Müde. So müde.
Mindstar, Commonwealth, Armageddon, Void - Hamilton hat mit diesen Zyklen unterhaltsame, spannende, ideenreiche und clevere SF vorgelegt, die zwar zuweilen ziemlich geschwätzig war, aber das Spannungsniveau blieb auch über mehrere tausend Seiten hoch. Okay, die umfangreichen Erzählungen - 5.000 Seiten umfasst allein der "Armageddon"-Zyklus - endeten überwiegend vergleichsweise abrupt und nicht in jedem Fall restlos überzeugend, aber der Weg dorthin war immer ein großes Lesevergnügen.
Ganz anders bei diesem "SF-Thriller", der immerhin auch mit über 1.100 Seiten daherkommt.
Wir schreiben das Jahr 2143. Im britischen Newcastle steht ein Gateway, das den direkten Übergang zum Planeten St Libra ermöglicht, der sich im Sirius-System befindet. Auf diesem Planeten, der rätselhafterweise nur Flora und keine Fauna besitzt, wird "Bioil" angebaut, ein Algenprodukt, das den nach wie vor großen Mineralölbedarf der Menschheit deckt. Der Rohstoff wird von der Familie North kontrolliert, die aus einer Vielzahl von Klonen besteht, die allesamt von drei jahrhundertealten, aber nach wie vor lebendigen Geschwistern abstammen. An einem kalten Winterabend wird die Leiche eines nicht weiter identifizierbaren North entdeckt, grausam verstümmelt durch ein messerähnliches, anscheinend äußerst originelles Mordwerkzeug. Der Detective Sid Hurst wird mit den Ermittlungen beauftragt, die ihn auf dünnes Eis führen, denn erstens ist die prominenteste Familie des Universums betroffen, und zweitens wurde ein ähnliches Mordwerkzeug schon einmal eingesetzt, zwanzig Jahre zuvor auf St Libra. Dort starb - unter anderen - ebenfalls ein North, aber als Täterin ermittelte man damals mit unsanften Methoden die junge Edelprostituierte Angela, obwohl diese glaubhaft von einem "Alien-Monster" berichtete. Angela sitzt seitdem in Haft. Die wenigen Spuren lassen Sid Hurst zunächst vermuten, dass ein schwelender Firmenkonflikt das Mordmotiv darstellt, aber die "HDA", die "Human Defence Agency", ein von orthodoxen Christen kontrollierter Geheimdienst, organisiert eine sündhaft teure Expedition ins unerforschte Hinterland von St Libra, um dort nach dem mysteriösen Messer-Alien zu suchen.
Der Roman erzählt in einigen Rückblenden von der Vergangenheit seiner Figuren, hauptsächlich aber von der akribischen Spurensuche in Newcastle und von der planetaren Expedition. Unglaublich detailverliebt und sehr, sehr ausschweifend wird über zig Seiten davon berichtet, wie die britischen Ermittler im "Mesh" der städtischen Überwachung nach den gut verwischten Spuren des Mörders suchen, während parallel ebenso unglaublich detailverliebt und noch viel ausschweifender der Verlauf der Aliensuche geschildert wird. Das ist umso irritierender, als es über weite Strecken mit keinerlei Erkenntnisgewinn einhergeht. Das sehr umfangreiche - zuweilen unüberschaubare - Personal mäandert von einer Belanglosigkeit zur nächsten, findet dann mal ein bisschen was, um sofort einen Rückschlag zu erleiden und wieder von vorn anzufangen. Bis etwa zum Ende des zweiten Romandrittels ist völlig unklar, worum es in dieser Geschichte geht oder wenigstens gehen könnte, weil Hamilton mühsam jeden Hinweis auf die tatsächliche Erklärung ausspart, um diese am hastigen Ende aus dem Hut zaubern zu können. Diese Auflösung mit ihren merkwürdigen philosophischen Implikationen fällt bei näherer Betrachtung haarsträubend unlogisch aus. "Der unsichtbare Killer" ist wie eine mühselige Wanderung in einem höhepunktearmen Revier, an deren Ende man feststellt, dass man auch den Bus hätte nehmen können.
Wären da wenigstens technische oder entwicklungstheoretische Aspekte, die die Lektüre interessanter gestalten würden, aber die skizzierte Zukunft kommt mit einigen wenigen Neuerungen (z.B. den Gateways), einigen aus Hamilton-Universen bereits bekannten Ideen ("Rejuvenation") und ansonsten leicht adaptierter Jetztzeittechnik aus. Die Menschen verfügen zwar über intelligente Implantate, die per gedankengesteuertem "E-I" (das wird nicht erklärt) mit dem universumsumspannenden Internet-Nachfolger kommunizieren können, aber die Fahrzeuge sind mit Ottomotoren betrieben, die Flugzeuge haben Radar, alles ist, wie heutzutage, also 130 Jahre davor, immer noch ziemlich wetteranfällig, unterm Strich eher unintelligent und seltsam rustikal. Einzig die absoluten Angstgegner der Menschheit, die "Zanth", gegen die es keine Abwehr zu geben scheint, lassen an die besseren Erzählungen des Meisters denken. Und, ja, es gibt "Mikrofakturen", die wohl eine Weiterentwicklung aktueller 3D-Drucker darstellen.
Was bleibt, ist eine wirklich sehr, sehr langatmige Story, die fast ohne Spannung (von "Thrill" kann keine Rede sein) einem etwas haarsträubenden Ende entgegenhumpelt. Hin und wieder blüht eine gute Idee am Wegesrand, und, ja, Hamilton kann schön beschreiben, muss sich allerdings anhören, dass die Dialoge in diesem Buch auch zu seinen weniger gelungenen gehören. "Der unsichtbare Killer" wäre, auf 300 Seiten gekürzt, nicht weniger spannend oder interessant, dann aber wenigstens nicht so ermüdend. Denn das ist er vor allem: Ermüdend. Gähn!