Kurzbeschreibung
Berlin, 1320. Die junge Magda Harzer macht sich mit ihren drei Brüdern auf ins Herz der frisch befestigten Doppelstadt Cölln-Berlin, wo sie sich unverhofft inmitten des Konflikts um die Kaiserkrone wiederfindet. Die Wege der Geschwister trennen sich. Als Papst Johannes XXII. den Kirchenbann über Berlin verhängt und einer ihrer Brüder wegen Aufruhrs und Mordes verhaftet wird, muss Magda all ihren Mut zusammennehmen und um ihn kämpfen. Nur Thomas, ein junger Franziskaner-Mönch, steht ihr bei. Und auch sein Leben wird sich von Grund auf ändern...
Über die Autorin
Charlotte Lyne, geboren 1965 in Berlin, studierte Germanistik, Latein, Anglistik und Italienische Literatur in Berlin, Neapel und London. Bevor sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern nach London zog, lebte sie einige Zeit in Glencoe, der schottischen Heimat ihrer Schwiegerfamilie. Charlotte Lyne arbeitet als Autorin, Übersetzerin und Lektorin.
Meine Meinung
"Aber es trägt sich leichter zu zweit. Es hungert sich leichter, und es fürchtet sich leichter, es schimpft und weint und zankt sich leichter, und oft lacht es sich leichter und schläft sich selbst im kältesten Bett leichter ein. Eines Tages, denk ich, stirbt es sich leichter, und wenn der andere noch bleibt, dann bleibt ein kleines Stück von einem selbst.«
Diese klugen Worte der Bäuerin Brida, gerichtet an die Hauptfigur Magda, spiegeln für mich eines der zentralen Themen in Charlotte Lynes neuem Roman wider. Hier zwar speziell auf die Beziehung zwischen Mann und Frau gerichtet, bringen sie aber auch das zum Ausdruck, was den ganzen Roman von der ersten bis zur letzten Seite prägt und trägt: den Zusammenhalt einer Familie in guten wie in schweren Zeiten, den Zusammenhalt von Freunden, egal was kommen mag und den Zusammenhalt von Liebenden, wo immer deren Weg auch hinführen wird. Es sind starke Bande, die die Figuren knüpfen. Bande, die aber auch eine Last sein können, die ein einzelner Mensch kaum zu tragen vermag, die aber leichter wird, wenn man sie auf mehrere Schultern verteilen kann.
Mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben sie ihr Leben in Bernau auf, die Harzers und machen sich mit allem, was sie haben, auf den nach Berlin und dort festzustellen, dass das Leben noch so mache unliebsame Überraschung für sie bereithält. Sie versuchen das Beste aus ihrer Situation zu machen, was dem einen besser, dem anderen schlechter gelingt. Allen voran Magda, die es mit Zähigkeit, Mut und Fleiß schafft, der Familie wieder eine Perspektive zu geben. Hinfallen, aufstehen, weitermachen und niemals den Respekt vor dem Leben zu verlieren, das ist den Harzers bei ihrem täglichen Kampf um ein besseres Leben gemein. Sie dabei zu begleiten, ihre Verzweiflung zu erleben, aber auch ihre Stärke, ihr Glück und ihr Lachen, das hat mich innerhalb weniger Lesestunden von Seite zu Seite gezogen. Jede der Figuren hat sein persönlichen Päckchen zu tragen, kämpft mit seinen inneren Dämonen und mit den Widrigkeiten des Lebens. Gerade diese innere Zerrissenheit ist es, die Charlotte Lynes Figuren auch diesmal wieder so menschlich macht.
Die große Bandbreite an Emotionen, mit denen die Autorin ihre Figuren ausstattet, machen Bücher zu papiernen Zeitmaschinen. Man setzt sich hinein, reist zurück in die Vergangenheit und ist mitten drin in der Geschichte. Ich hatte immer das Gefühl, Teil der Geschehnisse zu sein, nie bloßer Zuschauer. Oder um es in modernere Worte zu fassen: Das Mädchen aus Bernau ist ganz, ganz großes 3D Kino für den Kopf.
Ein bisschen vermisse ich den sperrigen Schreibstil, der gerade die ersten Bücher der Autorin so markant geprägt hat und der beim letzten Buch für mein Gefühl zu stark geglättet war. Umso mehr freut es mich, dass das Mädchen aus Bernau vom Ausdruck und der Wortwahl her wieder ganz und gar ein echter Charlotte Lyne ist.
Ich lasse sie nicht gerne ihrer Wege ziehen, die Harzers und ihre Freunde, aber ich halte es mit einer weiteren Botschaft dieses Buches: Was man liebgewonnen hat, muss man manchmal seiner eigenen Wege gehen lassen. Das tue ich nun und freue mich auf Charlotte Lynes nächste papierne Zeitmaschine.