Edition Orient
OT: Le Talisman
Aus dem Französischen von Helga Walter
Kurzbeschreibung:
Die neun Erzählungen sind unterhaltend und aufschlussreich, teils realistisch, teils absurd. Da gibt es den von Zweifel und Lebensüberdruß geplagten Webereibesitzer, der auf Drängen seiner Frau sein Geschäft anzündet ebenso wie den entflohenen Sträfling, der auf sein Heimatdorf verlassen und vermauert vorfindet. Doch auch mysteriöse Kräfte und der Handel während des Algerienkrieges finden Eingang in seine Erzählungen.
Über den Autor:
Mohammed Dib war ein algerische Schriftsteller. Er wurde vor allem durch seine "Algerische Trilogie" ("Das große Haus", 1954, dt. 1956; "Der Brand" 1954, dt. 1956; "Der Webstuhl" 1957) bekannt. Weitere Romane: "Gott bei den Berbern" (1970), "Abel" (1977), "Die Terrassen von Orsol" (1985), "Die maurische Infantin" (1994); auch Novellen und Essays. 1994 erhielt er als erster nordafrikanischer Schriftsteller den Großen Preis der Francophonie der Académie française.
Mein Eindruck:
Die 9 Erzählungen von Mohammed Dib, der sich auch in der kurzen Form als Meister der Sprache erweist, sind ein Leckerbissen. Jedenfalls für Leser wie mich, die langsam am Ende der Lektüre der deutschen Übersetzungen des bedeutenden algerischen Schriftstellers ankommen. Dieser Band ist schon 1966 entstanden.
Es sind Geschichten von Grenzerfahrungen, die Menschen in außergewöhnlichen Situationen, z.B. im Algerienkrieg, erleben.
Daher sind die Erzählungen alles andere als gemütlich. Im Gegenteil zeigt Mohammed Dib die Grausamkeiten, die z.B. an Gefangenen und Geiseln begangen werden in aller Deutlichkeit, indem er Überlebende sprechen lässt. Diese Überlebenden sind zwar am Leben, aber doch geschädigt von den Verlusten an Menschen und Besitz.
Herausragende Geschichten dieses Themas sind "Der Talisman", mit der dieses Band beginnt und "Naema verschwunden".
Eine Momentaufnahme eines Mannes geschockt von den kommenden Veränderungen ist “Das Ende”. Ein französischer Siedler kann nicht verstehen, dass sich seine algerischen Arbeiter gegen die Unterdrückung erheben.
Auch der normale Alltag ist geprägt von innerer Aufruhr einer belasteten Gesellschaft. (La Cuadra).
Die Story "Der Wohltäter", um einen Händler, der im Algerienkrieg sowohl die Unabhängigkeitskämpfer als auch die französischen Besetzer beliefert, ist nicht frei von Ironie. Das gilt auch für “Der Reisende”.
Andere Geschichten sind unspektakulär, aber auch beeindruckend, z.B. Die Schrift auf der Kachel. Eine Geschichte über mysteriöse Schriftzeichen auf Grabdenkmälern.
Mohammed Dibs makelloser, genauer Stil kommt in diesen kurzen Erzählungen besonders gut zur Geltung!
Es bleibt die nur schwach schimmernde Hoffnung, dass es noch einmal einen Verlag geben wird, der den Mut aufbringt, die noch unübersetzten Bücher von Mohammed Dib in Deutschland herauszubringen.