Inhalt (Klappentext):
Verschollene Briefe, eine alte Familiengruft und ein grausamer Mord –
Anwalt Vernau kommt einem düsteren Geheimnis auf die Spur
Einige Jahre sind vergangen, seit Anwalt Joachim Vernau den Drahtziehern eines Mordkomplotts das Handwerk gelegt hat. Auch die gemeinsame Kanzlei mit seiner Ex-Partnerin Marie-Luise ist längst Geschichte. Bis ihn ein Hilferuf aus Polen erreicht: Jazek, der gemeinsame Freund aus längst vergangen Tagen und durchzechten Nächten, sitzt mit einer Mordanklage im Gefängnis und beteuert seine Unschuld. Vernau ist entschlossen, Jazek zu helfen, und reist nach Polen. Versunkene Gräber auf einem alten Friedhof sind die erste Spur. Verlorene Briefe und vergessenes Leid ziehen Vernau immer weiter hinein in den Strudel der Ereignisse des Jahres 1945. Flucht und Vertreibung, Ende und Neuanfang - damals kreuzten sich die Schicksale von Tätern und Opfern, und Entsetzliches geschah. Doch erst Generationen später steigt das Grauen noch einmal aus dem Grab, und wer sich ihm entgegenstellt, muss sterben.
Meine Meinung:
Elisabeth Hermann ist eine der wenigen AutorInnen, deren Bücher ich, einmal in die Hand genommen, am Stück durchschmökern muss, koste es, was es wolle. Einfach weil sie einen nach dem ersten Drittel so sehr gefangen nehmen, dass man unbedingt wissen muss, wie die Geschichte sich auflöst. 'Versunkene Gräber' - der vierte, in sich abgeschlossene Krimi um den unkonventionellen, notorisch in Geldnöten steckenden Anwalt Joachim Vernau macht da keine Ausnahme.
Leise und unspektakulär beginnt er mit den Briefen eines deutschen Deserteurs kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs, der in die Trümmer seines schlesischen Weinbergs zurückkehrt und sich verstecken muss, während um ihn alle Deutschen entweder erschlagen oder vertrieben werden.
Dann, im Hier und Heute, taucht eine junge polnische Frau bei Joachim Vernau auf, der sich in der Anwaltskanzlei eines Studienfreundes mehr schlecht als recht mit durchschlägt. Sie teilt ihm mit, dass sie die Pflichtverteidigerin seines alten Freundes Jazek sei, der in Polen wegen Mordverdacht einsitzt, und ist auf der frenetischen Suche nach Marie-Louise, Vernaus und Jazeks gemeinsamer Freundin, ihres Zeichens ebenfalls Anwältin, schwer linksradikal und seit etlichen Monaten von der Bildfläche verschwunden.
Als Vernau nachhakt, stellt sich etliches an der Tat als mehr als mysteriös heraus. Die Suche nach einem Motiv führt weit in die Vergangenheit und in ein immer undurchdringlicheres Geflecht von Intrigen. Jeder scheint etwas zu verbergen, die Spuren sind siebzig Jahre alt. Bei seiner Recherche reißt er alte Wunden wieder auf, die zu den Kriegsverheerungen '45 zurückreichen und tief in das Leid, das unzählige Vertriebene beider Seiten - Polen wie Deutsche - ereilte.
Ganz in der Tradition der ersten Joachim-Vernau-Romane setzt auch dieses Buch nicht auf vordergründige Schock- und Splattereffekte, sondern auf eine ungeheuer gut recherchierte und vielfach ineinander verschlungene Geschichte mit zahlreichen falschen Spuren, in denen immer ein Körnchen Wahrheit ruht und die zum Spekulieren einladen. Wunderbar glaubwürdige und lebendige Figuren bevölkern Schauplätze, die so authentisch geschrieben sind, dass man sich sofort dorthin versetzt fühlt: In ein trotz Sommer regnerisch-kühles Berlin, in polnische Dörfer im Morgennebel, in das schlesische Kaff Johannishagen mit seinem Weinberg, den versunkenen Gräbern eines alten deutschen Friedhofs und den halb verfallenen Gebäuden, in denen einem der Schleifstaub von den aufzuarbeitenden Türen in die Nase steigt.
Und mittendrin Vernau, geradlinig und sympathisch unverschämt, arm aber sexy sozusagen.
"Versunkene Gräber' ist ein gelungener Ermittlerkrimi, der nicht nur unterhaltsam und atmosphärisch ist, sondern nach dem ersten Drittel auch so rasend spannend wird, dass man ihn am besten mit Zeit nach hinten zu lesen beginnen sollte. Einmal angefangen, ist er nämlich schwer wieder aus der Hand zu legen.
Unbedingt empfehlenswert!