Inge Jens - Am Schreibtisch. Thomas Mann und seine Welt

  • Titel: Am Schreibtisch. Thomas Mann und seine Welt
    Autorin: Inge Jens
    Verlag: Rowohlt
    Erschienen: Dezember 2013
    Seitenzahl: 207
    ISBN-10: 3498033417
    ISBN-13: 978-3498033415
    Preis: 19.95 EUR


    Der Schreibtisch von Thomas Mann ist der Ausgangspunkt für dieses Buch. Inge Jens folgt dem Schreibtisch dieses Schriftstellers auf seinem Weg von München in die Schweiz, von dort in die USA und dann wieder zurück in die Schweiz.


    Inge Jens gibt einen kurzen Abriss der Jahre 1933 bis 1955 über das Schaffen von Thomas Mann. Man erfährt nichts Neues, allerdings wird das Bekannte aus einer anderen Perspektive geschildert. Inge Jens gehört ohne Frage zu den profundesten Thomas-Mann-Kennern. Und das wird mit jedem Satz in diesem Buch deutlich.


    Aber Inge Jens macht auch deutlich – ob nun gewollt oder ungewollt mag dahingestellt bleiben – dass dieser Thomas Mann ein ausgewiesener Egomane ist. Alles muss sich um ihn drehen, nur er scheint zu zählen – alle anderen sind nur für ihn da. Thomas Mann als Nonplusultra des Universums. Sicher ist er ein wahrer Wortkünstler, aber in seinen Büchern herrscht trotzdem eine ziemlich emotionale Kälte – dort spiegelt sich sein Wesen wieder. Thomas Mann ist eben eine literarische Frostbeule, völlig überschätzt – was auch mit diesem Buch wieder deutlich wird. Menschliche Wärme hat er nie ausgestrahlt.


    Im Ergebnis aber ein lesenswertes Buch. Trifft man doch auch Manns Zeitgenossen und Autorenkollegen. Ein Buch über eine vermeintliche Lichtgestalt, die sich für etwas Besseren gehalten hat, die sich aber gerade auch gegenüber ihren Kindern durch unglaubliche Herzenskälte „ausgezeichnet“ hat. Thomas Mann, ein Autor, der sich selbst immer viel zu wichtig nahm.


    Dieses Buch liest sich angenehm, Inge Jens schreibt flüssig und gut verständlich. Mit Wertungen über den von ihr Beschriebenen hält sie sich aber auffallend zurück. 7 Eulenpunkte.


    ASIN/ISBN: 3498033417

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Danke für die Rezi, Voltaire. Ich hab heute Morgen schon eine Besprechung dieses Buches von Inge Jens in der Tageszeitung gelesen, die mich neugierig gemacht hat. Wenn aber selbst ein dem Werk TM´s äußerst kritisch Gegenüberstehender wie du dieses Buch als lesenswert einstuft, ist es Frau Jens wohl gelungen, ein paar neue und interessante Details zum schwierigen Menschen TM zu Tage zu fördern.
    Ich meld mich dann wieder, wenn ich es auch gelesen habe! :wave

  • „Meditiationen“ (Seite 190) nennt die profunde Kennerin von Thomas Manns Leben und Werk das, was zu lesen mir großes Vergnügen bereitete. Ob sie ihn mochte? Ich weiß doch nicht, zu verräterisch klingt manches, was sie sagt resp. schreibt; ihres Mannes Liebe zu dessen „Hausheiligen“, zu denen bekanntermaßen Thomas Mann zählte, lernte sie nach ihren Worten „zumindest teilweise zu verstehen“ (Seite 188). Nun ist das Gebaren des Nobelpreisträgers sicher nicht angetan, Zuneigung zu ihm zu wecken, aber Inge Jens ist zu höflich und zu klug, um irgendwelchen Ressentiments Vorschub leisten zu wollen. Sie bedient sich eines sehr feinen Sarkasmus, einer zarten Ironie, um zu sagen, was sie gesagt wissen will; stilsicher und mit Eleganz vermeidet sie, allzu großen Schmerz ob ihrer manchmal sich den Anschein von Respektlosigkeit gebenden Ansichten aufkommen zu lassen. Sie wahrt Distanz zum Besitzer des sie interessierenden und porträtierten Objektes, und diese Distanz, so meine ich es nicht nur diesem Buch zu entnehmen, ist nicht nur aus Solidarität zu „Frau Thomas Mann“ so, wie sie sich für mich darstellt. Manches lässt sich nur mit Humor ertragen – selbst aus der Distanz -, das weiß auch Inge Jens; sie lässt den Leser teilhaben daran. Es ist ein Humor, der zum Schmunzeln Anlass gibt und mehr, so meine ich, muss es ja auch gar nicht sein. Das Laute ist erkennbar ihre Sache nicht, ein Charakterzug, der selten wird. Umso dankbarer bin ich für jedes Wort, ob gedruckt oder gesprochen, von Inge Jens.

  • Am Schreibtisch - Inge Jens


    Thomas Mann und seine Welt


    Kurzbeschreibung:
    Inge Jens wurde als Editorin von Thomas Manns Tagebüchern gerühmt, als Biografin von Katia Mann und Hedwig Pringsheim gefeiert. Jetzt zieht sie eine persönliche Bilanz ihrer Jahrzehnte währenden Beschäftigung mit den Manns. Sie widmet sich dem Ort, an dem Thomas Manns Werke entstanden und den er selbst als das eigentliche Zentrum seines Lebens ansah: seinem Schreibtisch. Was war es für ein Möbelstück, an dem "TM" - wann immer möglich - den Vormittag verbrachte und sich dem täglichen Pensum widmete? Wo stand es, wie sah seine Umgebung aus, und was passierte im familiären und häuslichen Umfeld? Welches Schicksal hatte der Schreibtisch auf den verschiedenen Exilstationen der Manns nach 1933? Und wie unterschied sich Thomas Manns Schreibtischexistenz vom Leben anderer Autoren seiner Zeit?


    Über die Autorin:
    Inge Jens wurde am 11. Februar 1927 in Hamburg geboren. Ab 1949 Studium der Germanistik, Anglistik und Pädagogik in Tübingen, wo sie Walter Jens trifft. Hochzeit 1951. Zwei Söhne. Sie ist Herausgeberin der Tagebücher Thomas Manns und hat mit Walter Jens mehrere Bestseller über die Familie Mann verfasst.


    Mein Eindruck:
    Inge Jens ist durch ihre jahrelange Arbeit als Herausgeberin von Thomas Manns Tagebüchern eine der besten Kenner seines Lebens. Das gilt auch für Personen aus Thomas Manns Umfeld. Ich habe die Bücher von Inge Jens immer mit Interesse gelesen.


    Doch zuerst war ich sehr erstaunt das es in diesem Buch teilweise wirklich um den Schreibtisch geht. Und nicht nur als Metapher. Ein Möbel, das den Literaturnobelpreisträger Jahrzehnte begleitete. Von München nach Zürich, über Atlantik in die USA und wieder zurück in die Schweiz. Das wird dann auch das Interessante für mich. Nicht der Schreibtisch sondern Thomas Mann Lebensstationen und das auslösende Zeitgeschehen, das ihn zwang zu emigrieren und seine Wohnorte zu wechseln. Das ist sicher auch Auslöser für seinen berühmten Ausspruch: “Wo ich bin, ist Deutschland!”.


    Da ich in den Tagebüchern seit sehr vielen Jahren lese, ist mir vieles aus Inge Jens Buch schon bekannt. Ein paar Details kommen noch hinzu. Am meisten beeindruckt mich, wie sie Manns Leben verdichtet hat, ihr gelingt es auch eine adäquate Atmosphäre zu schaffen.
    Nur eines nehme ich der Autorin nicht ab: Dass der Schreibtisch für Thomas Mann wirklich so eine übergroße Bedeutung hatte, dass es sein Schreiben maßgeblich beeinflusste.
    Aber das ist nicht so entscheidend. Es ist dennoch ein lesenswertes Buch, für Inge Jens auch ein wichtiges. Kurz vor Beendigung starb ihr Ehemann Walter Jens. Sie stellt das Buch dennoch fertig, um kein Fragment zurück zu lassen.


    Das Buch wird gekrönt durch einen Brief von Thomas Mann 1955 an Walter Jens. Ein guter Einfall von Inge Jens, das Buch so zu schließen. Somit hat Thomas Mann selbst die letzten Worte.