Die Säulen der Macht - Maja Winter

  • Inhalt:
    Tahan ist der arrogante und vergnügungssüchtige jüngere Sohn des Königs, ein begnadeter Harfenspieler, der nichts im Kopf hat außer Drogen, Parties und Mädchen.
    Ausgerechnet er erweist sich als der seit Jahrhunderten gesuchte Erbe, der eine besondere Magie im Blut trägt, welche das von Kriegen zerrüttete Reich zu neuer Blüte führen kann. Dafür müsste er sich mit einem heiligen Baum verbinden, der seit langer Zeit verdorrt ist - doch die geheime Mönchsbruderschaft, die über den Baum und die alten Legenden wacht, hält Tahan für charakterlich ungeeignet.
    Als Tahan dem Meister der Bruderschaft gegenüber respektlos auftritt, belegt dieser ihn mit einem Fluch: Als 'brennendes Schwert' soll er zum größten Kriegshelden werden, den die Welt je gesehen hat, doch niemand wird je davon erfahren. Der Fluch zwingt ihn, sich als Söldner dem edelmütigen jungen Truppenkommandeur Noan unterzuordnen und seine Identität als Prinz geheim zu halten. Für lange Jahre wird niemand erfahren, dass er es ist, der sich Tag um Tag in der Schlacht in den legendären Helden verwandelt, der die Truppen siegreich gegen ihre Feinde führt...



    Meine Meinung:
    Vorab - ich habe den Inhalt mit meinen eigenen Worten zusammengefasst, da der Klappentext leider ein ganz wichtiges Handlungselement, das erst im letzten Drittel des Buches aufgedeckt wird, bereits vorab verrät. Glücklicherweise hatte ich das Buch nach dem Kauf eine Weile im SUB herumliegen und erst gelesen, als ich die Kurzbeschreibung schon wieder verdrängt habe; deshalb hat es mir die Überraschung nicht verdorben.


    Jetzt aber zum Buch selbst:
    'Die Säulen der Macht' ist reinrassige Fantasy, angesiedelt in einer durchaus spannenden, eigenständigen Welt. Ein Großteil des Buches widmet sich Prinz Tahans Anstrengungen, erst mit dem Fluch zu leben und dann, ihn loszuwerden. Der Mönch, der ihn damit belegte, forderte ihn auf, sich dafür zur Stadt Rajalan zu begeben, wo der heilige Baum wächst. Doch das erweist sich als schier unlösbare Aufgabe, da sich immer wieder Hindernisse und fremde Interessen zwischen Tahan und diesen Ort stellen und ihn zuerst auf gänzlich andere Missionen zwingen.
    Das Buch ist angenehm geschrieben und lässt sich gut lesen, vor allem weckt es emotionale Bindungen zu den Figuren, auch wenn diese - für mich - bestenfalls zwiespältig sind. Vieles dreht sich um die Charakterentwicklung von Tahan, der zu Beginn des Buches ein grenzenlos egoistischer Protagonist ohne jede Verantwortung, Loyalität oder Vertrauenswürdigkeit ist - und der auf diesen fünfhundert Seiten eine mehrere Jahre andauernde Entwicklung durchläuft, aus der er gehärtet und gewandelt hervorgehen soll.
    Auf seiner Reise begleiten ihn der edelmütige Fürst Noan, ein wahrhaft selbstloser Freund, der Tahan noch die schlimmsten Vertrauensbrüche verzeiht. Und Jalimey, eine geflohene Leibeigene auf der Suche nach ihrer Schwester und deren Sohn, die von Feindestruppen in eine weit entfernte Stadt verschleppt worden sind. Sowohl Tahan als auch Noan begehren Jalimey, die jedoch ganz eigene Pläne hat und sich als die Figur mit dem größten Überraschungspotential innerhalb des Buches entpuppt.
    Eine große Stärke des Romans sind denn auch die überraschenden Wendungen, die sich so oft nicht hervorsagen lassen und die wirklich gut gemacht sind, weil sie im Nachhinein Motivationen und die Bedeutung von Taten oft in ganz neuem Licht erscheinen lassen.


    Trotzdem hat 'Die Säulen der Macht' auch ein paar sehr ärgerliche Schwächen, die die positiven Eindrücke trüben:
    Tahan ist als Antiheld ein echter Unsympath - was kein Problem wäre, wenn es ihm gelänge, im Verlauf der Handlung so etwas wie Charisma zu entwickeln, oder wenigstens einen Funken von etwas, das man gut an ihm finden könnte. Man erwartet, dass er im Verlauf seiner Abenteuer wächst, dass er nach der fünften oder sechsten selbstlosen Aktion seines Freundes Noan wenigstens ein klein wenig Loyalität für ihn entwickelt. Aber das tut er nicht. Seine Motive bleiben bis fast zum Ende kleinlich, selbstsüchtig, manchmal geradezu niederträchtig und ohne größere Vision. Das hätte so nicht sein müssen - es gibt Beispiele für grandiose Fantasy-Antihelden wie z.B. Prinz Jorg von Ancrath (Prinz der Dunkelheit), bei denen Amoralität und Verstoß gegen gängige ethische Konventionen jedoch durch ein starkes Charisma ausgeglichen werden (der Held schafft es, mit seiner Rücksichtslosigkeit wahrhaft etwas zu bewirken) und es in der Dunkelheit immer auch einen Schimmer Licht gibt. Bei Tahan fehlt mir beides. Zum einen hat seine Rücksichtslosigkeit kaum Konsequenzen (weder gute noch schlechte), zum anderen mangelt es ihm leider eklatant an Größe. Groß ist nur sein Talent, die Gutherzigkeit seiner Freunde auszunutzen.
    Das zweite große Problem ist für mich die Art und Weise, wie die Handlung strukturiert ist. Achtzig Prozent der echten Handlung spielen sich leider in den letzten fünfzig Seiten des Buches ab - während sich die ersten 450 Seiten teilweise ärgerlich lang ziehen, da im Vergleich wenig Aufregendes passiert. Kurz vor Ende dagegen gibt die Autorin noch mal richtig Gas und entfaltet eine Story, die man gut und gern in ein zweites Buch hätte packen können. Da der Platz jedoch nicht reicht, wird die viel zu kurz und knapp erzählt. Geschehnisse von epischer Tragweite passieren im Zwei-Seiten-Takt und werden jeweils mit ein paar Sätzen abgehandelt, während zuvor jeder winzigen Rast auf dem Wege zehn Seiten gewidmet wurden. Das gibt dem Buch ein Ungleichgewicht. Zum Ende hin ist es dadurch zwar deutlich spannender, aber man möchte sich die Haare raufen ob des verschenkten Potentials, während die Erzählzeit zuvor mit Nichtigkeiten verplempert wurde.


    Zusammengefasst ist 'Die Säulen der Macht' durchaus unterhaltsame Fantasy, jedoch mit ein paar Scharten, die den Gesamteindruck trüben und einen das Buch am Ende zumindest mit einem leicht bitteren Geschmack im Mund zuklappen lassen. An die 'Großen' des Genres kommt es nicht heran, ist aber als Lektüre zwischendurch besser als vieles andere aus der Fantasy-Einheitskost-Ecke, die seit ein paar Jahren serviert wird. Zumindest kommen hier zur Abwechslung mal keine Orks und Elfen vor, was ich persönlich als sehr wohltuend empfinde. Der durchaus gut erdachten Fantasy-Welt zolle ich Respekt - allein, ich werde nicht warm mit den Figuren. Dass sie ganz zum Ende versuchen, sich doch irgendwie loyal und heldenmütig zu benehmen, rettet es leider auch nicht - im Gegenteil, es wirkt nur inkonsistent.
    Daher leider nur 6 Eulenpunkte.

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!