über die Autorin: (Quelle Randomhouse)
Liz Trenow wuchs in der Nähe einer Seidenspinnerei auf, die auch heute noch in Betrieb ist und sie zu ihrem Roman »Das Kastanienhaus« inspirierte. Obwohl ihre Vorfahren seit über dreihundert Jahren im Seidengeschäft tätig sind, entschied Liz Trenow sich für einen anderen Beruf. Sie arbeitete viele Jahre als Journalistin für nationale und internationale Zeitungen sowie für den Hörfunk und das Fernsehen, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. »Das Kastanienhaus« ist ihr erster Roman.
über das Buch:
Lily Verner wohnt schon ihr gesamtes Leben im Kastanienhaus. Die inzwischen 80-jährige ist nach der Beerdigung ihres Mannes dabei, ihre Sachen zu ordnen als ihr eine vergessene Kiste voller Erinnerungsstücke in die Hände fällt. Die nun als Rückblick erzählte Lebensgeschichte ist emotional und fesselnd zugleich. Die Tochter eines Seidenfabrikanten hatte zunächst andere Pläne für ihr Leben, beugte sich aber 1938 dem Willen ihres Vaters und arbeitete im Familienunternehmen. Diese Firma spielt vor allem im Krieg eine wichtige Rolle, da sie Seide für die Fallschirme der Luftwaffe liefert. Zunächst aber ist im ländlichen Essex kaum etwas vom Ausbruch des Krieges zu spüren. Ihren Vater konnte sie davon überzeugen, drei jüdischen Kindern aus Deutschland ein Zuhause zu geben. Die drei bekommen eine Ausbildung und finden schnell Anschluss an die Familie. Den ältesten von ihnen, Stefan, lernt Lily bald kennen und lieben. Diese verbotene Liebesgeschichte sorgt im Fortgang des Krieges für tragische Momente, wenn Stefan als feindlich gesinnter Ausländer verhaftet wird. Lily vermutet Verrat von einem zurückgewiesenen Verehrer, was der Geschichte Spannung verleiht. Nicht nur die Hauptpersonen, sondern auch die Nebenfiguren wie die Angestellte Gwen, mit der sich Lily anfreundet, werden durch ihre detailreiche Beschreibung lebendig und bekommen Tiefe.
Währenddessen hat sich Lilys Bruder John freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Er will sein Leben einsetzen, um das Naziregime zu stoppen. Die Autorin bleibt bei diesen Beschreibungen ganz bei der Familie, um die Angst um den Bruder hervorzuheben. Politische Hintergründe erfährt der Leser nur durch eingestreute Meinungsbekundungen der Figuren oder durch Beschreibungen des Umfelds mit Erwähnung von Zeitungsschlagzeilen oder Radiodurchsagen. Dennoch werden die Ausmaße am Beispiel der wirtschaftlichen Situation der Fabrik und der Außenstelle in London deutlich. Der Zweite Weltkrieg wird hier aus der Perspektive der Briten geschildert. Es wird nachfühlbar, wie viel Verantwortung für den Ausgang des Krieges gerade in den Produktionsbetrieben lag. Der Verkauf eines nicht ganz einwandfreien Stoffballens entschied über Leben und Tod. Das Arbeiten in der Seidenfabrik wirkt lebendig und authentisch. Die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Ihre Familie diente in dieser Hinsicht als Vorlage dieses Debüts.
meine Meinung:
Liz Trenow erzählt in diesem Roman die Geschichte der Familie Verner. Emotional berührend mischt sie Familien- und Liebesgeschichte mit Historie. Sie beschreibt große Gefühle, Glück genau wie Leid, und fügt sie in einen Alltag am Rande des bombardierten Londons ein. Sie lässt ihre Leser die Angst der Familie vor dem alle Hoffnung nehmenden Telegramm spüren, ohne dass sie zu sehr im Vordergrund steht. Sie lässt die Frage nach Schuld zu, ohne zu verurteilen. Sorgen und Nöte während des Krieges klingen immer wieder hoffnungsvoll, ohne elementare Dinge auszulassen. Beim Lesen hat man immer wieder das Gefühl, dass sich Lilys Welt eben auch weitergedreht hat und sie mit den gegebenen Umständen umgegangen ist. Die Geschichte um diese starke Frau ist rundum gelungen und verdient acht Punkte auf der Unterhaltungsskala.