Gebundene Ausgabe: 264 Seiten
Verlag: WALDE + GRAF bei Metrolit; Auflage: 4 (16. August 2013)
ISBN-13: 978-3849300685
Preis Gebundene Ausgabe: Euro 19.99
Preis Kindle E-Book: Euro 16.99
Autor
Ernst Haffner arbeitete zwischen 1925 und 1933 als Journalist und Sozialarbeiter in Berlin. Mit der Machtergreifung der NSDAP verliert sich seine Spur. Der hier vorgestellte Roman blieb seine einzige Buchpublikation.
Kurzbeschreibung / Klappentext
Anfang der 1930er Jahre lebten in Berlin und anderen deutschen Großstätten infolge der prekären wirtschaftlichen Verhältnisse tausende Jugendliche auf der Strasse. Sie verdingten sich als Tagelöhner und Laufburschen, aber häufig führte ihr Weg sie auch in die Kriminalität oder Prostitution. Zuflucht und ein wenig Sicherheit und soziale Wärme fanden sie in selbstorganisierten Cliquen. Sie boten aber nicht nur Schutz, sondern waren auch Ausdruck einer proletarischen Jugend-Subkultur. In stillgelegten Fabrikbaracken traf man sich, trank, tanzte und pflegte einen Lebensstil, der durch den Hass auf die bürgerliche Gesellschaft und die Welt der Erwachsenen geprägt war. In diesem heute vergessenen, aber gut dokumentierten Milieu ist dieser von Ernst Haffner geschriebene und unter den Nazis verbotene und bei den Bücherverbrennungen öffentlich zerstörte Roman angesiedelt. Im Mittelpunkt stehen zwei aus Erziehungseinrichtungen geflüchtete Jugendliche und die Clique der Blutsbrüder, der sie sich nach ihrer Ankunft in Berlin anschließen. Erst glücklich, dort aufgenommen worden zu sein, realisieren sie bald, dass sich die „Blutsbrüder“ unter der Leitung ihres Anführers immer mehr zu einer professionellen Bande entwickeln, die mit Einbrüchen, Laden- und Trickdiebstählen ihre Existenz sichern. Beide probieren sich mit aller Kraft gegen ihr Schicksal zu stemmen und sich eine bescheidene, aber unabhängige Existenz aufzubauen.
Meine Meinung
Ich hab dieses eindrückliche Buch soeben zu Ende gelesen und es hat mich sprachlos zurückgelassen. Ich nippe an meiner Tasse voll dampfendheissem Kaffe und versuche meine hundert Gedanken zum Gelesenen zu ordnen und das Buch in seiner Gesamtheit mit einer kurzen Meinungsäusserung zu würdigen. Eigentlich hab ich mir geschworen stets etwas zeitliche Distanz zwischen Leseschluss und verfassen einer Rezension zu lassen aber hier bei diesem beeindruckenden Roman lasse ich mich im Gefühlsdusel nur zu gerne zu einer Lobeshymne hinreissen.
Berlin zu Beginn der 1930er Jahre - In Deutschland herrscht in den Arbeiterschichten grassierende Armut und die Grossstädte sind der Anziehungspunkt für Obdachlose und Bettler. Viele Kinder und Jugendliche werden in Erziehungsanstalten sprich Heime abgeschoben und führen dort ein trostlosen Leben. Wer es dort nicht mehr aushält nimmt Reissaus und landet früher oder später auf den Strassen einer Grossstadt. Alleine ist das überleben schier unmöglich also schliessen sie sich zu Banden zu sammeln. Innerhalb dieser Cliquen herrscht absolute Loyalität und bringt den Burschen und Mädels ein kleines bisschen Gemeinschaftsgefühl und sie bietet Schutz vor körperlichen Übergriffen. Von einer solchen Schar, genannt die "Blutsbrüder", erzählt Ernst Haffner. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen oder etwas zu Beschönigen schildert er in einem eher sachlichen Tonfall den knallharten Überlebenskampf ums täglich Brot unter Jugendlichen. Zu lesen was die Heranwachsenden in der Winterkälte für ein paar Pfennige alles tun geht zu Herzen und wie sie sich freuen wenn sie mal für einen Abend etwas warmes zu essen zu haben und für ein paar Stunden nicht an ihre triste Existenz denken müssen löste bei mir ein Glücksgefühl aus.
Der rationale Erzählstil enthält etliche wirkungsverstärkende Adjektive und stellt besonders im zweiten Teil die moralische Gesinnung ins Zentrum und sichert sich so die Anteilnahme der Leserschaft. Dennoch sind es die authentischen Figuren die in einer gefühlskalten Welt leben die an das Gemüt der Leser/-innen appellieren. Die zähe Widerstandskraft allen Widrigkeiten zu trotzen macht sie zu etwas ganz besondrem, für mich sogar zu kleinen Vorbildern in Anbetracht unserer heutigen Überflussgesellschaft.
Über Haffner ist bislang nur wenig bekannt. Zwischen 1925 bis 1933 arbeitete er in Berlin als Sozialarbeiter und Journalist. Nach der Machtergreifung durch die NSDAP wurde er 1938 noch einmal zur Reichsschrifttumskammer zitiert, danach verliert sich seine Spur.
Vielleicht ist es die Weihnachtszeit die mich für diesen Roman schwärmen lässt, vielleicht ist er tatsächlich so gut wie ihn jetzt beschreibe. Wissen werde ich das erst mit etwas zeitlicher und emotionaler Distanz, aber solange will ich mit den überschwänglichen Lob nicht warten. Jetzt da sich das Jahr 2013 langsam den Ende zuneigt kann ich mit Gewissheit sagen, dass dieser Roman zu den Top 3 Bücher dieses Jahres gehört. Unbedingt Kaufen und Lesen und wem dieses Buch nicht gefällt hat ein Herz aus Stein! Wertung: Für mich ganz klar die vollen 10 Eulenpunkte.
Edit: Passage umgeschrieben da es mich inhaltlich gestört hat und falsch zu verstehen war.