Titel: Intrige
Genre: Historischer Roman
Autor: Robert Harris
Verlag: Heyne
Erschienen: November 2013
Seitenzahl: 624
ISBN-13: 978-3453268784
Preis: 22.99 EUR
Inhalt
“Es geht um den ersten Whistleblower der Geschichte und um den politischen Ur-Skandal: Robert Harris hat mit „Intrige“ einen Roman vorgelegt, dessen Hintergrund die französische Dreyfus-Affäre bildet. Angeregt wurde das Buch von Star-Regisseur Roman Polanski.
„Der erste große politische Skandal“ und damals „die größte Story der Welt“, so nennt Bestsellerautor Robert Harris (56) die Dreyfus-Affäre, die Grundlage seines neuen Romans. Auf die Idee habe ihn Regisseur Roman Polanski gebracht, erzählt Harris bei einer Lesung im Rahmen des „Literaturfestes München“. Bei einem Treffen mit Polanski, der bereits Harris Buch Ghost verfilmt hatte, habe er „den Fehler begangen“, Polanski auf seine Sammlung von Büchern zur Dreyfus-Affäre anzusprechen. Als Polanski ihm offenbarte, er habe schon immer einen Film darüber machen wollen, war das Projekt der beiden geboren.
Allerdings ist nicht Alfred Dreyfus die Hauptfigur in „Intrige“, sondern der junge Leiter des Militärgeheimdienstes, Georges Picquart. Dessen Rolle in dem Skandal – der französische Artillerie-Hauptmann jüdischer Abstammung, Alfred Dreyfus, war 1894 wegen angeblichen Landesverrats verurteilt und auf die Teufelsinsel vor der Küste von Französisch-Guayana verbannt worden – sei bisher übersehen worden, sagte Harris weiter. Mit Polanski, der gerne mit Romanvorlagen arbeitet, kam Harris überein, dass er zuerst einen Roman und dann das Drehbuch schreiben werde.
Zu Beginn der Arbeit sei ihm nicht bewusst gewesen, dass Picquart „der erste Whistleblower der Geschichte“ war, berichtet Harris. Erst durch Bradley Manning und Edward Snowden sei ihm klar geworden: „Ich habe einen Roman über einen Whistleblower geschrieben.“ Picquart war einer der wenigen, die von Dreyfus Unschuld überzeugt waren. Bei seinen Vorgesetzten stieß er damit allerdings auf taube Ohren. Trotzdem kämpft er für die Rehabilitierung von Dreyfus und setzt damit das eigene Leben aufs Spiel. Jeder Charakter in „Intrige“ entspreche der Realität, stellt der Autor klar. Darum habe ihm das Schreiben dieses Buches auch so viel Spaß gemacht: Die Story sei so bizarr, die hätte man sich gar nicht ausdenken können.“ (Quelle: focus online)
Autor
Bevor Robert Harris Romanautor wurde, war er als Reporter und Redakteur tätig. Nach seinem Studium in Cambridge arbeitete er als Reporter für die BBC und als Redakteur für den "Observer". Der 1957 in Nottingham geborene Autor wurde 2003 als bester Kolumnist mit dem "British Press Award" für seine Arbeit beim "Daily Telegraph" und der "Sunday Times" ausgezeichnet. Neben seinen Romanen, darunter Bestseller wie "Vaterland", "Enigma" und "Imperium", schreibt er auch Sachbücher. In seinen Büchern verbindet er Fiktion und historische Fakten, sie entführen ihre Leser so in andere Welten und Zeiten. Heute lebt der Autor mit seiner Frau und vier Kindern in Berkshire. (Quelle: amazon.de)
Meine Meinung
In der Tat hat die Affäre Dreyfus seinerzeit ganz Europa erschüttert. Harris hat sich also ein Thema mit hohem Bekanntheitsgrad ausgesucht. Und er wählt dazu erstmals eine für ihn neue Erzähltechnik und erzählt Intrige im Präsens aus der Sicht seines Protagonisten Georges Picquart. Anfänglich durchaus gewöhnungsbedürftig, erweist sich dieser Kunstgriff nach ein paar Seiten als äußerst geschickt: Ein Buch, das doch eigentlich nur etwas erzählt, was jeder schon weiß oder zumindest wissen könnte, gerät auf diese Weise zum hochaktuellen Roman, zumal in diesen Tagen – zumindest in Europa – wieder die Machenschaften von Geheimdiensten und ihre unappetitlichen Verbindungen mit den politisch und wirtschaftlich Mächtigen in aller Munde sind.
Dennoch hat dieses Buch eine entscheidende Schwäche: Es ist für einen Spannungsroman zu ausufernd, soweit es die Details der scheinbaren Beweise gegen den bedauernswerten Dreyfus betrifft. Immer wieder, manchmal seitenlang, beschreibt Harris die Zettel und Briefe (und es sind immer dieselben), die – teilweise aus Schnipseln wieder zusammengefügt, einige von ihnen auch gefälscht – in den verschiedenen Stadien der Beweisführung für oder gegen Dreyfus eine Rolle spielen. Schon nach der Hälfte des Buches kann man die französischen Fachbegriffe der damaligen Zeit für diese Stücke einfach nicht mehr hören (lesen), die immer und immer wiederholt werden. Hier wurde der Autor von der Akribie seiner Recherchen dazu verleitet, sich und seinen LeserInnen einen Bärendienst zu erweisen. Manchmal gerät das Buch dadurch in Gefahr, so etwas wie ein ganz spannendes Sachbuch über die Dreyfus-Affäre zu sein.
Schade, denn Harris ist eigentlich ein begnadeter Erzähler.
Für diejenigen allerdings, die an ausführlichsten Detailbeschreibungen keinen Anstoß nehmen oder solche gar schätzen, ist der neue Harris eine gute Wahl. Für mich weniger, auch wenn Intrige mich viele Seiten lang durchaus gefesselt und so für zu viele langatmige Passagen wenigstens teilweise entschädigt hat.
edit wg. Fehlerkorrektur