Der Autor
Stewart O'Nan wurde 1961 in Pittsburgh geboren und wuchs in Boston auf. Er arbeitete als Flugzeugingenieur und studierte in Cornell Literaturwissenschaft. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Avon, Connecticut. Für seinen Erstlingsroman «Engel im Schnee» erhielt er den 1993 William-Faulkner-Preis.
Das Buch
Ein Jahr ist es nun her, seit der Wagen mit den fünf Teenagern auf nächtlicher Spritztour sich um den Baum gewickelt hatte. Toe, Danielle und der schüchterne Marco waren bereits tot, als Officer Brooks am Unfallort eintraf. Kyle, einst der Rebell unter den Fünfen, sollte die fürchterliche Gehirnverletzung für den Rest seines Lebens in den Zustand eines Debilen versetzen. Lediglich Tim blieb körperlich unversehrt, wandelte aber fortan als schuldbeladener seelischer Eisblock durch die Welt. Pünktlich zum Jahrestag des Unfalls, dem Vorabend zu Halloween, schweben nun drei Geistwesen aus dem Zwischenreich in ihre alten Heimat Avon, Connecticut ein. Was Toe, Danielle und Marco zu sehen bekommen, sind die wahren Toten, verdammt dazu, weiterzuleben.
Meine Meinung
Dieses Buch ist kein Horrorroman, auch wenn die Geister toter Teenager eine wichtige Rolle spielen. Zumindest nicht in dem Sinne, wie man ihn als Fan von Stephen King oder ähnlichen Autoren erwartet. Das eigentlich Erschreckende in diesem kurzen Roman ist die Traumatisierung der Einwohner einer kleinen Gemeinde in Neuengland durch den Tod von drei Teenagern in der Halloweennacht vor einem Jahr. Gemeinsam mit dem Leser beobachten die Geister, wie das Leben der Menschen, die sie zurücklassen mussten, auf eine Katastrophe hinsteuert, können aber nicht eingreifen.
Die Figuren sind glaubwürdig angelegt, die Folgen des Unfalls für ihr Leben ist nachvollziehbar und es werden unbequeme, tabubesetzte Fragen aufgeworfen. Wer ist besser dran - die Eltern der Teenager, die bei dem Unfall starben oder die Eltern des Jungen, der den Unfall mit schweren geistigen Schäden überlebt? Wie lebt man nach so einer Tragödie weiter? Thematisiert man sie - und wenn ja, wie?
Erschreckend an dem Roman ist auch die Hoffnungslosigkeit der Kleinstadt, in der die Protagonisten leben - oder gelebt haben. Welche Chance haben die Menschen - Jugendliche wie auch Erwachsene - in dieser Stadt? Was fühlen sie, woher kommt ihre Wut, welche Fluchtversuche unternehmen sie?
Das Buch hat mich sehr mitgenommen, ich habe es häufiger beiseite legen müssen, um über das Gelesene nachzudenken - aber das hatte ich nach dem ersten Roman, den ich von dem Autor gelesen habe (Emily, allein), nicht anders erwartet.
9 von 10 Punkten