freikirchen - spez. pfingstgemeinde

  • Alexx, uns befremdet offensichtlich das vermeintliche Korsett einer Glaubensgemeinschaft. Tatsächlich treffen wir "Normalos" weit seltener wirklich freie Entscheidungen (wenn überhaupt), als wir annehmen. Und wenn derjenige wirklich glücklich damit ist, sich geborgen fühlt, unter gleichen, dann ist's doch absolut okay. Oder nicht?


    Das sind auch keine "Extremos". Vor nicht allzu langer Zeit war das, was diese Gemeinschaften "predigen", das gängige Paradigma für fast alle. Und dem Beitritt zu so einer Gemeinschaft geht eine freie Entscheidung voraus; gezwungen wird meiner Kenntnis nach niemand.


    Ehrlich, ich find's viel schlimmer, was Werbung und Fernsehen mit uns machen. Dagegen sieht ein solider, bodenständiger Gläubiger wie ein wirklich denkender Mensch aus, manchmal. :grin

  • hm....gewzungen wird niemand ..schreibst du..aber in so eine Obergläubige Familie hineingeboren zu werden..ohne Chance, jemals etwas anderes kennenzulernen..da es ja nicht gerne gesehen wird..hm. ob das eine freie Entscheidung ist??


    Beeinflusst wird jeder Mensch..aber doch von vielen Seiten..nicht nur von einer.
    Dass Menschen sich in solchen "Gemeinschaften" wohlfühlen kann ich mir schon denken..denn es macht das Leben doch auch einfacher..Anstehende Entscheidungen sind leichter zu fällen...da das Korsett um einiges enger ist..hat natürlich auch Vorteile

  • Tom
    da kann ich dir nicht ganz zustimmen, wie gesagt die ganze Familie meiner Freundin war dort Mitglied, sie ebenfalls seit ihrer Geburt, ein Austritt hätte den Ausschluß aus der Familie zur Folge gehabt, das ist schon eine Form von Zwang oder?



    Eine meiner jetzigen Kolleginnen war durch ihre Eltern ebenfalls in einer solchen Gemeinde und wurde total weltfremd erzogen. Sie ist vor einiger Zeit ausgetreten und hat seit dem nur noch wenig bis gar keinen Kontakt zu ihren Eltern und Geschwistern.
    Das nimmt sie immer noch sehr mit. Schlimmer empfinde ich aber, daß ihr Mitgefühl und ihre Naivität von so vielen ausgenutzt wird. Sie ist wenn ich sie richtig verstanden habe in einem Kokon aufgewachsen und sieht immer nur das Gute im Menschen, was sie in eine ständige "Opferrolle" drängt.
    (Irgendwie kann ich das nicht so ausdrücken, wie ich es empfinde, ich hoffe es versteht irgendwer, was ich meine)

  • Mag ja sein, aber was ist schlechter, was ist besser? Das Hereingeborenwerden in eine derartige Gemeinschaft, oder in die wertefreie Restwelt? Wie gesagt, ich plädoyiere nicht dafür (nicht länge mir ferner), aber diese abwertende/abschätzige Ausgrenzung dieser Art von Denke und Lebensgefühl gefällt mir auch nicht.

  • Zitat

    ein Austritt hätte den Ausschluß aus der Familie zur Folge gehabt, das ist schon eine Form von Zwang oder?


    Manch einer darf keine freie Berufswahl treffen oder muß sich mit über 40 noch das Einverständnis der Eltern abholen, um jemanden zu heiraten. Sowas passiert innerhalb und außerhalb solcher Glaubensgemeinschaften. Und versuch doch mal, in irgendeinem bayerischen Minidorf großzuwerden, ohne Mitglied der katholischen Kirche zu sein.


    "Weltfremd" - was heißt das? Die Welt, das ist das, was wir aus ihr machen, und an diesem Gestaltungsprozeß dürfen alle teilnehmen.

  • Zitat

    Wertefrei????


    Wir erleben definitiv einen enormen Verlust an Werten wie Nächstenliebe, Toleranz, Gemeinschaftsgeist. Die Lebenszielsetzungen sind fast ausschließlich von materiellen Aspekten bestimmt. Der Umgang ist ruppiger geworden. Undsoweiter. Dem ist m.E. kaum zu widersprechen. Und Werte, die einem nicht früh nahegebracht werden, nimmt man später kaum mehr für sich an.

  • Na, ich find es interessant welche Diskussion sich hieraus entwickelt hat und es ist auch interessant zu hören, dass man den Angehörigen einer solchen Gemeinde verloren glaubt für ein 'normales' Leben. Anders herum geht es den Gläubigen solcher Gemeinden auch so, wir sind verloren wenn wir uns nicht auf unsere Werte besinnen.


    Als ich meinen Mann kennenlernte hatte ich eine ziemlich schlimme Zeit hinter mir und ich hatte keine Ahnung, wie es mir nach Trennung und Scheidung von meinem Ex gehen würde. Ich war in den ganzen Jahren meiner Ehe eher kein Kirchgänger, was glaubensmäßig ablief hatte mehr oder weniger mit der Pfadfindergruppe zu tun in der wir aktiv waren.


    Ich bin dann freiwillig, nur mal zum Schnuppern, mit meinem Mann zum Gottesdienst in 'seine' Kirche gegangen. Und verdammt, mir hat das damals gut getan. Jedenfalls hat mich nichts mehr wirklich auf den Boden ziehen können. Zu der Zeit hatte ich einige Veränderungen zu bewältigen und ich hab es geschafft. Damals war ich der Meinung, dass mir diese Gottesdienste die Kraft dazu geben. Aber wirklich vereinnahmen konnten mich diese Leute nicht. Ich hab mir das herausgepickt was mir guttat, den Rest habe ich 'ertragen'.


    Auch wenn Gemeindeglieder versuchten, mich zu missionieren, mein Mann wollte es eher nicht. Er wollte dass ich das tue was mir wirklich wichtig ist ........... nichts weiter. Wie ich schon schrieb, haben wir beide diese Gemeinde nach ca. 1 Jahr verlassen und uns nie neu orientiert.


    Heute besuche ich mit Freunden hin und wieder Freikirchen oder Gottesdienste der Pentecoast Church. Mich fasziniert diese tiefe Gläubigkeit und die Überzeugung, dass diese Gottesdienste jeden über die ganze Woche 'retten'. Ich kenne nicht einen Afrikaner um mich herum, der nicht für mich betet, der nicht davon überzeugt ist, dass alles gut wird für jeden ................. und dass alles von Gott bestimmt ist. Läuft etwas nicht so gut ist es eine Prüfung Gottes, läuft es besser dann kommt auch das von Gott und man dankt ihm. Niemand um mich herum will mich überzeugen, bekehren oder missionieren. Man läßt mich so wie ich bin ............ aber ich weiß, dass ich immer willkommen bin.


    Ich werde auch das Gefühl nicht los, dass manches von Afrikanern freier interpretiert wird als von uns. So ist es z.B. überhaupt kein Problem wenn Kinder unehelich geboren werden, Paare unverheiratet zusammen leben .............. es wird belächelt und Kinder sind IMMER ein Geschenk Gottes. Also diese Verklemmtheit wie ich sie aus der katholischen Kirche kenne, habe ich dort nicht erlebt.


    Hat jemand Probleme, dann heißt es 'pray for me', hab ich Probleme, dann eben 'we'll pray for you'. Bringt vielleicht nix, tut aber gut.


    Solange kein wirklicher Druck ausgeübt wird und jemand anfängt sich extrem unwohl zu fühlen finde ich solche Gemeinschaften besser als andere Gruppierungen. Menschen suchen sich Fixpunkte und Orientierungen, warum also nicht eine Kirche.


    Gabi

  • Gabi..mit dir haben wir das lebendige Beispiel einer freien Entscheidung..du wurdest nicht in diesen Glauben hineingeboren, sondern durftest hineinschnuppern, und fühlst dich teilweise wohl dort...abr wissend, dass es noch Anderes im Leben gibt, das ist der kleine Unterschied

  • Interessante Diskussion.


    Ich gehöre keiner religiösen Gruppe an und kann auch zu den Pfingstlern nicht viel sagen.


    Aber genauso wie es vielleicht viele christliche Kinder gibt die nicht die Welt "dort draußen" kennen, gibt es auch viele Nichtchristen die ihren Kindern keine Wahl lassen.


    Bei uns in der Nachbarschaft gibt es genug Leute die auf die Kirche schimpfen, ausgetreten sind und alles Religiöse meiden wie die Katze das Wasser. Diese Leute halten ihre Kinder bewußt aus der Kirche fern, lassen sie nicht taufen oder sonst etwas. Wenn die Sprache auf Religion kommt wird nicht gelästert und das negative hervorgekehrt. Eine Indoktrination ihrer Kinder ist genauso umfassend wie eine der Christen. Auch diese Kinder haben keine Wahl.


    Das ist also nicht nur ein Problem von christlichen Gruppierungen. Man sollte nicht meinen das man freier, offener und die Wahl hat nur weil man sich von Kirchen fernhält oder nichts mit denen zu tun hat. Wer keinen christlichen Zwängen unterliegt, unterliegt halt anderen Zwängen.


    Selber ist man aber oft nicht in der Lage das zu erkennen. Die Christen wollen missionieren weil der Andere sonst in der Hölle schmort und man selber will sich nicht missionieren lassen weil ja alles Quatsch ist.


    Ich kann da keinen großen Unterschied erkennen. Wenigstens meinen es die Christen noch gut mit den Nichtchristen, während die Nichtchristen (ich bilde da wohl keine Ausnahme :-)) einfach nur ablästern und alles madig machen. Aber so sind wir nun mal.

  • Zitat

    Original von Alexx61
    Gabi..mit dir haben wir das lebendige Beispiel einer freien Entscheidung..du wurdest nicht in diesen Glauben hineingeboren, sondern durftest hineinschnuppern, und fühlst dich teilweise wohl dort...abr wissend, dass es noch Anderes im Leben gibt, das ist der kleine Unterschied


    Stimmt, da gibt es einen Unterschied.


    Aber es gibt von Kirche zu Kirche, von Kultur zu Kultur, von Land zu Land Unterschiede in Lebensart, Lebensregeln und Druck innerhalb der Gemeinschaft in der man groß geworden ist. Wie stark der Druck ist, wie sehr ich mich in meiner freien Entscheidung eingeschränkt fühle oder wie sehr ich mich in dieser Gemeinschaft geborgen fühle, das kann ganz und gar unterschiedlich sein.


    Wir mit unseren Freiheiten neigen ja leicht dazu, alles abzulehnen, was einengt. Andere, die mit Einschränkungen leben gelernt haben sehen das vielleicht ganz anders................ wie kann ich das beurteilen und muss ich den anderen aus seiner 'Abhängigkeit' oder 'Einengung' retten????


    Wenn ich sehe, dass jemand physisch und psychisch leidet unter dem Druck werde ich den Mund aufmachen ............. wenn jemand mir erklärt, dass er sich in seinem Umfeld wohl fühlt und sicher .......... dann lasse ich es.


    BJ hat das sehr deutlich geschildert. Es gab eine Grenze, die weder sie noch ihre Freundin überschreiten durften .............. ob diese Frau glücklich wird oder nicht, darauf haben wir und hat BJ keinen Einfluß. Aber auch nicht jeder 'freie' Mensch hat durch Freiheiten sein Glück gepachtet.


    Ist ein schwieriges Thema und beschränkt sich ja nicht allein auf christliche/kirchliche Gemeinschaften. Wenn ich daran denke, dass in vielen muslimischen Familien noch zwangsverheiratet wird, dass auf Jungfräulichkeit allergrößter Wert gelegt wird ................. na ja, mein Ding wäre es nicht, in anderen Kulturen wird damit gelebt. Ob besser oder schlechter, wie wollen wir das von außen beurteilen???


    Nur wenn die ganze Sache darin ausufert, dass Mädchen von den eigenen Brüdern, Vätern, Cousins, Onkeln getötet werden, dann fehlt auch mir jedes Verständnis für diese 'Kultur'. Das ist bestialisch und unmenschlich und es gehört hier eigentlich gar nicht mehr zum Thema............ oder vielleicht doch?


    Gabi

  • Also, ich hab gerade nochmal über die Worte "erzwungene Freiheit "nachgedacht, und es erscheint mir gerade für Kinder doch die schlechtere Lebenssituation..denn ein gewisser Werterahmen und Korsett sind sicherlich nicht schlecht für die Erziehung und damit Entwicklung eines Menschens...aber auch hier ist wieder die Grenze schwer zu ziehen.
    ...heutzutage jedenfalls.


    Wenn man nur Freiheit um sich hat, dann funktioniert das Leben auch nicht..nee es funktioniert gar nicht.

  • Ich kann an der Einbindung von Kindern in ein religiöses Leben im Ansatz nichts Nachteiliges erkennen (kritisch zu sehende Sekten oder ähnliche Gruppierungen mal ausgenommen).


    Kinder stellen dabei zumeist sehr interessante Fragen, die auch eine Herausforderung an den eigenen Glauben darstellen können. Allerdings sollte man den Kindern schon die Freiheit zugestehen auch Nein zu sagen, was die meisten im Alter zwischen 12 und 18 eh tun. Bei vielen treten eh erstmal dann andere Interessen in den Vordergrund, was ja auch völlig normal ist. Erst später beginnt dann bei dem Einen oder Anderen ein Nachdenken über die Bedeutung, die vielleicht dem Glauben im eigenen Leben zukommt.


    Für die geistige Entwicklung, gerade was kritisches Denken angeht, ist es doch klasse, sich mit Glaubensgrundsätzen und kirchlichen Doktrien und damit auch Religionslehrern auseinanderzusetzen.


    Ein Elternhaus, daß Religion verleugnet ist genausowenig freiheitlich, wie ein Elternhaus, daß den Glauben erzwingen möchte. Glauben funktioniert niemals mit Zwang. Eine Religionsgemeinschaft, die mit Zwang seine Mitglieder bei der Stange hält, kann mit Gott nicht viel zu tun haben.


    Gruss,


    Doc


  • ............aber da wir alle nur Menschen sind, ist es oft sehr schwer den goldenen Mittelweg oder den richtigen? Weg zu finden ..........


    Meine Kinder sind katholisch getauft, haben bis zur Kommunion mehr oder weniger Gemeindeleben mitbekommen, auch sie haben mit uns ein Jahr lang diese freikirchliche Gemeinde besucht ........... und ich hatte ein Heidentheater mit meinen Angehörigen und meinem Ex. Alle machten sich Gedanken über unser 'Sektenleben' und die Zukunft der Kinder.


    Die Kinder haben die Sonntagsschule sehr gemocht, sie mussten nicht teilnehmen, sie wollten es. Allerdings halte ich auch nicht mit meiner Kritik an Kirche und frömmelnden Leuten hinterm Berg. Zu Hause rede ich mit den Kindern über (fast) alles. Ihren Glauben an Gott haben sie dadurch nicht verloren aber sie glauben auch nicht bedingungslos alles was die Kirche zu vermitteln versucht.


    Ob wir den richtigen Weg gehen, ich weiß es nicht. Ich vertraue auf meinen gesunden Menschenverstand und den meiner Kinder. Gerade in letzter Zeit haben sie sich in einigen Situationen bewährt und ich bin stolz auf sie. Sie mögen chaotisch sein und aufmüpfig aber sie haben ihr Herz am richtigen Fleck und das zeichnet sie in meinen Augen aus als kleine besondere Persönlichkeiten.


    Gabi

  • Gabi
    Und genau das ist m. E. EIN möglicher richtiger Weg, zumindest was die Erziehung von Kindern betrifft. Sie auf den Weg zu kritischen, selbstbewussten Menschen zu bringen. Dadurch ist die Möglichkeit früher oder später in die Fänge spiritueller Rattenfänger zu gelangen schon sehr verringert. Jemand der kritisch hinterfragt ist in sektenähnlichen Glaubens-Gemeinschaften eh unerwünscht.


    Bei "bekehrten" Erwachsenen, um mal auf das eigentliche Thema zurückzukommen, ist das schon wesentlich schwieriger, da in so einem Fall ein mässigender Einfluss z. B. durch Eltern eher unwahrscheinlich ist. Da hilft wahrscheinlich nur ein Hinterfragen von Motiven und ein Deutlichmachen von Gefahren und das möglichst ohne erhobenen Zeigefinger. Nicht leicht.


    Gruss,


    Doc


  • Nee, leicht ist das nicht, zumal ja irgendwie jeder die Wahrheit mehr oder weniger für sich gepachtet zu haben glaubt ............


    Man liebt die eigene Freiheit und gesteht sie anderen nur ungern zu, vor allem dann wenn es sich um eine Entscheidung handelt, zu der wir nichts zu sagen haben weil uns das Wissen fehlt und alles was wir nicht kennen macht uns zuerst mal Angst.


    Ich hab damals versucht 'meine Leute' zum Gottesdienst einzuladen. Nicht um sie zu überzeugen, einfach um ihnen zu zeigen, dass das alles nix mit faulem Zauber und Hexerei zu tun hat. Sie wollten nicht, sie wußte über diese Kirche mehr als ich.


    So ist das mit uns Menschen halt. Unseren Weggang aus der Gemeinde hat dann niemand mehr kommentiert, wahrscheinlich haben alle nur tief durchgeatmet und aufgeatmet ............ wer weiß?


    Gabi