Das Tiefland [The Lowland] - Jhumpa Lahiri

  • Jhumpa Lahiri: Das Tiefland

    Verlag: Rowohlt Buchverlag 2014. 528 Seiten

    ISBN-13: 978-3498039318. 22,90€

    Originaltitel: The Lowland

    Übersetzerin: Gertraude Krueger


    Verlagstext 1

    Nach sechs Jahren meldet sich die Autorin der wunderbaren Liebesgeschichte "Einmal im Leben" mit einem neuen Roman zurück:

    Am Rande eines mit Wasserhyazinthen über­wucherten, zu Monsunzeiten überschwemmten Tieflands in einem Vorort von Kalkutta wachsen die Brüder Subhash und Udayan Mitra auf. Sie sind unzertrennlich, aber auch sehr verschieden. Beide interessieren sich für Wissenschaft und Politik. Aber Subhash, der Pflichtbewusste, entzieht sich den wirren politischen Verhältnissen der sechziger Jahre und zieht in ein ruhiges Küstenstädtchen im Osten der USA, um sich dort der Wissenschaft zu widmen. Udayan hingegen lässt sich mit militanten Maoisten ein und riskiert alles für seinen Traum von einer gerechteren Welt … Aber als Subhash erfährt, was seinem Bruder in jenem mit Hyazinthen überwucherten Gewässer zugestoßen ist, kehrt er nach Indien zurück, um die Wunden zu heilen, die Udayan, nicht zuletzt im Herzen seiner jungen, schwangeren Frau, geschlagen hat. Es entspinnt sich ein mitreißendes familiäres Drama über Kontinente und Generationen. Dieser beeindruckende Roman war in den an­gelsächsischen Ländern ein großer Bestseller. Lahiris Kunst liegt in der Verbindung von weiter Perspektive mit intimster persönlicher Geschichte. Ihre Charaktere, ihre Sätze und Bilder funkeln: Sie ist eine literarische Meisterin, eine der faszinierendsten und erfolgreichsten Autorinnen in den USA von heute.


    Verlagstext 2

    From Subhash's earliest memories, at every point, his brother was there. In the suburban streets of Calcutta where they wandered before dusk and in the hyacinth-strewn ponds where they played for hours on end, Udayan was always in his older brother's sight. So close in age, they were inseparable in childhood and yet, as the years pass - as U.S tanks roll into Vietnam and riots sweep across India - their brotherly bond can do nothing to forestall the tragedy that will upend their lives. Udayan - charismatic and impulsive - finds himself drawn to the Naxalite movement, a rebellion waged to eradicate inequity and poverty. He will give everything, risk all, for what he believes, and in doing so will transform the futures of those dearest to him: his newly married, pregnant wife, his brother and their parents. For all of them, the repercussions of his actions will reverberate across continents and seep through the generations that follow. Epic in its canvas and intimate in its portrayal of lives undone and forged anew, The Lowland is a deeply felt novel of family ties that entangle and fray in ways unforeseen and unrevealed, of ties that ineluctably define who we are. With all the hallmarks of Jhumpa Lahiri's achingly poignant, exquisitely empathetic story-telling, this is her most devastating work of fiction to date. Shortlisted for the Man Booker Prize 2013.


    Die Autorin
    Jhumpa Lahiri wurde in London geboren und wuchs in Rhode Island auf. Für ihre Romane und Erzählungen wurde sie u.a. mit dem Pulitzer Preis, dem PEN/Hemingway Award und dem Commonwealth Writers' Prize ausgezeichnet. Seit 2012 ist sie Mitglied der American Academy of Arts and Letters.


    Inhalt
    Als Mitglied einer militanten Studentengruppe in Bengalen, die der marxistisch-leninistischen Naxalbari-Partei nahestand, hätte Udayan niemals heiraten dürfen. Seine Frau Gauri ist in der Familie Mitra unerwünscht, weil Udayans Eltern die Ehe nicht arrangiert haben, und fortan verplichtet, sich in allem ihrer Schwiegermutter unterzuordnen. Udayan und sein Bruder Subhash, die einander als Kinder zugetan waren wie Zwillinge, sind 1943 und 1944 geboren. Als fleißige, technisch und naturwissenschaftlich interessierte Schüler liegt vor den Brüdern in Indien eine solide Ausbildung und anschließend ein Dasein als qualifizierte Arbeitslose. Der ältere Subhash erlangt ein Stipendium zum Studium in den USA und kann sich den traditionellen Vorstellungen der Eltern zunächst entziehen. Als Udayan von der Polizei getötet wird, liegt vor seiner jungen Witwe, die zuvor Philosophie studierte, ein von der Welt abgeschottetes Leben im weißen Sari unter der Fuchtel der Schwiegermutter. Subhash tut, was er nie beabsichtigt hatte. Um Gauri mit nach Rhode Island nehmen zu können, schließt er eine Vernunftehe und übernimmt die Vaterschaft für Udayans ungeborenes Kind.


    Über Udayans Tod und die Vorstellungen des jungen Paares von ihrer Zukunft wird in der neuen Heimat kaum gesprochen. Subhash stellt sich für Gauri ein traditionelles Dasein als Hausfrau vor, obwohl sich für das Leben eines jungen Paars mit Kind auf dem Campus auch andere Rollenmodelle angeboten hätten. Gauri bringt anfangs jede freie Minute als Gasthörerin an der Uni zu, sie wird gefördert, promoviert, bis sie schließlich förmlich den Sari ablegt, Mann und Kind verlässt, um in Kalifornien selbst Philosophie zu lehren. Der Kontakt zwischen Subhash und Gauri reisst ab. Aus Scham und Sprachlosigkeit verschweigen Subhash und Gauri zukünftig ihr Schicksal und leben, als hätte es nie einen Ehepartner gegeben. Gauri zeigt sich flexibler als ihr zweiter Mann; sie wechselt in kurzer Zeit ihre Rollen von der Studentin zur Witwe, wieder zur Ehefrau, übernimmt die Mutterrolle und legt sie wieder ab. Subhash zieht seine Tochter allein auf, eine Rolle, auf die ihn niemand vorbereitet hat. Er, der arrangierte Ehen abgelehnt hatte, findet selbst im liberalen Uni-Milieu ohne die Orientierung seiner eigenen Kultur nur schwer in seine neue Rolle. Zum Moment der Wahrheit kommt es nie, in dem er seine Tochter Bela über ihre Herkunft informieren könnte. Auch über Indien und die Lebensumstände der Großeltern wird bei Mitras nicht gesprochen. Tochter Bela nimmt als Erwachsene das Leben einer sozial engagierten und umweltbewussten Vagabundin auf und stellt den Lebensentwurf ihres Vaters damit demonstrativ infrage. Den Groll auf den Vater verdrängt Bela jahrelang, dem sie die Schuld daran gibt, dass ihre Mutter die Familie verlassen hat. Ihre Mutter erklärt sie anderen gegenüber für tot. Belas im Vagabundendasein verborgene Rollensuche zeigt beispielhaft, wie schwer eingefahrene Verhaltensmuster als Partner und Eltern zu verändern sind, wenn dafür Vorbilder fehlen. Bela bricht schließlich das Schweigen unter den in alle Winde verstreuten Familienmitgliedern.


    Fazit
    Jhumpa Lahiri zeichnet auch in "Das Tiefland" (Lowland ist das sumpfige Stück Flachland hinter dem Elternhaus der Brüder Mitra in Kalkutta) das Schicksal bengalischer Einwanderer in den USA nach. Über vier Generationen und mehr als 50 Jahre können Lahiris Leser die Suche der Nachkommen einer traditionellen indischen Familie nach einem neuen Lebensentwurf verfolgen. Ein großartiger Roman mit unvergesslichen Figuren.


    10 von 10 Punkten


    Edit: Ich habe den dt. Titel ergänzt und die ISBN dazu eingetrsgen, damit die deutsche Ausgabe im Verzeichnis auftaucht. LG JaneDoe


    [edit 18.6.2019]




  • Vielen Dank für deine Rezension, Buchdoktor. :wave Das Buch stand bei mir sowieso schon auf der Wunschliste, nun wandert es noch ein paar Plätze nach oben.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Die Übersetzung ins Deutsche erscheint im August.


    Nach sechs Jahren meldet sich die Autorin der wunderbaren Liebesgeschichte "Einmal im Leben" mit einem neuen Roman zurück: Am Rande eines mit Wasserhyazinthen überwucherten, zu Monsunzeiten unter Wasser stehenden Tieflands in einem Vorort von Kalkutta wachsen die Brüder Subhash und Udayan Mitra auf. Sie sind unzertrennlich, aber auch sehr verschieden. Beide interessieren sich für Wissenschaft und Politik. Aber Subhash, der Pflichtbewusste, entzieht sich den wirren politischen Verhältnissen der sechziger Jahre und zieht in ein ruhiges Küstenstädtchen in den USA, um sich dort der Wissenschaft zu widmen. Udayan hingegen lässt sich mit militanten Maoisten ein und riskiert alles für seinen Traum von einer gerechteren Welt, sogar sein Leben... Aber als Subhash erfährt, was seinem Bruder in jenem mit Hyazinthen überwucherten Gewässer zugestoßen ist, kehrt er nach Indien zurück, um die Wunden zu heilen, die Udayan, nicht zuletzt im Herzen seiner jungen, schwangeren Frau, geschlagen hat. Es entspinnt sich ein mitreißendes familiäres Drama über Kontinente und Generationen... Dieser faszinierende Roman war in den angelsächsischen Ländern ein großer Bestseller. Lahiris Kunst liegt in der Verbindung von weiter Perspektive mit intimster persönlicher Geschichte. Sie ist eine literarische Meisterin, eine der faszinierendsten und erfolgreichsten Autorinnen in den USA von heute.

  • Die Autorin (Quelle: Amazon)
    Jhumpa Lahiri wurde in London geboren und wuchs in Rhode Island auf. Für ihre Romane und Erzählungen wurde sie u.a. mit dem Pulitzer Preis, dem PEN/Hemingway Award und dem Commonwealth Writers' Prize ausgezeichnet. Seit 2012 ist sie Mitglied der American Academy of Arts and Letters.


    Das Buch (Quelle: Amazon)
    Nach sechs Jahren meldet sich die Autorin der wunderbaren Liebesgeschichte "Einmal im Leben" mit einem neuen Roman zurück: Am Rande eines mit Wasserhyazinthen über wucherten, zu Monsunzeiten überschwemmten Tieflands in einem Vorort von Kalkutta wachsen die Brüder Subhash und Udayan Mitra auf. Sie sind unzertrennlich, aber auch sehr verschieden. Beide interessieren sich für Wissenschaft und Politik. Aber Subhash, der Pflichtbewusste, entzieht sich den wirren politischen Verhältnissen der sechziger Jahre und zieht in ein ruhiges Küstenstädtchen im Osten der USA, um sich dort der Wissenschaft zu widmen. Udayan hingegen lässt sich mit militanten Maoisten ein und riskiert alles für seinen Traum von einer gerechteren Welt… Aber als Subhash erfährt, was seinem Bruder in jenem mit Hyazinthen überwucherten Gewässer zugestoßen ist, kehrt er nach Indien zurück, um die Wunden zu heilen, die Udayan, nicht zuletzt im Herzen seiner jungen, schwangeren Frau, geschlagen hat. Es entspinnt sich ein mitreißendes familiäres Drama über Kontinente und Generationen. Dieser beeindruckende Roman war in den an gelsächsischen Ländern ein großer Bestseller. Lahiris Kunst liegt in der Verbindung von weiter Perspektive mit intimster persönlicher Geschichte. Ihre Charaktere, ihre Sätze und Bilder funkeln: Sie ist eine literarische Meisterin, eine der faszinierendsten und erfolgreichsten Autorinnen in den USA von heute.


    Meinung:
    Ein Buch, geschrieben in der Tradition der großen indisch-stämmigen Erzähler, das durchaus zwischen den großen Romanen „Das Gleichgewicht der Welt“ von Rohinton Mistry, „Shalimar der Narr“ von Salman Rushdie und „Der Gott der kleinen Dinge“ von Arundhati Roy ins Bücherregal gehört. Die Autorin schafft es, die Handlung in einer Sprache zu zeichnen, die direkt ins Herz trifft. Es geht um die große Tragödie des Lebens - die Schuld, die den Lebensweg der Protagonistin bestimmt und eine Familie über mehrere Generationen in Indien und in den USA ins Unglück stürzt. Und doch, trotz alledem, finden die von der Tragödie Gezeichneten ihren Weg, der zwar nicht zum Glück führt, aber immerhin schafft es jeder auf seine Art, die Verzweiflung zu überwinden. Und am Ende bleibt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

  • Sach nur, du hast das Dingenskirchen auch noch mal auf Deutsch gelesen, Buchdoktor? - okay, habe den letzten Link gelesen, allles klar.

  • Ich habe den Roman in den letzten Tagen auch mit großer Faszination gelesen.


    Meine Meinung:
    Ende der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts wachsen die Brüder Subhash und Udayan Mitra in einem Vorort von Kalkutta am Rande eines von Wasserhyazinthen bewachsenen, zur Monsunzeit überschwemmten Tieflands auf. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit haben die Brüder eine sehr enge Beziehung, die auch nach ihrer Jugend anhält. Gemeinsam haben sie einen starken Wissensdrang, der sich später insbesondere auf die Gebiete der Technik, der Naturwissenschaft und der Politik fokussiert. Der eher pflicht- und verantwortungsbewusste Subhash entscheidet sich mittels eines Stipendiums seine Studien in den USA, Rhode Islands, fortzusetzen, und entzieht sich damit den politischen Unruhen im Westbengalen der sechziger Jahre, aber auch dem Traditionsdenken seiner indischen Familie. Sein Bruder Udayan engagiert sich für seine Überzeugungen und das Ziel, Westbengalen zu verändern. Er schließt sich einer Gruppe der marxistisch-leninistischen Rebellen, den Naxaliten, an, und risikiert für seine politischen Träume sein Leben. Als Subhash von seinen Eltern dringlich nach Kalkuatta zurückgerufen wird, erfährt er, was seinem Bruder im Tiefland widerfahren ist, und zu welchen seelischen Verletzungen dies bei seinen Eltern und bei Udayans junger, schwangerer Frau geführt hat. Subhash trifft eine Entscheidung, die das Leben aller Familienmitglieder dramatisch verändert und auf Generationen hinaus prägen wird, unabhängig davon, auf welchem Kontinent diese Leben.


    Der Klappentext des Romans „Das Tiefland“ von Jumpha Lahiri besagt, daß es sich um ein mitreißendes familiäres Drama über Kontinente und Generationen handelt. Trotz der dramatischen Ereignisse im Leben von Udayan und Subhash Mitra habe ich den Roman eher als bittersüße, melancholische Ballade empfunden, was zum Einen am Verlauf der Geschichte nach den dramatischen Ereignissen und deren Einfluss auf die diversen Familienmitgliedern liegt, zum Anderen am Erzählstil der Autorin.


    Jhumpa Lahiri erzählt die Geschichte von Udayan und Subash Mitra und ihren Familienangehörigen in einer präzisen, nuancierten, aber stets etwas distanziert wirkenden, nüchternen Sprache. Dies bewirkte bei mir, daß die Bilder, die in meinem Kopf entstanden, nie in Hochglanz sondern stets matt wahrnehmbar waren, obwohl die Charaktere klar umrissen, plastisch und lebhaft wurden. Dennoch habe ich „Das Tiefland“ mit großer Faszination nahezu in einem Zug gelesen. Jumpha Lahiri gelingt mit ihrem Erzählstil das Kunststück, mit der Naxalitenbewegung ein historisches mir bisher nicht bekanntes Ereignis mit den Themen Generationenkonflikt, Migrationsschwierigkeiten und persönlichen, intimen Fragestellungen zu Verlust, Liebe und Tod so geschickt miteinander zu verweben, daß der Roman trotz der Themenvielfalt nicht überfrachtet wirkt. Die Autorin läßt die Motive und Auslöser der Handlungen ihrer Hauptfiguren bei deren Suche nach neuen Lebensentwürfen in den USA transparent, manchmal fast schmerzlich klar werden.


    „Das Tiefland“ von Jhumpa Lahiri, Geschichte einer bengalischen Familie und ihrer in die USA ausgewanderten Nachfahren über vier Generationen, war für mich ein beeindruckendes, nachhaltiges, literarisches Leseerlebnis, das ich sowohl Lesern von historischen Romanen, Familiendramen, als auch Indieninteressierten und Lesern zeitgenössischer Literatur empfehlen kann. Für mich kein Wunder, dass es zur Shortlist des Man Booker Prize 2013 gehört.


    9 von 10 Punkten