OT: La Maison de rendez-vous, 1965
Aus dem Französischen von Rolf und Hedda Soellner.
Kurzbeschreibung:
Die "Blaue Villa", ein Hotel zweifelhaften Rufs in Hongkong, ist der Schauplatz. "Lady" Ava gibt mehr oder weniger harmlose Parties für europäische Abenteurer, Asiaten mit undurchischtigen Beschäftigungen, junge Freudenmädchen. Ein vermutlich ehrsamer Kaufmann und ein Millionär des Rauschgifthandels werden ermordet. Lady Ava stirbt, es bleibt unklar, ob freiwillig.
Wie in einem Film schieben sich Gegenwart und Vergangenheit ineinander, tauchen Bilder von großer Suggestivkraft auf.
Über den Autor:
Alain Robbe-Grillet wurde am 18. August 1922 in Brest geboren. Er hat Landwirtschaft studiert und später am Institut National des Statistiques gearbeitet. 1953 publizierte er seinen ersten Roman: Les Gommes. In der Editions de Minuit versammelten sich mit Alan Robbe-Grillet, Michel Butor, Nathalie Sarraute, Marguerite Duras und Claude Simon die Gründungsfiguren des Nouveau Roman. »Der Nouveau Roman war von Anfang an sehr bekannt, aber genauso verkannt« hat Robbe-Grillet imner wieder gesagt. »Robbe-Grillet will die Objektivität in der Literatur einführen, schrieben die Kritiker. Ich protestierte schon damals dagegen - aber niemand nahm es zur Kenntnis.«
2001, kurz vor seinem 80. Geburtstag, überraschte Robbe-Grillet Leser und Kritik mit seinem Roman La Reprise (Die Wiederholung, 2002), der als »Gründungstext des 21. Jahrhunderts«, als »einer der modernsten Texte der letzten Jahre« gefeiert wurde.
Am 18. Feburar 2008 ist Alain Robbe-Grillet 85jährig in Caen gestorben.
Mein Eindruck:
Der Nouveau Roman aus dem Frankreich der sechziger Jahre ist heute nahezu vergessen, zumindest in Deutschland. Robee-Grillet war einer der anerkannten Autoren dieses Genres. Tabubrüche und experimentelle Schreibweise waren für ihn selbstverständlich.
Robbe-Grillet war auch Filmregisseur. Daher ist auch sein Stil in der Literatur von filmtechnischen Methoden geprägt. Das zeigt sich besonders stark durch die Perspektive, die der einer stehenden Kamera gleicht. Distanziert, aber genau beobachtend, ohne ins Geschehen einzugreifen. In diese Perspektive wird auch der Leser gezwängt, daher fühlt man sich manchmal wie ein Voyeur.
Das ist zwar unangenehm, aber dennoch fasziniert mich die unkonventionelle Schreibweise.
Der größte Teil der Handlung, sofern man überhaupt von einer linear ablaufenden, nachvollziehbaren Handlung sprechen kann (man kann es nicht), spielt sich in einer blauen Villa in Hongkong ab. Das bietet Exotik. Das Hotel ist aber nichts anderes als ein Club für reiche und gelangweilte Ausländer, mit vielen ungewöhnlichen Showeinlagen, die Sex und Sadismus bieten. Mädchenhandel und Ausschweifungen sind da Alltag!
Geführt wird dieser Club von Lady Ava, die außerdem auch ein Luxusbordell besitzt.
Der Roman besitzt auch einen Krimiplot, ohne dadurch zwangsläufig zu einem zu werden. Gewissermaßen ist es eine Parodie auf dieses Genre.
Ein japanische Prostituierte wird ermordet, ihr ausgebluteter Leichnam wurde verkauft, um in einem angesehenen Restaurant in Aberdeen in verschiedenen Soßen serviert zu werden (Würg!).
Der mutmaßliche Mörder Edouard Manneret hat sich auf dieser Weise einem lästigen Beweisstück entledigt.
Auf jeden Fall aber doch eine Gelegenheit für korrupte Polizisten und Erpresser.
Dann wird von Ralph Johnson, ein Amerikaner, der oft im Club zu Gast ist, gerade dieser Mann tot aufgefunden. Unfall oder Mord?
Ein wüster Plot, der beim Leser eine Mischung aus Faszination und Abscheu erzeugt.
Der Text bleibt rätselhaft und bar jeder Logik! Mich persönlich hat das nicht gestört, im Gegenteil habe ich sogleich einen weiteren Roman des Autors bestellt.