Der verbotene Fluss - Susanne Goga

  • Zitat

    Original von SamtpfoteXL


    Dem muss ich mich leider anschließen, auch mein Buch zeigt nach einmaligem - sehr vorsichtigem - Lesen erste Verfallserscheinungen.


    Könnte es daran liegen, das wir ja ein zusätzliches Vorsatzblatt mit dem Leseexemplarhinweis haben? Vielleicht tritt es bei den Verkaufsexemplaren gar nicht auf.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • England 1890. Charlotte Pauly kehrt Deutschland den Rücken, um als Gouvernante in einem englischen Adelhaus die 8-jährige Emily, die ein halbes Jahr zuvor ihre Mutter verlor, zu unterrichten. Seit dem Tod von Lady Ellen wird das Mädchen von schlimmsten Alpträumen geplagt, mysteriöse Dinge ereignen sich und auch Charlotte findet manche Vorgänge im Haus rätselhaft. Auf ihren Nachfragen stößt sie auf Schweigen und eisige Ablehnung. Um der Tochter zu helfen, nimmt Sir Andrew Kontakt zur Society of Psychical Research auf. Tom Ashdown wird von der Gesellschaft nach Chalk Hill geschickt, um erste Eindrücke zu sammeln.


    Schon der Prolog dieses Romans vermittelt eine ungemein düstere und beklemmende Atmosphäre. So schafft es Susanne Goga den Leser schon auf diesen ersten eineinhalb Seiten gefangenzunehmen. Mit Charlotte Pauly begegnet man dann einer sympathischen Protagonistin, die ihre Heimat und Vergangenheit hinter sich gelassen hat. Die Geschichte nimmt langsam Fahrt auf, man wird nach und nach mit immer mehr mysteriösen Vorfällen konfrontiert und beginnt, wie die Protagonistin und Tom der Journalist die Ereignisse zu hinterfragen. Auch wenn ich mit übernatürlichen Phänomenen so meine Probleme habe, hat es die Autorin geschafft, den Roman so zu konstruieren, dass er durchgehend spannend und unterhaltsam ist. Neben der sehr gelungenen Atmosphäre ist die Beschreibung des Lebens auf einem englischen Adelssitz im ausgehenden 19. Jahrhundert hervorzuheben. Der Alltag dort wurde sehr detailreich und bildhaft beschrieben.


    „Der verbotene Fluss“ ist ein lesenswerter Roman, der aufgrund des angenehmen Schreibstils der Autorin leicht zu lesen ist. Historisches Geschehen wird mit mysteriösen Ereignissen, Bezugnahmen auf literarische Werke und Theaterstücke und einer klug konstruierten Handlung zu einem gelungenen Ganzen komponiert. Der Roman hat mich an diesen dunklen Winterabenden gut unterhalten.

  • Herbst 1890: Die junge Deutsche, Charlotte Pauly, verlässt Berlin, um in einem Herrenhaus in England eine neue Anstellung als Gouvernante anzutreten. Mit dieser Reise bricht sie alle Brücken hinter sich ab, um ihrer unglücklichen Vergangenheit zu entfliehen. Künftig möchte sie sich ganz auf ihren neuen Wirkungsbereich und auf die Zukunft konzentrieren. Ihr Auftraggeber, Sir Andrew Clayworth, wünscht eine kompetente Hauslehrerin für seine achtjährige Tochter Emily. Das Mädchen ist erst im Frühjahr zuvor Halbwaise geworden und leidet noch sehr unter dem Verlust der Mutter. Nach ihrer Ankunft auf Chalk Hill spürt Charlotte schnell, wie sehr dieser erlittene Schicksalsschlag auf der Kleinen lastet, denn sie wird immer wieder von schweren und sehr realen Alpträumen heimgesucht. Charlotte schließt ihren Schützling sehr schnell ins Herz und möchte dem Mädchen helfen. Aber sowohl der Hausherr als auch die anderen Bediensteten schweigen, wenn es um Lady Ellens Tod und die Umstände geht. Auch die Gegend um den nahen Fluss soll unter allen Umständen gemieden werden. Es gehen seltsame Dinge um das alte Haus vor, und irgendwann sieht auch Sir Andrew ein, dass er die Vergangenheit nicht einfach verdrängen kann und die Hilfe eines „Geisterjägers“ annehmen muss. Als der Journalist Tom aus London sich der Sache annimmt, ist es schon fast zu spät. Tom und Charlotte finden ein paar sehr düstere Geheimnisse heraus.


    Charlotte ist eine sympathische Protagonistin, deren Geschichte einen informativen und realistischen Blick auf das damalige Leben einer Gouvernante gewährt. Ihre neue Stellung in England tritt sie nicht nur mit Pflichtbewusstsein und Kompetenz, sondern auch mit Güte und viel Herz an. Wie gerne möchte sie dem ihr anvertrauten Kind helfen, und man spürt, wie sie darunter leidet, dass ihr dies nicht gelingen mag. Obwohl Charlotte eine unerschrockene junge Frau ist und mit beiden Beinen im Leben steht, kommt es immer häufiger vor, dass sie die Atmosphäre in dem alten Haus als bedrückend und unheimlich empfindet. Auch Tom, der mit der Klärung des Problems betraut wird, ist eigentlich ein realistischer Mensch, und doch überkommen auch ihn Zweifel, ob es auf Chalk Hill mit rechten Dingen zugeht. Er und Charlotte werden zu Verbündeten, im Kampf gegen die Geister und Schatten, die das alte Haus und die Familie heimsuchen.


    Susanne Gogas neuer Roman hat mich von Anfang an gefesselt. Es war sehr schön, in die alte, englische Atmosphäre einzutauchen, und ich fand es spannend, Charlotte und Tom bei ihren Recherchen zu begleiten. Die parapsychologische Forschung war damals noch sehr jung und anscheinend sehr gefragt, denn mit der nahenden Jahrhundertwende machte sich ein ganz neues, sachliches Bewusstsein bei den Menschen breit.
    Die Handlung gestaltet sich durchgehend realistisch und glaubhaft, und obwohl sich viele rätselhafte Dinge ganz logisch erklären lassen, bleibt doch bis zuletzt immer auch ein Hauch Mystik über der Sache.
    Für mich war dies das erste gelesene Buch im Jahr 2014, und ich kann sagen, es war ein sehr gelungener, starker Start.
    Zugleich war „Der verbotene Fluss“ für mich der erste Kontakt mit den Büchern der Autorin. Da mir der Schreibstil sehr zusagt, wird es ganz sicher nicht bei diesem einen Buch bleiben.

  • Ich war sehr gespannt auf "Der verbotene Fluss" - mein erstes Buch von Susanne Goga abseits der Leo-Wechsler-Reihe.
    Der Roman wird als geheimnisvoll und gruselig beschrieben.
    Und in der Tat sind es schon sehr seltsame Ereignisse, die die neue Gouvernante von Emily in dem einsamen Herrenhaus erwarten.
    Charlotte hat Berlin verlassen um in England Abstand von einigen unschönen Ereignissen in ihrer letzten Stellung zu bekommen.
    Zu Emily baut sich schnell ein vertrautes und fast inniges Verhältnis auf - aber dann gibt es immer mehr seltsame und auch erschreckende Erlebnisse.
    Charlotte fängt an nachzuforschen - was hat es mit dem Tod von Emilys Mutter auf sich? Warum darf nicht darüber geredet werden? Was sind das für Andeutungen, die ihr von allen Seiten erzählt werden?
    Sie bekommt alsbald Unterstützung von Tom, einem Londoner Journalisten und Kritiker, der sich mit übersinnlichen Ereignissen beschäftigt.
    Bis zum Ende und der relativ vollständigen Aufklärung des Falles ( ein wenig Mysterium bleibt erhalten ) kommen sich die Beiden näher und es entwickelt sich eine zart angedeutete Liebesgeschichte.


    Der Schreibstil ist sehr angenehm und lesenswert, mir hat die Geschichte auch gefallen - aber trotzdem schlägt mein Herz eher für die Leo-Wechsler-Reihe.


    Von mir bekommt das Buch 8 von 10 Punkten.

  • Charlotte verlässt ihr Heimatland Deutschland um in England als Gouvernante zu arbeiten.
    Sie freut sich auf die neue Herausforderung und ist auch sofort verzaubert von dem abgelegenen Anwesen inmitten von Hügeln, Wald und dem naheliegenden Fluss. Doch schon bald geschehen merkwürdige Dinge in Chalk Hill. Ihre Schülerin Emily verhält sich eigenartig und scheint noch sehr über ihre kürzlich verstorbenen Mutter zu trauern . Hinzu kommt, dass niemand über den rätselhaften Tod Emilys Mutter spricht... Und so versucht Charlotte das Geheimnis zu lüften.


    Ich war von Anfang an in der Geschichte gefangen und durchweg lässt sich das Buch flüssig und gut lesen. Der Leser kann sich sehr gut in die Geschehnisse hineinversetzen und ist ständig selbst am Rätseln, was mit Emily los ist und was es mit dem rätselhaften Tod ihrer Mutter zu tun hat. Die Geschichte war durchweg spannend und auch der Schreibstil hat mir gut gefallen. Der Schluss war zwar nicht allzu überraschend, dafür allerdings schlüssig und gut gelöst. Das war mein erstes, aber sicherlich nicht mein letztes Buch der Autorin.


    Fazit: Eine spannende, leicht zu lesende Geschichte mit einem zwar nicht neuen, aber doch gut umgesetzten Thema. Ich kann dieses Buch nur wärmstens empfehlen. Ich vergebe gute 8 von 10 Punkten.

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Zum Inhalt wurde ja bereits mehrfach berichtet. Für mich war es das erste Buch der Autorin und ich bin begeistert.


    Die Geschichte ist so bildhaft erzählt, daß sich der Leser hineinversetzt fühlt in das englische Herrschaftshaus auf dem Lande und in die teilweise gruselige Einsamkeit. Auf der anderen Seite ist Emily immer wieder ein erfrischendes und wissbegieriges Mädchen, das gerne lernt und Freude an ihrer neuen Lehrerin hat. Als Tom aus London auftaucht, ahnt sie nicht den wahren Grund seines Besuches und begegnet ihm deshalb erfrischend naiv und genießt sein Geschichtenerzählen.


    Die einzelnen Figuren fand ich sehr gut beschrieben, meine Sympathie haben ich ziemlich gleichmäßig verteilt, einzig Sir Andrew und Nora kamen schlechter weg.


    Die Auflösung des Puzzles fand ich schlüssig. Es war für mich ein richtiger Wohlfühl-Schmöker mit etwas Crime, Liebe und Mystery.


    Für mich war es ein tolles und unterhaltsames Lesevergnügen. Ich werde das Buch sehr gerne weiter empfehlen!

  • Die düstere Stimmung des Buches kam bei mir, vor allem am Anfang, so nicht an, vielleicht habe ich auch deshalb etwas gebraucht, um in die Geschichte reinzufinden. Im Mittelteil hat mich das Buch dann doch gepackt, die Geschichte lädt richtig schön zum Miträtseln ein und wurde stellenweise doch ein bisschen gruselig.
    Das Ende hat mir dann leider wieder nicht so gut gefallen. Ich fand das Handeln einiger Protagonisten einfach unglaubwürdig und die Liebesgeschichte, so angedeutet sie auch war, etwas aufgesetzt.
    Insgesamt hat mich das Buch aber doch gut unterhalten.

  • Bin bis jetzt nicht dazu gekommen, will aber doch noch meine Meinung dazu hinterlassen.


    Die Handlung erinnerte mich ziemlich früh schon an Jane Eyre oder DuMauriers Rebecca.
    Trotzdem hat es Spaß gemacht mitzurätseln und die Fortschritte Charlottes bei ihren Nachforschungen zu erleben.
    Gut, manche Wendungen hätte man sich anders gewünscht, der Schluss war mir einfach zu naheliegend, aber in der Leserunde waren doch die meisten zufrieden. Das Buch erinnert sehr an einen Mysterythriller hat alle dazugehörigen Elemente, die Personen sind mir aber nicht sehr ans Herz gewachsen, für mich ein Buch für zwischendurch, nett zu lesen, zum Teil auch spannend, nette kleine Zwischenbemerkungen wie die Hinweise auf Conan Doyle und ähnliches. Der Zeitgeist wurde ziemlich gut eingefangen, da ist das Buch recht stimmig.


    Danke an Susanne für die nette Lesebegleitung

  • Meine Meinung zu dem Buch:
    Zunächst hatte ich mich nicht an dieses Buch herangetraut, weil ich dachte, das wäre so gar nichts für mich, obwohl es im 19. Jahrhundert in England spielt, was ich nun doch ganz gern mag. Als ich es letztendlich zur Hand nahm, hatte ich keine hohen Erwartungen - und wurde durchweg positiv überrascht. Nicht nur vom wunderschönen Schreibstil der Autorin, sondern auch von den Charakteren, die einem größtenteils sofort ans Herz wuchsen und man sich sofort heimisch in dem Buch fühlte. Auch die Handlung an sich - historisch, aber doch wieder mit leichten Krimiaspekten und ein wenig Mystik - haben es mir sehr angetan, sodass ich das Buch kaum aus der Hand legen wollte. Im Nachhinein muss ich tatsächlich sagen, ich bin sehr froh, dass ich dieses Buch lesen durfte und es mir so viele schöne Lesestunden bescherrt hat.


    Ich gebe diesem Buch:
    4 von 5 Bücherwürmchen

    Was wäre die Welt nur ohne Bücher?
    :fruehstueck Liebe zwischen den Zeilen - Veronica Henry
    :fruehstueck Woman in Cabin 10 - Ruth Ware

  • Der verbotene Fluss war für mich thematisch eine Überraschung, da er fast eine Hommage an die alten Klassiker "Rebecca"und "Jane Eyre" ist. In einem englischen Herrenhaus Ende des 19.ten Jahrhunderts wird die achtjährige Tochter eines Parlaments-Abgeordneten in mysteriöse und spiritistisch anmutende Geschehnisse verwickelt. Die neu eingetroffene Hauslehrerin und ein beherztes Mitglied der Society of Psychical Research versuchen zu klären, ob das Mädchen geisteskrank wird oder ob Geister tatsächlich ihr Unwesen im Haus treiben.


    Überhaupt nicht mein Lieblingsgenre, da ich da schon ein paar Mal heftig enttäuscht wurde. Aber im Falle von "Der verbotene Fluss" hat Susanne Goga mich mal wieder voll überzeugt.
    Obwohl die Geschichte in ruhiger Gangart daherkommt und viel Zeit und Liebe auf die Zeichnung der Charakter und die Beschreibung der normalen Alltäglichkeiten verwandt wird, baut sich Schritt für Schritt eine unterschwellige Spannung auf. Mit jedem neu gefundenen Puzzlestück erfährt der Leser wieder ein kleines Stück des ganzen großen Geheimnisses und kommt der Lösung einen kleinen Schritt näher. Das Tolle ist wirklich, dass man miträtseln kann und deshalb recht bald mitfiebert und Vermutungen anstellt, wie auch die Hauptakteure Charlotte und Thomas. Die beiden sind sehr symphatisch und mir schnell ans Herz gewachsen. Die Zuneigung der beiden ist wie ein zartes Band, welches mit kleinen Andeutungen vor dem Leserauge wächst während die Geschichte logisch und glaubwürdig voranschreitet. Selbst die Nebendarsteller sind eindringlich beschrieben und geben die Würze in diese geheimnisvolle Geschichte.


    Susanne Goga benützt keine unnötigen Effekte, erschafft Atmosphäre vor allem durch die Menschen, die sie erfindet und die so lebendig agieren, dass sie bestes Kopf- und Herzkino erzeugt ohne dass es je kitschig oder langweilig würde.


    Von mir 9 Punkte für ein wirklich unterhaltsames intelligent erzähltes Buch.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Die junge Charlotte Pauly verlässt 1890 Berlin, um in England nicht nur eine Stelle als Gouvernante anzutreten, sondern auch ein neues Leben anzufangen. Die achtjährige Emily Clayworth hat vor kurzem erst ihre Mutter verloren und soll nun durch eine Hauslehrerin wieder einen geregelten Alltag bekommen.


    Leider leidet Emily unter furchtbaren Alpträumen, in denen sie glaubt ihre Mutter zu sehen. Und auch sonst ereignen sich merkwürdige Dinge in dem alten Herrenhaus. Cahrlotte trifft auf eine Wand des Schweigens, denn weder Emilys Vater noch die Dienstboten wollen Charlotte sagen, wie Emilys Mutter gestorben ist und was sich hinter dem Todesfall verbirgt. Gemeinsam mit dem Journalisten Tom Ashdown, der die seltsamen Gegebenheiten im Auftrag der Society of Phychical Research untersuchen soll, trägt Charlotte nach und nach jedes Puzzlestück, das sie finden kann, zusammen.


    Die Geschichte fängt sehr düster mit einem Prolog an. Eine Frau irrt nachts durch einen Wald. Sie hat spürbar Angst, aber vor was oder wem?


    Nach diesem Prolog geht es mit Charlotte Pauly in Dover weiter. Charlotte kommt gerade auf der Insel an, um ihre neue Stellung anzutreten. Sie ist auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit und möchte diese auf der Insel ein für alle mal vergessen. Mit ihrer neuen Stellung als Gouvernante in einem alten Herrenhaus gedenkt sie dies zu tun. Die achtjährige Emily ist ihr gegenüber auch sehr aufgeschlossen, doch man merkt deutlich, dass das Kind etwas bedrückt.


    Charlotte will sich schnell auf Chalk Hill einleben. Doch das ist nicht einfach. Irgendein Geheimnis belastet die Bewohner des Herrenhauses und Charlotte steht vor einem Rätseln. Niemand will mit ihr reden. Als sich dann auch noch seltsame Geschehnisse im Haus ereignen, wird der Journalisten Tom Ashdown dazu gerufen. Gemeinsam versuchen sie die Rätsel und Geschehnisse im Haus zu lösen und geraten dabei selbst in Gefahr.


    Die Handlung gliedert sich in zwei Stränge. Zum einem begleitet der Leser Charlotte bei ihren Bemühungen in Chalk Hill heimisch zu werden und Emily zu helfen. Zum anderen lernt man Tom kennen, der nach dem Tod seiner Frau sehr skeptisch hinsichtlich übersinnlichen Phänomen steht. Beide Stränge verlaufen eine ganze Weile nebeneinander her, ohne sich dabei zu berühren. Erst auf Charlottes nachdrücklichem Wunsch, dem Kind besser bei seinen Alpträumen helfen zu können, wendet sich der Vater an die Society of Phychical Research. Diese schickt Tom nach Chalk Hill und ab da kreuzen sich die Handlungsstränge.


    Der unheimliche Prolog lässt den Leser zunächst verwirrt zurück.Wer ist diese Frau, die dort Nachts im Wald herum irrt und was geschieht mit ihr? Aber schnell ist man von der danach folgenden Geschichte gefangen. Die Autorin versteht es, den Leser mit ihrem Schreibstil an die Geschichte zu binden. Die ganzen Geschehnisse und Geheimnistuerei treiben nicht nur Charlotte zur Weißglut. Man spürt als Leser deutlich Charlottes Verzweiflung, sie möchte Emily helfen, weiß aber nicht wie und diese Wand des Schweigens macht es nicht gerade einfacher. Auch Emilys Angst und ihr fester Glauben, dass ihre Mutter doch noch leben könnte, ist für den Leser greifbar.
    Die Figuren sind sehr facettenreich und glaubwürdig. Als stärkste Person steht natürlich Charlotte in Vordergrund, gefolgt von Tom, der auch seine Geschichte hat.
    Obwohl die Geschichte immer wieder zwischen Charlotte und Tom hin und her wechselt, wird der Lesefluss in keinster Weise unterbrochen. Wie ein Sog zieht die Geschichte den Leser mit sich und gibt ihn erst am Ende wieder frei.
    Die Geschichte ist so konstruiert, dass man als Leser unwillkürlich mit anfängt zu rätseln und helfen will, die Geschehnisse und Geheimnisse auf Chalk Hill zu lösen. Wie hängen die ganzen Puzzleteile zusammen, die Charlotte nach und nach ausfindig macht? Was ist wirklich mit Emilys Mutter geschehen?


    Man stellt als Leser seine eigenen Vermutungen an, eine Auflösung allerdings gibt es erst am Ende. Bis dahin bleibt die Spannung konstant hoch. Neben dieser mysteriösen Geschichte bietet die Autorin dem Leser zudem noch einen Einblick in die britische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts mit all ihren Konventionen und Zwängen.
    Sehr interessant fand ich die Hinweise auf noch heute bekannte Literatur, Personen oder Theaterstücke. Dies machte die Geschichte noch authentischer.


    Auch der Thematik der übersinnlichen Phänomenen widmet sich die Autorin. Allerdings als neutrale Beobachterin zeigt sie auf, wie diese in der damaligen Zeit aufkamen und zu etablieren versuchten.




    Fazit:


    Ein Ausflug auf die Insel des 19. Jahrhunderts mit einigen bekannten Persönlichkeiten und mysteriösen Geschichten. Spannende Unterhaltung für einige Lesestunden, bei denen der Leser zum Mitdenken und -raten animiert wird. Eine Geschichte, die noch lange im Leser nachhallt.

  • Mir bleibt kaum noch etwas zu sagen :grin


    Inhaltlich ist bereits alles beschrieben und meinungsmäßig kann ich mich ebenfalls meist nur anschließen.


    Ein wunderbares Buch.
    Es hat mich von Beginn an in seinen Bann gezogen.


    Heute lese ich zwar hauptsächlich Thriller - aber - in meiner Jugend habe ich diese Art der Romane - vor allem in England spielende - geliebt.
    Bei diesem Buch habe ich gemerkt, daß diese Liebe durchaus noch nicht erloschen ist.
    Im Gegenteil. Ich bin erneut im "hohen" Alter davon begeistert worden.


    Der Stil ist wunderbar zum stetigen lesen geeignet. Flüssig, spannend und handlungsmäßig interessant.
    Die meisten Charaktere waren sehr ansehnlich, oder besser gesagt, bildlich herausgearbeitet.
    Gerade bestimmte Schwingenen zwischen gewissen Figuren kamen richtig schön deutlich zu Tage.


    Als mystisch würde ich es jetzt allerdings weniger beschreiben - das ist auch gut so - da ich mystisches nicht sooo besonders mag. :grin


    Eher als einen richtig guten Roman, der Ende des 20. Jahrhunderts in England spielt und das damalige Leben und die Gepflogenheiten, sowie bestimmte Gesellschaftsrichtungen vor einem auferstehen läßt.



    Da das bisher mein erstes Buch von Susanne war, denke ich, mich in nächster Zeit dann mal mit anderen Büchern von ihr einzudecken.
    Hoffe aber dabei weiter auf Bücher von ihr, die dem Genre dieses Buches hier ähneln werden.


    Fazit
    Ein Roman, der einen in eine wunderbare Stimmung versetzen kann und zudem spannend ist und auch schön gezeichnete Figuren zum Leben erweckt.
    Ein richtiges Wohlfühlbuch für mich.

  • Ich liebe die Leo Wechsler-Romane der Autorin. Auch die anderen beiden historischen Romane habe ich sehr gerhe gelesen.


    Bei diesem Roman hatte ich so meine Schwierigkeiten. Die Gouvernante Fräulein Pauly war mir leider nicht sonderlich sympathisch, ihre Art, die Dienstboten schon fast zu erpressen, um mehr herauszufinden über die Vorfälle rund um den Tod von Emilys Mutter, hat mich doch sehr gestört.


    Alles andere fand ich sehr spannend und interessant geschildert. Ich fühlte mich in dieses kleine Dorf versetzt und habe mit Emily mitgelitten. Auch die historischen Gegebenheiten wie das Interesse an Medien und der Geisterwelt und auch Einflüsse der Literatur gefielen mir gut. Besonders mochte ich ThAsh, für mich ein großer Sympathieträger.


    So manches war mir zu langatmig und wiederholte sich, doch alles in allem habe ich das Buch gerne gelesen. Es rangiert in meiner persönlichen Rangfolge der Susanne-Goga-Romane jedoch leider auf dem letzten Platz, was auch an Fräulein Pauly lag, ich wurde nicht warm mit ihr. Die anderen, besonders die Leo-Romane, haben mir einfach viel besser gefallen.


    7 Punkte von mir.

  • Es sind schon einige Tage vergangen, seitdem ich die letzte Seite von "Der verbotene Fluss" umgeblättert hatte. Und wie das Leben manchmal so spielt, bin ich nicht gleich dazu gekommen, meine Eindrücke zu formulieren. In solchen Situationen ist es auch schon Mal schwierig, sich in das jeweilige Buch zurück zu denken und dann noch eine passende Rezi zu verfassen.


    In diesem Falle hat mir das Buch so sehr gefallen, dass ich auch jetzt noch problemlos wieder in diese Geschichte, in der historische Elemente, ein bisschen Krimi und eine Spur Mystery perfekt miteinander verwoben wurden, eintauchen kann.


    Ich habe auf jeden Fall die Protagonistin Charlotte sehr gerne auf ihrer Reise nach England und zu ihrem neuen Arbeitgeber begleitet. Mit ihr zusammen lernte ich ihren neuen Schützling Emily kennen, die erst vor kurzem ihre Mutter auf tragische Weise verloren hatte. Unerklärliche Vorkomnisse wecken Charlottes Neugier aber auch ihre Sorge um ihre Schülerin und sie wagt es heimliche Ermittlungen anzustellen.


    Schon von der ersten Seite an konnte mich Susanne Goga mit ihrer klaren und flüssigen Sprache umgehend für sich gewinnen und der spannende Prolog versprach von Anfang an eine nicht alltägliche Geschichte. Auch wenn die eine oder andere Szene an "Jane Eyre" oder "Rebecca" erinnern, so unterstreicht dies nur, die gelungene Zeichnung der damaligen Atmosphäre.


    Auch die Geschichte selber hatte mich vollkommen in den Bann gezogen. Gerade auch in der Suche nach Antworten im Bereich der Parapsychologie, die damals noch in den Kinderschuhen steckte, wird die solide Recherchearbeit der Autorin deutlich.


    Ich brauche wohl nicht mehr zu betonen, dass mich dieses Buch auch jetzt nach einiger Zeit immer noch begeistert. Es war mein erstes Buch im Jahre 2014 und hat die Messlatte für die Suche nach dem Jahreshighlight bereits sehr hoch gelegt.

  • Charlotte Pauly, eine junge Gouvernante, verlässt im September 1890 nach einer persönlichen Enttäuschung ihre Heimat Berlin und tritt in England eine neue Stellung als Gouvernante der 8jährigen Emily an.
    Doch irgend etwas stimmt mit dem kleinen Mädchen nicht, ist sie nach dem Selbstmord ihrer Mutter, Lady Ellen, traumatisiert oder ist etwas anderes, unaussprechliches im Gange?


    Bereits nach dem Prolog hatte mich die Handlung fest im Griff.
    Die Autorin baut hier zügig eine Spannung auf, der ich mich nicht mehr zu entziehen vermochte.
    Die verschiedenen Stimmungen, auf Chalk Hill oft düster und teils ein bisschen gruselig, in London hell, heiter und fröhlich, waren fast greifbar und zogen mich in ihren Bann.
    Die Figuren wurden so beschrieben, dass ich meinte sie zu kennen und jeden Einzelnen durch die Handlung begleitete und mitfieberte, egal ob sie mir sympathisch oder unsympathisch waren.
    In keinem einzigen Kapitel kam Langeweile auf.
    Für mich gab's nur eines: Immer weiterlesen, weiterlesen, weiterlesen...


    "Der verbotene Fluss" bot mir ganz großes Kopfkino und somit ein rundum gelungenes Lesevergnügen!


    10 Punkte

  • Ich durfte das Wanderbuch lesen und habe mich sehr darüber gefreut :wave


    "Der verbotene Fluss" ist eine solide geschriebene, gute Mischung aus Unterhaltungs- und Schauerroman, mit einem für Harmoniebedürftige entsprechenden Ende.


    Die Geschichte ließ sich leicht, flüssig und schnell lesen, hat gute Spannungsmomente und scheint für die gewählte Zeitepoche auch angemessenes Verhalten der Personen aufzuweisen.


    Der einzige Kritikpunkt, den ich bei Romanen dieser Art immer haben werde, ist die Sprache. Es ist einfach etwas anderes, wenn man zeitgenössisch aus den jeweiligen Jahrzehnten oder Jahrhunderten liest.


    Nichtsdestotrotz ist "Der verbotene Fluss" für mich einfach gute Belletristik.


    8 Punkte von mir.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Hab das Buch als WB gelesen und soweit ich weiß, ist es das erste der Autorin.


    Vorneweg, die Story klingt spannend und es lässt sich flüssig lesen. Auch ist man sehr schnell in der Geschichte drin. Aber um ehrlich zu sein, so richtig gepackt hat es mich nicht. Düster oder gar gruselig habe ich das Buch an keiner Stelle empfunden. So richtig warm wurde ich mit Charlotte und Mr Andrews auch nicht, einzig Thomas ist sympathisch. Leider wird die spiritistische Schiene nur angedeutet und oberflächlich behandelt, über diese Society hätte ich gerne mehr gewusst.


    Das größte Manko für mich persönlich aber ist die Tatsache, dass mir schon sehr früh klar war, was mit Emily passiert war und auch mit deren Mutter. Schon die Erzählung, dass die Kleine immer krank war und die Mutter sich rührend gekümmert hat, ließ eine Vermutung in mir aufkommen, als Charlotte dann noch diese Flasche findet, war das für mich klar und es hat sich dann ja auch bestätigt.



    Ich gebe dem Buch sechs Punkte

  • Zum Inhalt
    Die junge Gouvernante Charlotte Pauly hat an ihrer letzten Arbeitsstelle in Berlin schlechte Erfahrungen gemacht und sucht deshalb eine neue Anstellung im Ausland. Über eine Vermittlungsagentur bekommt sie eine Anstellung in Chalk Hill, dem Anwesen des wohlhabenden Parlamentsabgeordneten Sir Andrew Clayworth. Dieser hat vor Kurzem seine Frau Ellen verloren. Da seine Hausangestellten nicht die Erziehung seiner achtjährigen Tochter Emily übernehmen können, soll Charlotte Pauly damit betraut werden. Charlotte findet schnell Zugang zu dem intelligenten Mädchen, sie bemerkt aber auch, dass das Mädchen offenbar sehr verstört ist. Sie leidet sehr unter dem Verlust ihrer Mutter, die, wie man sich hinter vorgehaltener Hand erzählt, im reißenden Fluss Mole ertrunken ist. Der Hausherr hat es strikt untersagt, über den Tod seiner Frau zu sprechen. Emily kann ihre unausgesprochene Trauer nicht überwinden und leidet zunehmend unter seltsamen Albträumen und "Trancen", in denen sie ihre Mutter zu sehen oder zu hören glaubt.
    Tom Ashdown ist ein Londoner Theater- und Literaturkritiker, der nach dem Tod seiner geliebten Frau Lucy sehr intensiv trauert. Er beginnt sich für übersinnliche Phänomene zu interessieren und fragt sich, ob Menschen, die sich als Medium bezeichnen, tatsächlich Kontakt zu Verstorbenen aufnehmen können. Durch die Begegnung mit einem offensichtlichen Scharlatan desillusioniert, macht er die Bekanntschaft des Ehepaares Sedgwick, Mitbegründer der seit 1882 und bis heute bestehenden "Society of Psychical Research". Diese aus seriösen Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen bestehende Gesellschaft widmet sich der Erforschung übersinnlicher Phänomene.
    Sir Andrew, der durch die merkwürdigen Erlebnisse seiner Tochter immer ratloser geworden ist, wendet sich hilfesuchend an Henry Sedgwick, der ihm Tom Ashdown empfiehlt. Tom reist nach Chalk Hill, um die kleine Emily zu begutachten. Zusammen mit Charlotte, die selbst schon allerhand diskrete "Ermittlungen" betrieben hat, um dem düsteren Geheimnis von Chalk Hill auf den Grund zu gehen, versucht er, dem Kind seinen Seelenfrieden zurückzugeben.


    Persönliche Beurteilung
    Der Roman spielt gegen Ende der Viktorianischen Ära, in einer Zeit, die von wissenschaftlicher Neugier und Experimentierlust geprägt ist. Mit einer gewissen Abkehr von der Religion geht ein aufblühendes Interesse am Spiritualismus einher, die Menschen suchen nach Erklärungen für Unerklärliches.
    Charlotte Pauly ist eine intelligente, sehr rationale junge Dame, die den mysteriösen Ereignissen in Chalk Hill mit gesundem Menschenverstand und einem Ermittlungsansatz à la Sherlock Holmes begegnet. Im Laufe der Zeit wird sie jedoch in ihrem rationalen Weltbild verunsichert. Charlotte ist ein interessanter und starker Charakter. Sie entspricht nicht unbedingt dem damals noch gängigen Frauenbild, denn sie tritt ihrem Arbeitgeber sehr entschlossen entgegen und wagt heftigen Widerspruch, wenn sie das Wohl der ihr anvertrauten Emily gefährdet sieht. Sie scheut sich auch nicht, unschicklicherweise allein zu Ausflügen aufzubrechen, um in der Umgebung etwas über den Ruf und die Ehe der Clayworths in Erfahrung zu bringen.
    Auch der männliche Protagonist Tom Ashdown ist ein Mensch, der kein Blatt vor den Mund nimmt und sich nicht mundtot machen lässt. Der Roman erzählt bis zu Toms Reise nach Chalk Hill in abwechselnden Kapiteln über Charlotte in Dorking und Tom in London, was die Spannung des Lesers steigert und für Abwechslung sorgt. Der Erzählstil ist sehr anschaulich und vermag es, den Leser in die düstere Atmosphäre von Chalk Hill zu transportieren und ein leichtes Gefühl von Grusel zu erzeugen. Die Geschichte entwickelt einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Das liegt sicherlich auch an ihrer Vielseitigkeit, denn hier verbinden sich Elemente eines Gesellschaftsromans und eines psychologischen Romans mit denen eines Krimis und einer Geistergeschichte. Der Leser fühlt sich ein wenig an "Jane Eyre" und "Rebecca" erinnert.
    Der Schluss wirkt ein wenig abrupt und hätte gern ein Kapitel mehr umfassen dürfen.
    Ein interessantes Autorennachwort mit Informationen zur zentralen Thematik der Handlung rundet den Roman ab, als Extra gibt es noch die mit Fotos versehene Beschreibung eines Spaziergangs durch London auf den Spuren von Tom Ashdown.


    Fazit
    Ein äußerst empfehlenswerter Roman, der in seiner Vielseitigkeit Leser verschiedener Genres ansprechen dürfte und zu interessanten Diskussionen einlädt!
    9 Punkte

  • Susanne Goga: Der verbotene Fluss, München 2014, Diana-Verlag, ISBN 978-3-453-35650-4, Klappenbroschur, 463 Seiten, Format: 18,2 x 11,6 x 4 cm, Buch: EUR 9,99, Kindle-Edition: EUR 8,99.


    „Was ging nur vor in diesem Haus? Am liebsten hätte sie ihre Sachen gepackt und Sir Andrew noch vor dem Frühstück die Kündigung übergeben, doch was sollte dann aus Emily werden? Sie holte tief Luft und zwang sich, ruhig zu atmen, bis sich das Zittern gelegt hatte.“ (Seite 367)


    Surrey 1890: Ausgerechnet zwei zutiefst rationale Skeptiker engagiert der britische Abgeordnete Sir Andrew Clayworth, als es in Chalk Hill, seinem Haus in Westhumble/Surrey, zu spuken scheint. Seine achtjährige Tochter Emily hat Albträume, schlafwandelt und behauptet steif und fest, dass ihre Mutter sie nachts besucht. Doch Lady Ellen Clayworth ist vor einem halben Jahr verstorben. Entweder sieht Emily Gespenster oder sie ist psychisch krank.


    Mit Geistern hat die neue Gouvernante Charlotte Pauly gar nichts am Hut. Séancen? Medien? Spukgestalten? Alles Mumpitz für die junge Frau. Sie stammt aus einem kleinen Dorf in Brandenburg und hat sich zu einem Neuanfang entschlossen, nachdem ihr letztes Arbeitsverhältnis in Berlin recht unerfreulich geendet hat. Es gab dort, unter uns gesagt, einen kleinen Skandal. Die achtjährige Emily zu unterrichten klingt nach all dieser Aufregung nach einer angenehmen Arbeit, zumal das Kind als intelligent und wohlerzogen, wiewohl als verträumt und von zarter Gesundheit beschrieben wird. Was Charlotte wirklich in Chalk Hill erwartet, ahnt sie nicht. Sonst hätte sie diese Arbeitsstelle niemals angenommen.


    Dem verwitweten Journalisten Thomas Ashdown geht ganz ähnlich. Er arbeitet unter anderem für die Society of Psychical Research, einer Gesellschaft, in der Wissenschaftler mithilfe überprüfbarer empirischer Methoden untersuchen, ob übernatürliche Phänomene tatsächlich existieren. Ihn beauftragt Sir Andrew um herauszufinden, was mit Emily los ist. Nur verfährt der Herr Politiker dabei nach dem Motto: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Charlotte soll das Kind erziehen, Thomas Ashdown soll das merkwürdiges Verhalten der Kleinen untersuchen, doch über alles, was die beiden für ihre Arbeit wissen müssten, hat der Hausherr eine Nachrichtensperre verhängt. Im Haus darf über vieles unter Entlassungsandrohung nicht gesprochen werden.


    Wie ist Lady Ellen ums Leben gekommen? Was hat es mit Emilys angegriffener Gesundheit auf sich? Wie lautet ihre Krankengeschichte? Wer war ihr behandelnder Arzt? Nichts davon will Sir Andrew diskutiert haben, da er um seinen guten Ruf und um den seiner Familie fürchtet. Das scheint ihm deutlich wichtiger zu sein als das Wohlergehen seiner Tochter.


    Klatsch und Tratsch gibt es natürlich trotzdem. Sir Andrew hat schließlich nicht die Macht, ein ganzes Dorf zum Stillschweigen zu zwingen. Charlotte Pauly und Tom Ashdown hören sich um. War die Ehe der Clayworths gar nicht so glücklich wie Sir Andrew es glauben machen will? War Lady Ellens Tod ein Unfall oder ein Suizid? Was hat es mit dem weißen Pulver auf sich, das Charlotte unter einer Bodendiele versteckt gefunden hat? Und was weiß das verstockte Kindermädchen Nora?


    Je mehr die unerschrockene Gouvernanten und der gewissenhafte Journalist herausfinden, desto ungehaltener reagiert Sir Andrew. Warum hat er die beiden überhaupt engagiert, wenn er ihre Hilfe gar nicht will? Oder hat er so eine Art Exorzismus gewollt, während die beiden Skeptiker ihm bodenständig-gründliche Detektivarbeit liefern? Und was passt ihm daran nicht? Hat er etwas zu verbergen?

    Auch wenn der Sir noch so mauert: Im Interesse der kleinen Emily wollen Charlotte und Thomas unbedingt herausfinden, was hier gespielt wird, und legen sich mächtig ins Zeug.


    Können auch Geister nervös werden? Dieser hier wird auf jeden Fall für jenseitige Verhältnisse ziemlich rabiat …


    Nie weiß man als Leser, was man von den Ereignissen im Herrenhaus halten soll. Spukt’s oder gibt’s doch eine ganz rationale Erklärung für alles? Und welche Lösung wäre eigentlich schlimmer? Selbst der abgebrühte Agnostiker Ashdown hat Momente des Zweifels, seit er das ausgesprochen überzeugende Medium Mrs. Piper in Aktion erlebt hat. Diese Frau wusste so vieles, was sie gar nicht wissen konnte, und kein Mensch war in der Lage, ihr irgendwelche Tricks nachzuweisen. Wäre es am Ende möglich, dass es Dinge auf der Welt gibt, denen man mit der Wissenschaft nicht beikommt? Und kann es sein, dass hier bei Clayworths ein solcher Fall vorliegt?


    Was immer hier auch vor sich geht: Es verändert alle Beteiligten.


    Man will gar nicht mehr weg aus der Romanwelt, die Susanne Goga hier erschaffen hat. Im Herrenhaus Chalk Hill ist es so düster-gruselig und spannend wie in den Roman-Klassikern JANE EYRE oder REBECCA. Dass ausgerechnet zwei Skeptiker auf Geisterjagd gehen müssen, ist ein zusätzlicher Reiz.


    Die Society of Psychical Research gibt es tatsächlich. Sie ist auch heute noch aktiv. Mehr darüber findet der Leser im Nachwort zu dem Roman. Dieses sollte man keinesfalls vorab lesen, weil man sonst zu schnell hinter das Geheimnis von Chalk Hill kommt. Und das nähme einem doch viel von der Spannung.


    Die Autorin
    Susanne Goga, 1967 geboren, ist eine renommierte Literaturübersetzerin und Autorin. Im Diana Verlag erschienen bereits ihre Romane Das Leonardo-Papier sowie Die Sprache der Schatten, für den sie 2012 mit dem DeLiA-Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Mönchengladbach.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner