Der einzige Ausweg - Antonio Hill

  • Klappentext
    Eine junge Frau wird von der U-Bahn erfasst, und Inspektor Salgado muss raus in die kalte Nacht von Barcelona: War es Selbstmord? Aber was bedeutet dann das einzige Foto auf ihrem Handy: die steifen Körper von drei erhängten Hunden? Salgado macht sich an die Arbeit, auf seine eigene kompromisslose Art, die ihn in der Vergangenheit schon mehr gekostet hat, als ihm lieb sein kann. Er spricht mit den Kollegen des Opfers bei einem Kosmetikhersteller, doch ihre Chefin begegnet ihm ausweichend, und die jungen Kollegen kriegen kein gerades Wort heraus. Niemandem in dieser Firma ist zu trauen, und dann erfährt Salgado von einer weiteren Tragödie: Ein anderer Mitarbeiter hat sich eine Kugel in den Kopf gejagt – nachdem er seine Frau und seine kleine Tochter regelrecht hingerichtet hatte …



    Der Autor
    Antonio Hill, geboren 1966 in Barcelona, arbeitete nach dem Psychologiestudium als Übersetzer (u. a. Jonathan Safran Foer und A. L. Kennedy). Er lebt und arbeitet in Barcelona.





    Antonio Hill ist ein solider Krimi gelungen. Leider ist es bereits der zweite Band um den Ermittler Héctor Salgado. Das merkt man deutlich, es wird ständig auf Dinge angespielt, die im ersten Band vorkamen (und den ich leider nicht kenne). Deswegen sollte man die Bücher besser der Reihe nach lesen.
    Aber auch ohne Kenntnis des vorherigen Buches kann man der eigentliche Krimihandlung folgen. Die Hinweise beziehen sich mehr auf die Sache um Ruth und natürlich Héctor und seine Vorgeschichte. Es geht um einen merkwürdigen Selbstmord, des zweite, der im Umkreis einer Kosmetikfirma passiert. Da man auch evtl. Mord nicht ausschließen kann, wird Héctor darauf angesetzt. Als auch noch ein dritter "Selbstmord" geschieht, ist ihm klar, das da nicht alles mit rechten Dingen vor sich geht. Privat ist Héctor ebenfalls gebeutelt. Seine Exfrau verschwand unter ungeklärten Umständen vor einigen Monaten. Er ist einer der typischen Problempolizisten: er raucht zu viel, neigt zur Gewalt und leidet unter dem mysteriösen Verschwinden seiner Ex-Frau. Er ist ein klassisches Klischee, aber Musterpolizisten sind ja auch irgendwie langweilig.


    Das Netz der Verflechtungen der Personen untereinander ist vielfältig. Während Héctor sich um die Selbstmorde kümmert, ermittelt seine Kollegin Leire in ihrem Mutterschaftsurlaub ein wenig weiter in der Sache um Héctors verschwundene Frau Ruth. Die Kapitel wechseln sich unregelmäßig ab, immer mal ist eine der Ermittlungen im Vordergrund. Dabei tauchen eine Menge Personen auf, gelegentlich musste ich erst einmal überlegen, wer denn wer war. Das Buch ist relativ umfangreich und leider haben sich auch ein paar Längen eingeschlichen. Héctor dreht sich lange im Kreis, es dauert, bis man einen roten Faden in der Ermittlung hat. Die Sache um die verschwundene Ruth ist interessanter. Dem Autor ist auf jeden Fall mehr an seinen Personen, ihren Gedanken und Beweggründen gelegen als an einer nervenzerfetzenden Krimihandlung. Die Grundstimmung im Buch ist düster, was sich auch an der Beschreibung der ungewohnt trostlosen Barcelonas widerspiegelt.


    "Der einzige Ausweg" ist ein komplex gestalteter Krimi, der mit einer Fülle von interessanten und gut ausgearbeiteten Figuren ausgestattet ist. Aber irgendwie fehlt etwas - der zündende Funke, der einen rastlos durch das Buch lesen lässt und mich als Leser packt. Zwar macht das Buch zum Ende wieder etwas neugierig, denn es werden nicht alle Fäden verknüpft und es tut sich eine weitere Tür auf im Fall Ruth. Aber ob ich Héctor ein weiteres mal durch sein fades Barcelona folgen möchte, weiss ich noch nicht.

    “Wer kleine Kinder und Hunde nicht mag, kann kein schlechter Mensch sein



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  • Zugegeben, ganz "umgehauen" hat mich dieser Krimi nicht. Aber immerhin für zwei Tage ziemlich gut unterhalten! Es ist solide Krimi-Kost, die allerdings am Ende viele Fragen offen lässt. So etwas muss man schon mögen!


    Ich halte nichts davon, Inhaltsangaben wiederzukäuen. Das kann jeder leicht nachlesen. Ohnehin hat das ja mit der Qualität eines Buches wenig zu tun. Ich möchte lieber beschreiben, was für mich das Besondere an diesem Buch war.


    Hector Salgado, ein Argentinier in Spanien. Auch deswegen hatte ich mich für das Buch interessiert, weil hier ja verschiedene Kulturen aufeinanderprallen. Nicht alles, was Spanisch spricht, ist auch gleich! Tja, Hector ist ruppig, trinkfest, raucht viel, und neigt zu Aggressionen. Auch Hector leidet unter dem spurlosen Verschwinden seiner Frau - eine (bewusste?) Parallele zu den Büchern um Roy Grace von Peter James...? Hector hat allerdings einen anderen Charakter. Er benimmt sich manchmal ein wenig wie der berühmte Elefant im Porzellanladen, und neigt zu Zynismus - wenn er etwa sagt, dass Argentinier Erfahrung haben mit dem spurlosen Verschwinden von Leuten... ein bitterböser Satz! Insgesamt war mir Hector jedoch sympathisch.


    Das Buch war insgesamt schon gut aufgebaut. Immer wieder wird klar, dass es in der Vergangenheit zu einem ungeheuren Vorfall gekommen sein muss - als nämlich 8 Mitarbeiter der Firma "Alemany Kosmetik" an einem Motivations-Wochenende teilgenommen haben. Alle diese damaligen Teilnehmer bekommen eigene Kapitel mit eigenen Sichtweisen. Das hat das Buch belebt und aufgelockert. Sehr gut!


    Es ging also gar nicht so sehr um Hector im Vordergrund. Denn ein weiterer Kunstgriff des Autors lenkt den Leser von Hector ab: in einem zweiten Handlungsstrang ermittelt die hochschwangere Leire Castro heimlich weiter, was das Verschwinden von Salgados Frau angeht. Sie ist dabei pfiffig und hartnäckig. Mir hat sehr gefallen, dass man hier als Leser letztlich seine eigenen Schlüsse ziehen muss... die allerdings in eine bestimmte Richtung deuten.


    Der Tonfall des Buches war auch ziemlich eigen. Die Schreibweise hat mich an gewisse "hard-boiled" Krimis der amerikanischen Tradition erinnert. Immer wieder fallen Ausdrücke wie "am Arsch sein" oder "dafür muss man Eier haben"... Auch die Offenheit des Buches gegenüber Abweichungen vom sexuellen Mainstream war erstaunlich. Es gibt hier eine offen geführte Homo-Ehe, ebenso wie eine S/M- Beziehung.


    Was mir weniger gefallen hat, war die Tatsache, dass doch weniger Barcelona-Flair aufkam, als ich dachte. Manchmal joggt Hector am Strand, oder er bewegt sich zwischen diversen U-Bahn-Stationen oder Straßennamen. Aber an und für sich hätte dieser Krimi in jeder anderen Stadt spielen können. Ein wenig schade! Allerdings gibt es diverse Anspielungen auf aktuelle Probleme in Spanien: wie z.B. die zahlreichen Latinos, oder die nordafrikanischen Einwanderer. Sowie die Beziehung Spanier / Katalanen.


    Ich vermute, dass es sich bei Hector Salgado um eine Figur handelt, die man über längere Zeit begleiten müsste, um sie richtig ins Herz zu schließen. Es gibt bereits einen ersten Band, den ich zu 90 % geneigt bin, zu lesen. Als Fazit zum "Einzigen Ausweg" sage ich: wer Krimis mit einer etwas härteren Gangart mag, die routiniert geschrieben sind - der bediene sich bitte!