Kurzbeschreibung:
Wunden, die das Leben schlug. Larissa Boehnings geschichtensatter großer Roman über drei Frauen auf der Suche nach einem selbstbestimmten Leben. Moskau, Ende der 30er Jahre. Hitlers Landsleute sind in Moskau unerwünscht. Die Familie der überzeugten Kommunistin, aber deutschstämmigen Sängerin Nadja wird gezwungen, auszuwandern. Ausgerechnet ins verhasste Nazideutschland müssen sie, ihr Mann Anton und die zwei Kinder. An eine Bühnenkarriere ist in Berlin nicht zu denken.
Ihr anpassungsfähiger Mann übernimmt die Ernährung der Familie, er erstellt für eine Zeitung Horoskope. Nie wird Nadja ihm seinen eilfertigen Verrat aller früheren Ideale verzeihen. Sie verschließt sich in sich selbst - bis sie mit einem ehemaligen Kollegen Antons zu korrespondieren beginnt, der nach Amerika ausgewandert ist. Als dieser ankündigt zurückzukommen, zieht Anton alle Register des Verrats, um seine Frau zu halten. Eine Generation später steht Nadjas grade erwachsene Tochter Senta am Grenzübergang Friedrichstraße und muss eine Entscheidung treffen: Der von ihr geliebte Gregor will in die DDR. Für immer. Er zieht die Revolution der Liebe vor, Senta (in Abgrenzung zu ihrer Mutter) die Vernunft - sie bleibt, obschon gerade schwanger, in Westberlin. Bald darauf heiratet sie Gregors besten Freund und täuscht ihn über die wahre Vaterschaft ihres ersten Kindes. Dreißig Jahre und einige Kinder später wird ihr ein Kassiber von Gregor zugespielt, der inzwischen im Gefängnis sitzt und auf Fluchthilfe hofft ... Erst in der dritten Generation verheilen die Wunden, die die Vertreibung Nadjas aus Moskau schlug. Larissa Boehning ist ein großer Wurf gelungen, eine dreifache Ost-West-Geschichte, eine dreifache Suche ihrer Figuren nach Heimat, sich und ihren Wurzeln - und das alles in einer Sprache, die in der deutschen Literatur ihresgleichen sucht: hochmusikalisch, biegsam und leuchtend, als sei sie mit Goldfäden durchzogen.
Meine Meinung:
Dieser Roman ist in drei Teile gegliedert: im ersten steht Nadja samt Ehemann und Kindern im Mittelpunkt; sie müssen als deutschstämmige Russen in den 30er Jahren das Land verlassen und sich im faschistischen Berlin ansiedeln. Der zweite Teil rückt die Tochter Senta in den Fokus; gerade erwachsen geworden, muß sie ihre große Liebe freiwillig in die DDR entschwinden sehen. Im letzten Teil steht wiederum Sentas Tochter Katarina im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Was mir vor allem von „Das Glück der Zikaden“ in Erinnerung bleiben wird, ist die Tatsache, wie ungemein unsympathisch ich die drei weiblichen Hauptfiguren – drei Generationen einer Familie – fand. Ihr Verhalten ist für mich einfach nur egozentrisch und nicht nachvollziehbar, sei es nun Nadja, die im Selbstmitleid versinkt, Senta, die ihrem Ehemann gezielt ein Baby unterjubelt, das nicht von ihm ist oder Katarina, die sehenden Auges ins Verderben läuft.
Schon nach wenigen Seiten war mir klar, inhaltlich werde ich mit diesem Buch nicht glücklich werden. Was mich dennoch dranbleiben ließ, ist die schöne sprachliche Ausgestaltung: Larissa Boehning ist eine sehr sprachmächtige Autorin und hat mich mit ihren Sprachbildern immer wieder verblüfft und begeistert.
Schade, daß der geschichtliche Kontext so wenig Raum einnimmt und die Hauptfiguren dermaßen neben der Spur sind, sonst hätte das ein schöner Familienroman über mehrere Generationen in bewegten Zeiten sein können.