Vor dem Abgrund - Tom Finnek

  • Gebundene Ausgabe: 592 Seiten
    Verlag: Bastei Lübbe (Lübbe Hardcover); Auflage: Aufl. 2013 (22. November 2013)
    ISBN-13: 978-3785724781
    Preis Gebundene Ausgabe: Euro 19.99
    Preis Kindle E-Book: Euro 15.99


    Autor


    Tom Finnek, 1965 in Westfalen geboren, lebt als Filmjournalist, Drehbuchautor und Schriftsteller in Berlin. Als Autor (unter dem Namen Mani Beckmann) beschäftigt er sich schon länger mit historischen Stoffen, insbesondere zum Münsterland. Für ihn ist London mit seiner langen, wechselhaften Geschichte genauso faszinierend wie Berlin. Tom Finnek ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.


    Kurzbeschreibung/Klappentext


    Im Herbst 1888 kommen zwei junge Menschen ins Londoner East End, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die verarmte Celia Brooks versucht verzweifelt, ihren Vater zu finden. Der Hotelierssohn Rupert Ingram will hingegen seine Pflichten im sündigen Treiben vergessen. Doch im East End hat alles seinen Preis, Antworten ebenso wie das Vergessen. Und während die Huren ihre Dienste feilbieten und ein Mörder namens Jack the Ripper in den Schatten lauert, stoßen Celia und Rupert auf Geheimnisse, die ihr Leben für immer verändern ...


    Meine Meinung


    Es gibt Schriftsteller die schreiben lesenswerte Geschichten vom prallen Leben und den seltsamen Wendungen die es nehmen kann. Von der ersten bis zur letzten Seite liest man diese mit viel Genuss und Spass und man mag das Buch gar nicht mehr weglegen. Zum einen ist dies darin begründet, dass Leser/-innen dasselbe Faible für den Handlungsort und/oder eine Zeitepoche hegen wie der/die Autor/-in, an den lebensnahen Figuren mit denen man sich identifizieren kann und natürlich am fesselnden Erzählstil der einem liegt. Aus Worte werden Sätze, Sätze werden zu Abschnitte, Abschnitte zu Kapitel und sie setzen das vielzitierte Kopfkino in Gang während die Phantasie laufend wirklichkeitsnahe Bilder kreiert.


    Mir geht es so mit Tom Finnek und seinen Historischen Geschichten. Diese haben das gewisse Etwas, mit einer kreativen Leichtigkeit erzählt er realitätsnah über das harte Leben der einfachen Menschen im längst vergangen London. Egal ob die Handlung im Jahre 1666 ein paar Tage vor dem grossen Brand wie in "Unter der Asche" spielt oder zu Beginn des 18. Jahrhunderts in "Gegen alle Zeit" ein theatralisches Gaunerstück aufgeführt wird oder wie in diesem Roman genau zur Ära in der ominöse Jack the Ripper seine schrecklichen Morde verübt.


    Celia Brooks hat kein leichtes Schicksal und zusätzlich treibt eine flüchtige Erinnerung der Kindheit die 16-jährige in das pulsierende London im Jahre 1888. Mangels finanziellen Mitteln verschlägt es sie ins verrufene East End wo sie in versifften Kneipen neben Tagelöhnern und Huren nach dem Geist der Vergangenheit sucht. Der genusssüchtige Rupert Ingram hingegen ist aus gutem Hause und sucht Nervenkitzel und Befriedigung im stetig lockenden Amüsement von Alkohol, Drogen und fleischlichen Gelüsten im lasterhaften Milieu des Armenviertels. Die Heilsarmee ihrerseits predigt gegen den Sittenverfall und für Gottes Weg was die von Brauereien und Schankwirten unterstützte Skeleton Army auf den Plan ruft... in diesem Kuddelmuddel kreuzen sich die Lebenswege der beiden gegensätzlichen Menschen...


    Dieser Roman schliesst die sogenannte "London-Trilogie" von Tom Finnek ab. Die Bücher können aber problemlos in loser Reihenfolge für sich allein gelesen werden. Gemeinsam haben sie den Handlungsort des geschichtlichen Londons sowie die Familiennamen einiger Protagonisten. Die ersten beiden Bücher habe ich mit sehr gut bewertet, nach damaligem Wissensstand natürlich, aber nach der Lektüre dieses Werkes muss ich sie wohl auf gut zurückstufen. Die ganze Trilogie kann Tom Finnek als Gesellenstück ansehen und mit diesem dritten Roman ist ihm das Meisterstück gelungen das ihn die Erste Riege der Schriftsteller Historischer Romane befördern müsste. Zumindest ist das meine Meinung. Ich persönlich finde dieses Buch herausragend gut und eines der Besten das ich in diesem Genre gelesen habe. Unbedingte Leseempfehlung und 10 Eulenpunkte von mir.

  • "Vor dem Abgrund" ist ein historischer Roman der im Jahr 1880 spielt. Abwechselnd wird aus der Sicht von Celia Brooks, einer jungen Frau, Ned Brooks, ihrem Vater und Rupert Ingram, einem reichen Sohn erzählt.


    Celia Brooks beschliesst sich nach dem Tod ihrer Mutter auf die Suche nach ihrem verschollenen Vater, Ned Brooks, zu machen. Ihre Suche führt sie nach London, wo sie durch Zufall auf Rupert Ingram trifft.
    Rupert ist der Sohn eines reichen Hotelbesitzers, der sich die Langeweile in den armen Viertel Londons vertreibt. Für ihn ist das harte, arme Leben nichts anderes als ein netter Zeitvertreib, aber er ist unzufrieden mit seinem bisherigen Leben.
    Ab hier kreuzen sich die Wege von Celia und Rupert immer wieder. Dazwischen gibt es Kapitel, aus der etwas verzerrten Weltsicht des Vaters.


    Die Geschichte spielt in London, aber im Gegensatz zu vielen anderen Büchern ist London nicht nur Hintergrundkulisse, sondern als Leser hat man den Eindruck das das London dieser Zeit mit seinen dunklen, schmutzigen Gassen, den Pferdekutschen und Bewohnern wirklich zu erleben. Der Autor schafft es jede Szene treffend genau zu beschreiben, dass man sich nicht nur die Personen sondern immer auch die Umgebung vorstellen kann.
    Durch die abwechselnde Erzählweise erhält der Leser nach und nach ein Gesamtbild. Wird die gleiche Szenen aus verschiedenen Perspektiven erzählt, ist das für den Leser nie langweilig, allein schon um die vielen subtilen Hinweise auf schon Bekanntes nicht zu verpassen.
    Wie auch von den beiden ersten Bücher bin ich von "Vor dem Abgrund" begeistert und kann es nur weiterempfehlen.


    10/10 Punkten

  • Im Londoner East End im Herbst 1888 laufen sich Celia und Ruppert zufällig immer mal wieder über den Weg und kommen Geheimnissen auf die Spur, die ihr Leben verändern. Celia ist verarmt und sucht verzweifelt ihren verschollenen Vater. Rupert ist ein Hotelierssohn und versucht seine Pflichten in sündigen Treiben zu vergessen. Der Mörder Jack the Ripper ist ebenfalls nachts unterwegs.


    London im Jahre 1888 wurde mir so facettenreich dargestellt, dass ich mich direkt hineinversetzt fühlte. Das Buch ist in einzelne Abschnitte unterteilt. Die jeweils aus der Sicht einer Person erzählt. So erhält man viele kleine Puzzleteile die sich nachher zu einem Ganzen zusammenfügen. Einmal angefangen konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.


    Ich vergebe 9 Punkte.

  • Zitat/Klappentext:
    "Wenn ich mich in den Kneipen an der Bankside, den Hurenhäusern von Whitechapel oder den Opiumkellern von Limehouse herumtrieb, dann machte ich mir keine Sorgen, sondern ließ mich wie willenlos treiben und mitreißen. Es war wie ein erregender Schwindel, der mich erfasste und taumeln ließ. Als stünde ich vor einem Abgrund und schaute fasziniert, wenn auch mit zittrigen Knien, in die Tiefe."


    Ein atmosphärisch dichter und spannender Roman über zwei junge, sehr gegensätzliche Leute, die auf der Suche nach einem Platz im Leben sind. Und ein beinahe unheimliches Buch über das Londoner East End des Jahres 1888, in dem nicht nur Jack the Ripper die Straßen unsicher macht. Es ist faszinierend, wie Tom Finnek die historischen Fakten mit Fiktion verbindet und zu einem prallen und packenden Drama verknüpft. Eine wunderbare Mischung aus Krimispannung, leisem Witz, Emotion und unheilvoller Stimmung. Ein Lesegenuss!

  • "Vor dem Abgrund" ist das dritte Buch von Tom Finnek über das Leben in London zu verschiedenen Zeiten. Dieses Mal kommt die Geschichte ganz ohne Zeitreisen aus und beleuchtet das Leben von Celia Brooks und Rupert Ingram im Jahre 1888. Es ist die Zeit, in der Jack the Ripper im East End sein Unwesen treibt.


    Celia ist ein junges Mädchen vom Land, ihre Mutter ist vor kurzem gestorben und sie weiß nicht, wie es mit ihr weitergehen soll. Daher beschließt sie, sich erst einmal auf die Suche nach ihrem verschollenen Vater Ned Brooks zu machen. Dabei landet sie schließlich in London, doch dort scheint sie jede Spur von ihm zu verlieren. Celia macht Bekanntschaft mit einem Mitglied der Heilsarmee und findet dort vorerst Unterschlupf, doch auf Dauer fühlt sie sich bei diesen Menschen nicht wohl und will die Suche nach ihrem Vater auch noch nicht aufgeben.


    Rupert Ingram ist der jüngste Sprößling einer recht wohlhabenden Hoteliers-Familie. Sein Leben ist durch seinen Vater ziemlich durchgeplant, demnächst soll er heiraten und so eine finanziell äußerst einträgliche Verbindung eingehen. Doch Rupert ist wenig angetan von diesen Plänen, er will sein eigenes Leben führen. In Verkleidung schleicht er sich immer wieder ins East End und mischt sich dort unter das einfache Volk. Doch mit Entscheidungen tut er sich schwer, er lässt sich die meiste Zeit einfach treiben und andere über seinen Kopf hinweg bestimmen. Dies ändert sich nun aber, als seine erzwungene Hochzeit immer näherrückt und er gleichzeitig im East End mehrere Bekanntschaften macht, die sein Leben verändern werden.


    Der Zusammenhang zwischen den beiden Lebensgeschichten von Celia und Rupert bleibt relativ lange unklar, die beiden begegnen sich zwar immer wieder, aber dass es eine Verbindung zwischen ihnen gibt und wie diese aussieht, kristallisiert sich erst nach und nach heraus.


    Das Buch ist abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven geschrieben, die von Rupert und Celia nehmen dabei den größten Raum ein, aber auch weitere Figuren kommen zu Wort, so dass sich das Puzzle stückchenweise zusammensetzt.


    Eine weitere Hauptrolle spielt, wie schon in den vorherigen Romanen, die Stadt London selbst. Dem Autor gelingt es hierbei unnachahmlich, das Leben und die Zustände der damaligen Zeit zu schildern, man fühlt sich als Leser direkt hautnah dabei. Diverse historische belegte Personen tauchen in der Geschichte auf und werden geschickt in die fiktive Handlung mit eingebunden, so dass ich am Ende sehr froh um den Epilog bzw. das Nachwort war, welcher noch einmal aufzeigt, welche Teile des Geschehens verbürgt und welche erfunden waren.


    Man kann "Vor dem Abgrund" problemlos lesen, ohne die beiden anderen Teile zu kennen, da jeder in einer ganz anderen Zeit spielt. Wer alle Bände liest, wird aber immer wieder bekannte Namen entdecken und so ergibt sich irgendwann eine über mehrere Jahrhunderte reichende Familiengeschichte.

  • Zum Inhalt
    Nachdem die sechzehnjährige Celia Brooks ihre Mutter Mary an den Typhus verloren hat, begibt sie sich auf die Suche nach ihrem vor Jahren "verschollenen" Vater Ned, einem Seemann, der die Familie im Stich gelassen hat und sich Gerüchten zufolge in London aufhalten soll. Dem naiven Mädchen, das nur einen Koffer und wenig Geld sein Eigen nennt, drohen in London viele Gefahren, zu ihrem großen Glück wird sie von einem jungen Soldaten der Heilsarmee aus einer brenzligen Situation gerettet und findet im Frauenheim der Heilsarmee zunächst Unterschlupf.
    In einer gänzlich anderen, aber auf ihre Art ebenso bedrückenden Situation befindet sich Rupert Ingram, der jüngste Sohn des wohlhabenden Hoteliers Harvey Ingram. Er soll mit der Nichte eines reichen Brauereibesitzers verheiratet werden und in dessen Brauerei eine leitende Position übernehmen. Rupert ist in keiner Weise an dem ihm vorgegebenen Weg interessiert und verkehrt lieber inkognito in den Spelunken Whitechapels.
    Während sich Celia im Londoner East End beharrlich auf die Suche nach ihrem Vater macht, kreuzen sich ihre Wege mit denen von Rupert Ingram...


    Beurteilung
    Schon das äußerst schöne Cover mit einer Aufnahme einer Londoner Straße im 19.Jahrhundert und der Stadtplan des East Ends im vorderen und hinteren Einband wecken große Erwartungen hinsichtlich des Romans, die nicht enttäuscht werden. Die Geschichte der jungen, naiven Celia, ihres verantwortungslosen Vaters Ned und des zunächst ebenso oberflächlichen wie vergnügungssüchtigen Rupert ist in einen ausgezeichnet recherchierten Hintergrund eingebettet. Der Leser fühlt sich durch die abwechselnden Erzählstränge über die drei Hauptfiguren nicht nur sehr fesselnd unterhalten, sondern taucht geradezu in die Atmosphäre Londons im ausgehenden 19.Jahrhundert ein. Alkoholismus, Perspektivlosigkeit und Verkommenheit im Armenviertel stehen den Aktivitäten der Salutisten der Heilsarmee gegenüber. Die Mitglieder der Heilsarmee versuchen nicht nur penetrant zu missionieren, was die erbitterte Gegenwehr der sogenannten Skeleton Army (von Brauern und Schankwirten angeheuerte Pöbler) provoziert, sondern bieten auch tätige Hilfe für die Unterprivilegierten, die sie von der Straße holen und zu sinnvollen Beschäftigungen verleiten wollen. Besonders werden hier die Tätigkeiten von Florence Soper Booth (1861 - 1957, Zweiter General der Heilsarmee) und ihrer Schwägerin Captain Eva(ngeline) Booth (1865 - 1950) geschildert.
    Auch andere historisch verbürgte Romanfiguren treten auf: der Dichter Algernon Swinburne und der skandalträchtige Maler Simeon Solomon, dem eine wichtige Rolle im Roman zukommt. Auch die Untaten des Frauenmörders Jack the Ripper werden thematisiert, stehen jedoch nicht im Zentrum des Geschehens. Aufgrund der Komplexität des Romans wäre es hilfreich gewesen, im Personenverzeichnis historische und fiktive Figuren eindeutig zu kennzeichnen. Auch der Epilog ist in seiner Mischung aus "historischem Nachwort" (Fakten) und dem weiteren Schicksal der Protagonisten (Fiktion) ein wenig verwirrend, allerdings auch sehr originell.
    Der Erzählstil ist anschaulich und verrät in den Beschreibungen der Wege seiner Protagonisten die gute Ortskenntnis des Autors.
    Bei "Vor dem Abgrund" handelt es sich bereits Tom Finneks dritten Roman zur Londoner Geschichte, alle drei Romane drehen sich um Mitglieder der Familie Ingram, sind aber nur so lose verknüpft, dass sie einzeln gelesen werden können.


    Fazit
    Ein ausgesprochen empfehlenswerter Roman für Leser, die etwas mehr als nur gute Unterhaltung erwarten!
    9 Punkte

  • Zitat

    Original von Jenks
    Hier kommt ja bald endlich das Taschenbuch. Ich habe es schon vorbestellt und freue mich schon aufs Lesen. :-]


    Darauf warte ich auch schon lange, Danke für den Tipp.


    Habe die beiden Vorgänger-Bände als Taschenbuch.
    Und hätte ich mir es als HC gekauft, schaut es im Regal einfach besch..... aus.
    Das Auge liest ja schließlich mit.

    "Es gibt Dinge, die sind einfach gesetzt: die Existenz Gottes, das Pferd als schnellstes Transportmittel, die gesellschaftliche Funktion der Frau und die Beschaffenheit des Geldes." Samuel Bernard, frz. Bankier, 1716

  • Zitat

    Original von Derfel


    Darauf warte ich auch schon lange, Danke für den Tipp.


    Habe die beiden Vorgänger-Bände als Taschenbuch.
    Und hätte ich mir es als HC gekauft, schaut es im Regal einfach besch..... aus.
    Das Auge liest ja schließlich mit.


    :grin Auf jeden Fall!


    Bei mir liegt der Hauptgrund eigentlich darin, dass mir ein HC einfach zu schwer ist. Ich lese meine Bücher ja unterwegs im Zug. Und der Preis ist natürlich auch ein Pluspunkt für das TB. :grin

  • London, 1888. Zwei Menschen stehen im Mittelpunkt der Ereignisse, die diese Geschichte erzählt. Die sechzehnjährige Celia Brooks kommt nach dem Tod der Mutter von Brightlingsea in die Hauptstadt, ihren Vater zu suchen. Ein Hinweis führt sie ins Armenviertel White Chapel im East End. Nicht ungefährlich, denn hier treibt seit einiger Zeit der Frauenmörder Jack the Ripper sein Unwesen. Drei Frauen fielen ihm bereits zum Opfer.
    Der junge Hotelierssohn Rupert Ingram dagegen vertreibt sich seine Zeit bis zur von seinem Vater arrangierten Hochzeit mit der Nichte eines Brauunternehmers mit Ausflügen ins East End, verbringt dort die Nächte mit Alkohol und Huren. Hier ist er einer von vielen und kann sein, was er will. Hier trifft er auch auf Eva Booth, den Captain der Heilsarmee sowie Künstler Simeon Solomon.
    Ruperts und Celias Wege kreuzen sich und nach und nach zeigt sich, dass beide mehr verbindet, als sie vermutet hätten. Celia erfährt Dinge über ihren Vater, die sie lieber nicht gewusst hätte. Und Rupert muss erkennen, dass seine Handlungen in jüngster Vergangenheit nicht ohne Konsequenzen bleiben. Ihm wird klar, dass er sein Leben ändern muss.


    Ein fesselnder, gut recherchierter und gut durchdachter historischer Roman aus einer finsteren Zeit Londons. Wie schon in "Unter der Asche" führt Tom Finnek die verschiedenen Handlungsstränge zu einem logischen Ende zusammen, verwebt geschickt historische Figuren und Begebenheiten und Fiktion miteinander, so dass der Leser am Ende denkt: Ja, genauso könnte es gewesen sein.
    Durch die anschauliche, bildhafte Sprache ist man immer mittendrin im Geschehen. Man begleitet Celia und Rupert durch die dunklen, dreckigen Straßen und Gassen von White Chapel, sieht die Hinterhöfe und Pubs direkt vor sich und meint sogar den Unrat zu riechen und Nebel zu fühlen.
    Die Kapitel von Rupert werden aus der Ich-Perspektive erzählt, was einem noch bessere Einblicke in seine Figur und sein Handeln ermöglicht und ihn dadurch direkt sympathischer erscheinen lässt.
    Aber auch Celia mochte ich gleich. Sie hat viel durchgemacht in ihrem jungen Leben und beweist viel Mut, indem sie einfach in die Großstadt reist, um ihren Vater zu suchen.
    Auch die Nebenfiguren sind interessant: Eva Booth und Simeon Solomon zum Beispiel, die, wie man aus dem Nachwort erfährt, tatsächlich lebten.
    Die Geschichte von Jack the Ripper wird gekonnt mit der Handlung verwoben, steht aber nie im Vordergrund. Aber wer sich für die Rippermorde interessiert, dem fällt der wahre Name der Prostituierten Ginger natürlich direkt auf.


    Ich habe das Buch in einer Leserunde zusammen mit dem Autor lesen dürfen und es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Er hat geduldig alle Fragen beantwortet und interessante Einblicke in seine Arbeit gegeben, wie er auf die Idee zum Buch kam usw.
    "Vor dem Abgrund" ist der letzte Teil seiner London-Trilogie und ich kann sie wirklich sehr empfehlen.

  • Buchmeinung zu Tom Finnek – Vor dem Abgrund
    „Vor dem Abgrund“ ist ein historischer Roman von Tom Finnek, der 2013 im Bastei Lübbe Verlag erschienen ist. Das Taschenbuch ist 2015 erschienen.


    Klappentext:


    Im Herbst 1888 kommen zwei junge Menschen ins Londoner East End, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die verarmte Celia Brooks versucht verzweifelt, ihren Vater zu finden. Der Hotelierssohn Rupert Ingram will hingegen seine Pflichten im sündigen Treiben vergessen. Doch im East End hat alles seinen Preis, Antworten ebenso wie das Vergessen.
    Und während die Huren ihre Dienste feilbieten und ein Mörder namens Jack the Ripper in den Schatten lauert, stoßen Celia und Rupert auf Geheimnisse, die ihr Leben für immer verändern ...


    Meine Meinung:
    Ich habe diesen letzten Teil der London-Trilogie ohne Kenntnis der ersten beiden Bände gelesen und hatte keinerlei Verständnisprobleme.
    Schon das Titelbild macht Lust, sich mit dem London dieser Zeit zu befassen.
    Die sechszehnjährige Celia Brooks macht sich nach dem Tod ihrer Mutter auf nach London, um ihren Vater zu suchen. Dies ist im London von 1888 eine schwierige und gefährliche Aufgabe. Auf ihrem Weg lernt sie einige zum Teil skurrile Personen kennen. Sie lernt das harte und trostlose Leben verarmter Bevölkerungsteile kennen. Mit Unterstützung der sich gerade etablierenden Heilsarmee gelingt es ihr, die ersten Tage in London zu überstehen. Die andere Hauptfigur ist der Hotelierssohn Rupert Ingram, der ohne rechtes Lebensziel ein ungewöhnliches Doppelleben führt. Etliche Nächte schlägt er sich als verkleiderter Rabauke im East End um die Ohren. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Geschichte ist die Story der Überlebenden der Mignonette, die ihr Überleben nur durch Kannibalismus sichern konnten. Zusammen mit der Entwicklung der beiden Hauptfiguren nimmt eine spannende Geschichte ihren Lauf, die jede Menge Ansatzpunkte zum Nachdenken bietet. Die Hauptfiguren sind nicht sonderlich sympathisch dargestellt. Trotzdem fiebert man irgendwie mit. Man erlebt ihre Entwicklung mit und erhält zusätzlich einen umfassenden Eindruck vom Leben in dieser Zeit, das der Autor in schnörkelloser Form darstellt. In Teilen ist es eher ein Sittengemälde als ein Roman.
    Eine Karte des East End, ein Personenregister und umfangreiche Anmerkungen des Autors runden das Buch ab.


    Fazit:
    Dieses Buch ist spannend und faszinierend, aber zum ganz großen Wurf fehlt doch etwas. Es kann jedem empfohlen werden, der sich für die Geschichte Londons interessiert.
    8,5 von 10 Eulenpunkten

    :lesend Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit, Agatha Christie - Miss Marple (Kurzgeschichten von 12 erfolgreichen Autorinnen der Jetztzeit mit Miss Marple), Michael Peinkofer - Die steinerne Krone

  • Nach dem Tod der Mutter macht sich die 16jährige Celia Brooks auf den Weg nach London, um ihren Vater zu finden, obwohl ihre Mutter sie immer vor dem Vater gewarnt hat. In London begegnet sie dem Hotelierssohn Rupert Ingram, den sein privilegiertes Leben langweilt und der sein Abenteuer nachts in den dunklen Straßen von London sucht. Immer wieder laufen sich die beiden über den Weg.
    Die Geschichte erzählt sehr bildhaft über das schwierige Leben der armen Leute und man fühlt sich in das London im Jahre 1988 versetzt, wo es dreckig ist und stinkt und raucht. London zeigt sich dort von seiner schlimmsten Seite. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft sehr auseinander, viele Menschen suchen Arbeit, um ihr Auskommen zu sichern. Aber da das so hoffnungslos schwierig ist, wird geraubt, gemordet und prostituiert. Das Elend ist oft nur im Alkoholrausch zu ertragen. Die Heilsarmee versucht in diesem Elend zu helfen, was ihr nicht nur Anerkennung bringt. Es ist auch die Zeit, in der der Serienmörders Jack the Ripper sein Unwesen treibt.
    Die Personen sind glaubhaft und detailliert beschrieben, so dass man ihre Handlungsweisen sehr gut nachvollziehen kann. Viele Menschen sind ohne Hoffnung, sie wollen nur eins: überleben. Um das zu erreichen, können sie sich keine Skrupel leisten. Celia ist jung und unerfahren. Doch zielstrebig verfolgt sie ihren Plan, den Vater zu finden. Sie gewinnt Freunde, die sie unterstützen. Dabei erfährt sie auch Neues über ihre Mutter. Rupert soll im Geschäftsinteresse verheiratet werden, seine Gefühle tun dabei nichts zur Sache. Er versucht dem Zwang der Gesellschaft zu entfliehen, indem er im East End ein ganz anderes Leben führt. Aber mit der Zeit, erkennt er, was wirklich wichtig ist im Leben. Diese beiden jungen Menschen versuchen ihren Weg zu gehen und ihr Schicksal selber in die Hand zu nehmen.
    Immer wieder wird der Leser überrascht, denn es gibt unverhoffte Wendungen und Charaktere, die anders sind als man zunächst vermutet hat. Historische Ereignisse werden gekonnt mir fiktiven Handlungen verwoben. Der Spannungsbogen steigert sich bis zum Schluss und der Epilog rundet das Geschehen ab.
    Ein wunderbarer historischer Roman, der uns London von der finstersten Seite zeigt. Sehr empfehlenswert!


    5/5