aber ich hätte auch nicht wirklich auch noch über das Unglück der Kinder aus erster Hand sozusagen lesen wollen; dafür sind die Wheelers mit ihrer Beziehungs- und Lebensfehde doch schon anstrengend genug.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Zitat

    Original von killerbinchen
    Leider war in diesem Abschnitt für mich ein bisschen die Luft raus, obwohl ja noch einiges passiert.


    "Die Luft raus" würde ich es jetzt nicht bezeichnen, aber so langsam geht mir das ganze hin und her mächtig auf den Keks. Da reden die beiden immer und immer wieder miteinander und reden trotzdem nicht Klartext. :fetch Na zumindest am Ende des Abschnitts ist April ehrlich und sagt Frank, dass sie ihn nicht liebt.


    Zitat

    Original von clareEin guter Ausgang der Geschichte ist, glaube ich, sehr unwahrscheinlich.


    Gut im Sinne von Happy End sicherlich nicht, aber alles andere als diese nicht funktionierende Ehe kann nur besser für die beiden sein - und eigentlich auch für die Kinder.


    Zitat

    Original von clareJe weiter das Buch voranschreitet, um so mehr tut mir April Leid.
    Frank redet und redet und redet auf sie ein, denn sie will das Kind abtreiben und er ist eigentlich schon sicher, dass alles so bleibt wie es war, will heißen dass das Kind die Auswanderungspläne zunichte macht. Er geht so weit, ihr zu einem Psychoanalytiker zu raten. Das war der Zeitpunkt, an dem ich wirklich Mitleid mit ihr hatte. Keine Ahnung, wie lange sie dem noch standhalten wird.


    Mein Mitleid mit April hält sich in Grenzen, aber es mag auch daran liegen, dass wir nie etwas aus ihrer Sicht erfahren. Ok, beim Techtelmechtel mit Shep konnten wir lesen, dass sie nicht weiß wer sie ist und was sie will. Ich glaube auch, dass sie das gemacht hat um vielleicht Grenzen zu überschreiten und etwas Nervenkitzel zu spühren. Ob sie es Frank noch erzählt?

    Zitat

    Original von killerbinchen
    Frank nimmt seine Affäre wieder auf (wieso eigentlich?), April versucht auch noch einmal, aus dem Gefühl heraus, etwas verpasst zu haben, die in der Jugend nicht stattgefundenen Extremitäten auszuleben, und dann ausgerechnet mit ihrem Kumpel-Freund Shep, der glaubt, in sie verliebt zu sein.


    Tja, der gute Frank weiß genauso wenig wie April was er will. Mal muss er seine Männlichkeit beweisen, mal muss er sich einfach durchsetzen (auch wenn er eigentlich auch kein 3. Kind will) und dann will er auf einmal doch wieder mehr traute Zweisamkeit mit April. :pille Das nervt langsam wirklich beim Lesen, da kann ich nur drauf hoffen, dass endlich mal Konsequenzen gezogen werden.


    Ich hätte ja April zugetraut, dass sie diese Gummispritze heimlich anwendet. Aber da hab ich mich wohl getäuscht...


    Zitat

    Original von LumosKomisch die Reaktion der Kinder. Michael gleichgültig, Jennifer, hm - misstrauisch war mein Eindruck :gruebel .


    Die Reaktion der Kinder fand ich auch sehr verhalten. Aber ich glaube auch, dass sie in der Familie schon zu oft enttäuscht wurden zumindest Jennifer und es daher eher gelassen aufnehmen. Kann sich ja sowieso alles schnell wieder ändern. Vielleicht hat Jennifer auch schon was von der Schwangerschaft aufgeschnappt und hat deshalb so misstrauiisch reagiert, weil sie nichts davon erzählt haben... :gruebel

  • Zitat

    Original von Sonnschein


    Gut im Sinne von Happy End sicherlich nicht, aber alles andere als diese nicht funktionierende Ehe kann nur besser für die beiden sein - und eigentlich auch für die Kinder.


    Hm :gruebel
    Selbst wenn für die Beiden eine Trennung vielleicht das Beste wäre, aber wer weiß das schon, würde ich diesen Ausgang trotzdem nicht als "gutes Ende" benennen. Ich finde es immer sehr traurig, wenn sich Partner trennen, weil die Fremdheit und die Differenzen zu groß geworden sind.
    Und ob das für die Kinder der Wheelers das Beste wäre...Bei wem von Beiden sollten sie denn bleiben? Verfahrene Situation.


    Zitat

    Tja, der gute Frank weiß genauso wenig wie April was er will. Mal muss er seine Männlichkeit beweisen, mal muss er sich einfach durchsetzen (auch wenn er eigentlich auch kein 3. Kind will) und dann will er auf einmal doch wieder mehr traute Zweisamkeit mit April. :pille Das nervt langsam wirklich beim Lesen, da kann ich nur drauf hoffen, dass endlich mal Konsequenzen gezogen werden.


    Mich hat das gar nicht genervt. War es nicht gerade das, was uns Yates zeigen wollte: Das Ausweglose und Sinnlose der Situation der Beiden. Abwechselnd versuchen sie entweder zu retten, was zu retten ist oder sie resignieren.